100 Jahre Sprödental-Kirmes: Schaustellerstreik & Eintritt wie im Freizeitpark

Der Frühjahrskirmes auf dem Sprödentalplatz um 1930 | Foto: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

Die Kirmes auf dem Sprödentalplatz in Krefeld feiert in diesem Frühling vom 26. April bis zum 5. Mai 2024 ihr 100-jähriges Bestehen. Erstmals 1924 wurden die Buden und Fahrgeschäfte auf einem damals noch recht kleinen und umzäunten Gelände an der Ecke Grenzstraße/Uerdinger Straße errichtet. Zu jener Zeit mussten die Besucher der ersten Jahre sogar noch Eintritt zahlen, was 1931 zu einem heftigen Konflikt zwischen den Schaustellern und der Stadt führte.

Eine nächtliche Mondfinsternis und darauffolgende Turbulenzen

Von manch Kirmes-Wahrsagerinnen könnte sie als schlechtes Vorzeichen gedeutet worden sein: Das Ereignis in der Nacht vom 26. auf den 27. September 1931 am nächtlichen Krefelder Himmel war eine totale Mondfinsternis, der kurz darauf eine  ernsthafte Auseinandersetzungen auf dem Sprödentalplatz folgte. Zwischen der städtischen Verwaltung und den Schaustellern war ein Streit um die Eintrittsgelder entbrannt, woraufhin die Schausteller in den Streik traten. Die Stadt reagierte mit der Androhung, das Volksfest umgehend zu schließen und setzte den Schaustellern ein Ultimatum.

Routine in der Organisation, schützt nicht vor Konflikten

Laut Unterlagen des Stadtarchivs Krefeld war die Organisation Frühjahrs- und Herbstkirmes ein routinierter Vorgang. Formblätter, Kassierer- und Kontrolleurslisten, Standpläne, Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Standgebühren sowie Anzeigentexte. Standardisiert warb die Stadt im Mai 1931 im „Komet“ für die Herbstkirmes: „Es werden nur einwandfreie und erstklassige Schaugeschäfte zugelassen. […] Von der Zulassung sind ausgeschlossen: Glücksspiele aller Art, ferner Ausspielungen von Geld einschl. Spielautomaten, Fahrrädern, Lebensmitteln, Genussmittel wie Schokolade, Zigaretten etc. sowie lebender Tiere und Taschenuhren.“ Bald erreichten die Stadt entsprechende Angebote. So durften sich die Besucherinnen und Besucher freuen auf eine Abnormitäten-Show mit den kleinsten und dicksten Menschen, exotische Tiere, eine magische Attraktionenschau, ein Original Kölner Hänneschen Theater sowie eine Rodelbahn, ein Hippodrom und ein „Tanzzelt mit großem Orchester“. Insgesamt 49 Schausteller aus Krefeld, Düsseldorf, Köln, Ruhrgebiet und Erfurt (Hygiene Museum) bauten dann im Herbst ihre Buden an der Ecke Grenzstraße/Uerdinger Straße auf.

Die Weltwirtschaftskrise war überall spürbar, dennoch hatte die Stadt Krefeld den Sprödentalplatz herrichten lassen. Wie der Krefelder Generalanzeiger vom 25. September 1931 berichtete hatte die Stadt bereits für die Frühjahrskirmes die Wege befestigen lassen, damit die Kirmes auf einem ordentlichen Platz stattfinden konnte: „Mit nicht geringen Kosten hat man den Messeplatz am Sprödental einer gründlichen Erneuerung unterzogen, die es möglich macht, dass nunmehr einwandfreie Wege selbst bei schlechter Witterung vorhanden sind, was bisher zu manchen Unzuträglichkeiten Veranlassung gegeben hat. […] Es ist nicht daran zu zweifeln, dass trotz allen wirtschaftlichen Nöten, das Volksfest wieder einen lebhaften Zuspruch aus den Kreisen der Bevölkerung erhält, um so mehr, als man sich dort für wenig Geld einige angenehme Stunden verschaffen kann.“

Dass die Zeiten auch für die Schausteller hart waren, lässt sich bereits an der Frühjahrskirmes vom 3. bis 11. Mai 1931 absehen: Während die Stadt hierfür noch 100.000 Eintrittskarten drucken ließ, waren es für die Herbstkirmes nur von 50.000 Eintrittskarten. Der Eintritt wurde von 20 auf zehn Reichspfennige gesenkt, Kinder unter 14 Jahren hatten freien Eintritt. In den Akten finden sich jedoch einige Bitten von Schaustellern, die Anzahlung für die Standgebühr erst später zu bezahlen. Und die große Attraktion auf der Sprödental-Kirmes, die Gropengießer Achterbahn, erteilte sogar eine Absage: Die Geschäftslage sei augenblicklich derartig schlecht, dass man nicht einmal die Frachtkosten von rund 4.000 Reichsmark einnehmen werde. Für eine Fläche blieben zudem noch Plätze frei, so dass zwei Krefelder Beamte eine Dienstreise nach Essen antraten, um Schausteller auf der dortigen Kirmes zu werben. Einen Ersatz für die Achterbahn fanden sie jedoch nicht.

Verhandlungen und Streik am Kindertag

Der Streik erreichte seinen Höhepunkt am 30. September 1931. Schausteller suchten die Gewerbepolizei auf, um über Stand- und Eintrittsgelder zu verhandeln, doch die Stadt zeigte sich unnachgiebig. Eine erste Versammlung der Schausteller führte dazu, dass am Nachmittag keine Buden geöffnet wurden, während bereits Tausende Besucher auf dem Platz waren. Die Stadt sperrte die Zugänge und stellte den Schaustellern ein zehnminütiges Ultimatum, was zu weiteren Spannungen führte.

„Meine Mitteilung ließ die Schausteller völlig kalt, sie lachten vielmehr darüber“, berichtete ein Beamter. Sie verlangten vielmehr eine 50-prozentige Ermäßigung auf ihre Standgelder. Doch nach einer weiteren Versammlung der Kirmesleute kam endlich Bewegung in die Sache. Untereinander waren sich die Geschäftsinhaber längst nicht mehr einig, so dass die Fahrgeschäfte sowie Buden mittags um 16.30 Uhr doch geöffnet wurden. Der Streik war beendet, und rund 7.300 Besucher strömten auf den Platz, gut 75 Prozent davon Kinder. Der Krefelder General-Anzeiger berichtete über den Streik: Die Schausteller hätten für den Mittwochnachmittag den Verzicht auf Eintrittsgelder verlangt. Die Stadt wollte jedoch nicht auf den Eintrittsgroschen verzichten, „indem dass die angespannte Finanzlage der Stadt gebieterlich den Eingang dieser Eintrittsgelder zur Erfüllung der unbedingt erforderlichen Aufgaben erfordere“, steht es in dem Zeitungsartikel. Und: „Später haben die Budenbesitzer den Laden wieder aufgemacht, weil sie doch was verdienen mussten.“

Lösung des Streiks und die folgenden Jahre

Nach weiteren Diskussionen öffneten die Schausteller ihre Geschäfte wieder, und der Streik wurde gegen Nachmittag aufgelöst. Trotz der Auseinandersetzungen und der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Stadt, die weiterhin auf den Eintrittsgebühren bestand, kehrte letztlich doch Normalität auf das Volksfest zurück. Nach einem Schaustellerschreiben im Frühjahr 1933, seitens der Stadt ganz auf die Eintrittsgelder zu verzichten, wurde zumindest verfügt, dass nur noch am Sonntag, Mittwoch und Donnerstag zehn Reichspfennige Eintritt bezahlt werden mussten. Alle übrigen Tage seien frei. Seit wann genau kein Eintritt mehr verlangt wurde, ist noch offen. Im Mai 1938 übernahm allerdings die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ die Ausgestaltung der Kirmes. Über Eintrittsgelder ist bei der Berichterstattung nun nichts mehr zu lesen. 

Jubiläumsfeierlichkeiten und weitere Informationen

Zum Jubiläum wird die Frühjahrskirmes vom 26. April bis zum 5. Mai 2024 viele Besucher mit attraktiven Fahrgeschäften und Unterhaltung locken.

Details zur Geschichte der Sprödental-Kirmes, Fotografien und aktuelle Informationen sind unter www.krefeld.de/100jahresproedentalkirmes abrufbar.
Mehr über den historischen Streik der Schausteller findet sich im Krefelder Jahrbuch „Die Heimat“, Ausgabe Nummer 85 (2014).

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