Im Land van de Peel – Eine Radtour durch ein geschichtsträchtiges Moor

Eine Radtour zwischen Eindhoven und Venlo gegen das Vergessen

Im „Land van de Peel“ zwischen Venlo und Eindhoven finden Erholungssuchende Ruhe, Abgeschiedenheit und ein Vogelparadies. Doch Vorsicht, in der Heide ging es nicht immer so friedlich zu wie heute. Eine Radtour gegen das Vergessen.  

Wer vom Niederrhein aus kommend die Maas überquert und sich ab Venlo auf der Autobahn A 67 tiefer in die Niederlande bewegt, hat meist Metropolen wie Eindhoven, Den Bosch, Antwerpen, Utrecht oder Amsterdam im Visier. Die wenigsten hierzulande wissen, dass es bereits wenige Kilometer hinter der Grenze vor Eindhoven ein bezauberndes Moorgebiet gibt. „De Groote Peel“ – oder einfach nur „Peel“ - lädt Radler und Spaziergänger zumindest für einen Tagesausflug in eine von Menschenhand geprägte und dennoch so natürliche Kulturlandschaft ein.

Der Wasserreichtum des Nationalparks beeindruckt. Der Torfstecher war hier lange zuhause. Poeten aus der Region beschreiben die Peel als romantisch, einsam, aber auch eintönig und erbärmlich. „Eintönig“ und „erbärmlich“ können wir keineswegs bestätigen, das muss vorgestern gewesen sein aus Sicht des darbenden Torfstechers. Die anderen Etiketten treffen zu.  

Wir haben uns für unseren heutigen Tagesausflug nicht das Nationalparkzentrum Ospel oder das Kerngebiet der 1400 Hektar großen Peel westlich der Nationalstraße 279 ausgewählt. Uns zieht es vielmehr an das Gebiet Mariapeel ein paar Kilometer nördlich der Autobahn Venlo-Eindhoven und westlich der Nationalstraße 277.

In America geht’s los

Frei Parken haben wir zufällig in America. Im Gegensatz zum gleichnamigen Kontinent ist das limburgische America ein Dorf unweit Venray. Ganz nett, lekker Frietjes – aber außer dröhnendem Güterzugverkehr, zwei Centerparks und einer regional bekannten Mundartband müssen wir hier keine Wurzel schlagen. Vielmehr schnüren wir an der Kirche flugs unsere Bikes vom PKW-Radträger und radeln los ab Knooppunt 38 über 50 und 28 ins Naturreservat Mariapeel. Das nach der Gottesmutter benannte Peel-Reservat steht seit mehr als 40 Jahren unter Naturschutz – diese Erde ist den Niederländern heilig.

Entlang von Kanälen, die etwa der Breite der Niers bei Grefrath entsprechen, geht es über bequeme Schotterwege entlang Pfeiffengras, Eichen, Sträuchern und schnatternden Saatgänsen tiefer ins Moor. Die Grenzen zwischen natürlicher und über Jahrmillionen gewachsener Pracht sowie landwirtschaftlicher Zerklüftung verschwimmen wie die Ölfarben in einem Rembrandtgemälde.  Moortypische Lebensräume sind noch erkennbar. Schon früh begann in dieser Gegend das systematische Stechen von Torf, was ein wichtiger Energielieferant in Zeiten der Not werden sollte.

Unberührte Maria aus Heide und Sand

In Mariapeel ist die Landschaft von der Urbarmachung weitgehend verschont geblieben. Sie bildet eines der größten Rückzugsgebiete mit offenen Heideflächen und Sandrücken in seichter Kurvigkeit. Die Szenerie ist teilweise bizarr versumpft. Im nährstoffarmen Wasser konnten sich bestimmte Ufer- und Sumpfpflanzen entwickeln. Diese starben später zerknirscht ab und bildeten einen wasserundurchlässigen Boden. Auf dem wiederum wuchsen neue Pflanzen - und starben ab. So bildeten sich schließlich die heutigen Moore.

Es entwickelten sich Wassertorfmoose, die auswuchsen und das Moor prägten. Ursprünglich wuchsen in diesen Gefilden weder Bäume noch Sträucher. Doch aufgrund des niedrigen Wasserstands und der geringeren Beweidung ist beides nun vorhanden. Neben der Birke gibt es Eichen, neben Pappeln Ulmen. Eine Heidelandschaft mit eigenem Anstrich und Tiefgang. Wo es allzu feucht um Mutter Erde wird, retten Holzstege vor dem Versinken. Das Moor zieht rein.  

Mariapeel ist heutzutage ein geschütztes Feuchtgebiet. Zudem ein international anerkanntes Brut-, Nahrungs- und Überwinterungsgebiet für Vögel. Nicht weniger als 125 Arten der gefiederten Freunde leben hier, darunter Blaukehlchen, Schwarzkehlchen, Rohrweihe und Ziegenmelker. „Es ist eines der vogelreichsten Gebiete Westeuropas“, erläutert uns Wim, der aus dem nahen Ysselsteyn kommt und in der Peel gerne auf seiner Fiets die Seele baumeln lässt.

Krieg, Widerstand und Versöhnung

In Ysselsteyn befindet sich die einzige deutsche Kriegsgräberstätte auf niederländischem Boden. 32.000 Tote des Zweiten Weltkriegs haben dort ihre letzte Ruhestätte gefunden. Wir erinnern uns, dass wir den Wegweiser „De Zwarte Plak“ in der Nähe von America an der N 277 haben links liegen lassen. Bei der Recherche erfahren wir, dass „Zwarte Plak“ für eine Widerstandsgruppe im Zweiten Weltkrieg steht, die rund um den gleichnamigen Bauernhof auch Juden und britische Piloten versteckte.

Heute verbindet die Peel Naturfreunde dies- und jenseits der Grenze. Den Piepmätzen auf den Fersen, ist der Feldstecher in diesem sumpfigen Vogel-Paradies Pflicht im Rucksack von Wim. Der Niederländer leiht uns gerne das Fernglas für einen Rundblick. „Das Schöne an dieser Gegend ist, dass sie für Radfahrer und Wanderer frei zugänglich ist“, betont der pensionierte Erdkundelehrer in fast akzentfreiem Deutsch.   

Vor rund 80 Jahren ging es hier weniger friedlich zu. Davon zeugt der Defensiekanaal. Ihm folgen wir nun ein gutes Stück. Defensie bedeutet Verteidigung. Die Wasserstraße haben die Niederländer 1939 als Panzergraben im Rahmen eines militärisch angelegten Peel-Projektes gebaut. Fleißige Hände schaufelten einen 10 Meter breiten und 1,80 Meter tiefen Kanal. Mit der Peel als Hinterland erhoffte man sich eine ausreichende Verteidigung gegen feindliche Übergriffe. Auf den ungeschützten Feldern und Wiesen war das eher nicht der Fall. Im Jahr 2000 wurde der Defensiekanaal  in die Liste der nationalen Denkmäler in den Niederlanden aufgenommen, da er fast vollständig intakt ist. Solch ein geschichtsträchtiger Flecken ist in Limburg selten und besitzt in den Niederlanden folgerichtig hohen kultur-geografischen Wert.

Im Charme der Moorkolonien versinken

Wir radeln weiter und nähern uns den ehemaligen Moorkolonien Helenaveen und Griendtsveen. Sie liegen mit dem Rad eine bequeme halbe Stunde auseinander und sind für uns willkommene Etappenziele mit hoher Aufenthaltsqualität – sprich Kaffee, Kuchen oder ein schmackhaftes Peel-Menü in netten Lokalen werden kredenzt. Beide Orte bieten aber auch mit Pensionen, Hotels und Campingplätzen die Infrastruktur, sich dort länger als einen Tag wohlzufühlen.

Die beiden charmanten Peel-Dörfer südlich von Deurne deuten an, was in diesem ehedem  ausgedehnten Hochmoorgebiet bis heute den natürlichen Reiz ausmacht. Kanäle, Gräben und Peelbahnen erinnern ringsum an Torfgewinnung im großen Stil und auf mindestens 30.000 Hektar. Der Torfmulch aus Helenaveen – der Ort gehört schon zu Brabant und markiert die Grenze zu Limburg - wurde nach ganz Europa exportiert und diente als Ersatz für Stroh in den Armee- und Straßenbahnhallen von London und Paris.

Beide Peel-Orte stehen für fünf Generationen Torfgewinnung und Veredelung. Im Brennpunkt steht die Grindtsveen AG mit Gründer Jan van de Griendt. Der erwarb 1853 wilde Flächen zur Brenntorfgewinnung südlich von Eindhoven. Es wurden kilometerlange Kanäle für die notwendige Entwässerung und den Abtransport von Brenntorf gegraben. Südlich von Griendtsveen baute der Torfkönig ein Dorf, um dem Personal Unterkunft zu geben: Helenaveen, benannt nach van de Griendts Ehefrau Helena. Jans Söhne Joseph und Eduard führten das Geschäft fort. 1885 entstand Griendtsveen, das auch Namensgeber des Unternehmens ist. Während Jan auf Schwarztorf setzte, war für Joseph und Eduard das „weiße Gold“ ausschlaggebend. Weißtorf diente als Einstreu in Stallungen für Pferde und Hühner. Die van de Griendts haben schließlich bis 1975 in der Peel gelebt.

Genug Geschichte! Ab Griedtsveen radeln wir jetzt schnurstracks und kerzengerade nach Osten über den Kanaalweg wieder Richtung N 277 und America. Kurz vor der Nationalstraße entdecken wir rechterhand das Peelmuseum. Hier ist all das anschaulich dokumentiert, was wir mittlerweile auf unserer Radtour erlebt haben. Bäuerliche Armut und Torfstecher-Nostalgie prägen die Kulisse. Spürbar ist allenthalben der vogelwilde Stolz dieser armen reichen Menschen mit knorrigen Fingern und gebeugtem Rücken. Es ist wohl der typische Peel-Schlag.

Der unverbindliche Rad-Routentipp der NiederRhein Edition führt als ca. 25 Kilometer lange Rundreise entlang der fünf Knotenpunkte

38 (America) – 50 – 28 – 27 (Helenaveen) – 57 (Griendtsveen) – 38

Alles ohne Steigungen, ohne gefährliche Straßenquerungen, meist auf asphaltierten Radwegen, teilweise gibt es entlang der Kanäle auch Schotterwege.

 

Text + Fotos: Axel Küppers für NiederRhein Edition

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