Wanderer, kommst du mit nach …?
Vor mehr als 30 Jahren, da stand die große Friedenseiche noch im alten Friemersheimer Dorfkern. Daran erinnert sich der Reisejournalist Matthias Berns bei unserem Treffen noch gerne. Heute liegt ihr Stamm als gefälltes Sinnbild vor der nahen Dorfkirche, und der lebenslustige Wanderer setzt sich für ein Foto kurz darauf. Es war die Zeit, als der gebürtige Rheinhauser sein Abitur am damals noch existenten Heinrich-Heine-Gymnasium, das längst in eine Gesamtschule umfunktioniert wurde, machte. Zwischen nächster Party und Abi-Klausuren pendelnd war Matthias Berns oft in der unweit liegenden Jugend-Kneipe Dorfschenke oder dem Gartenlokal der Restauration Schumachers gegenüber der Dorfkirche als Gast zu finden – bei einem kühlen Glas Altbier. Ende der 80er-Jahre plante er in diesem gemütlichen, gastronomischen Umfeld seine erste große Bergwandertour zusammen mit seiner Clique.
Mit einem alten Bully quer durch Europa fing alles an
Das geschah durch eine glückliche Fügung, wie es der heute 55-Jährige darlegt: „Wir bekamen einen alten VW-Bully T2 für 250 Mark von einem Bekannten in der Dorfschenke durch Zufall angeboten“, erzählt der umtriebige Journalist. „Das Ding war fahruntüchtig, doch für kleines Geld haben wir den Wagen fit gemacht. Mit fünf Leuten sind wir dann nach dem Abitur zum Watzmann gefahren und hochgestiegen. Der Berg hatte gerufen!“, so schildert er dieses einschneidende Erlebnis mit für ihn typischen Grinsen. „Es blieb aber nicht bei dieser Wanderfahrt, etwa 55.000 Kilometer insgesamt tourten wir mit dem alten Bully quer durch Europa und waren fast überall, fuhren über die Alpen nach Rom und Süditalien, über die Cote d' Azur bis hin nach Südspanien“, erzählt er.
Inspiriert von diesen Touren ist er heute ein richtiger Wandersmann geworden. Ob es sein Vater auch schon im Blut hatte, wie es in einem alten Volkslied aus den 1950er-Jahren heißt, man kann es nicht genau sagen. Jedenfalls schwenkt Matthias Berns bei unserem Treffen in Rheinhausen nicht mit seinem Hut, wenn er in funktionsfähiger Outdoor-Kleidung für den Spaziergang zu markanten Plätzen seiner Geburtsstadt anreist. Wir laufen entlang des Friemersheimer Kuppengrabens hin zum unweit gelegenen Toepper-See.
Die Lockdowns der Corona-Zeit habe er sinnvoll genutzt, um seine Umgebung an der frischen Luft genauer zu erkunden, erzählt uns Matthias Berns. Der heute in Monheim lebende Reiseblogger hat Wanderungen in ganz Nordrhein-Westfalen unternommen und dann auf seiner Webseite darüber berichtet.
»NRW ist zu einem Tourismusland gereift, fast 20 Millionen Menschen kommen von außerhalb in einem Jahr, um hier Urlaub zu machen. […]«
Die besten Touren sind jetzt in seinem Buch NRW - Neu entdeckt, Raus aus dem Alltag veröffentlicht. Das Gesamtprojekt stemmte Matthias Berns von den Fotos bis zum Layout in Eigenregie. Er beruft sich auf Statistiken: „NRW ist zu einem Tourismusland gereift, fast 20 Millionen Menschen kommen von außerhalb in einem Jahr, um hier Urlaub zu machen. Ich habe diesen Reiseblog sowohl für die Besucher, als auch für die Einheimischen verfasst, damit sie mal sehen, wie schön es in Nordrhein-Westfalen sein kann“, sagt der passionierte Wanderer. Mehr als 100 Touren sind auf seiner Webseite anklickbar, das Buch habe er für die „Old-School“-Leser nachgeschoben. Wir befassen uns natürlich mit seinen Reisetipps entlang des schönen Niederrheins, die der 55-Jährige darin ausgearbeitet hat.
Eine Städtetour führte Matthias Berns nach Wesel. Er verbindet auf dieser „Mystery-Tour“, also einer Reise zu den vergessenen Orten der ehemaligen Hansestadt, Aktuelles mit Geschichtlichem. Der Leser erfährt von der Rheinbrücke, die lange Zeit der nördlichste Rheinübergang Deutschlands war, bevor sie am 10. März 1945 von der Wehrmacht selbst zerstört wurde. „Man wollte den Vormarsch der Alliierten-Truppen auf Berlin so noch verhindern“, weiß Matthias Berns. Von da aus geht es entlang der Rheinpromenade zum längst verlandeten Hafen Wesels, an den heute eigentlich nur das alte Wach- und Zollhaus erinnert. Irgendwann landet er natürlich beim alten Rathaus und St. Willibrord-Dom. Spannend bleibt die ausgearbeitete Wanderroute für den Leser dennoch. Auch weil er viel Wissenwertes „mal eben nebenbei” erfährt. So auch von der Exekution der elf aufmüpfigen preußischen Offiziere, die durch 66 französische Grenadiere unter napoleonischer Besatzung in den Lippeauen hingerichtet wurden. Ein Mahnmal, gestaltet von Architekt Karl Friedrich Schinkel, erinnert noch heute an diese Tat in Wesel.
Matthias Berns gelingt es, lebhaft den Leser in seine Touren miteinzubeziehen und ihm somit das Wandern „schmackhaft“ zu machen
Die Römerstadt Xanten hat der NRW-Wanderer, der lange als Betriebswirt für einen Finanzdienstleister arbeitete, an einem Tag erschlossen. Natürlich auch den Archäologischen Park, an dem Funde der Colonia Ulpia Trajana die Touristen anziehen. Dass von dem dortigen römischen Militärkastell, dem größten Niedergermaniens im 1. Jahrhundert n. Chr. auch Soldaten zur Varusschlacht abkommandiert wurden, mag für viele Leser neu sein. Spannend erzählt ist es allemal, genauso wie es Matthias Berns gelingt, lebhaft den Leser in seine Touren miteinzubeziehen und ihm somit das Wandern „schmackhaft“ zu machen. Darum dürfen auf dem Weg liegende Lokalitäten, in denen für „jeden Geldbeutel“ Speis und Trank zu erwerben sind, in diesem Wanderführer nicht fehlen. Hilfreich sind auch die Weblinks zu den Museen, Burgen und Sehenswürdigkeiten, die er dem Leser zur eigenen Recherche an die Hand gibt.
Schon als Jugendlicher hielt Matthias Berns nichts in den vier Wänden, mit 16 Jahren machte er eine Fahrradtour mit Freunden an die niederländische Nordseeküste. „Damals mussten mir meine Eltern noch eine Beglaubigung unterschreiben, dass ich ganz allein mit dem Rad in Holland unterwegs sein darf“, sagt der Wanderführer und wieder zeigt sich dieses zufriedene Lächeln, das er immer hat, wenn er von seinen Touren berichtet. Ein Erweckungserlebnis war auch die Lektüre des Buches „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling, in dem der bekannte Fernseh-Komiker den Jakobsweg, innerhalb eines Monats, bis Santiago de Compostela beschritt. „Ich hoffte Anfang der 2000er-Jahre, dass ich so ein ähnliches Buch auch einmal schreiben werde“, erinnert sich Matthias Berns.
Abwechslungsreiche Touren für Wohnmobilisten, Wanderer zu Fuß oder mit dem Rad und natürlich für Familien
Wenn auch nicht in voller Länge gewandert, zumindest immer mal wieder habe er den Jakobsweg für seinen NRW-Wanderführer gestreift. Das war der Fall, als der umtriebige Reisejournalist auf dem Eifelsteig, dem längsten Wanderpfad des im Westen Deutschlands liegenden Mittelgebirges, unterwegs war. Es zog ihn bei dieser Tour von Roetgen ins malerische Monschau, dabei stattete Matthias Berns Kaiser Karls Bettstatt einen Besuch ab, genauso wie er auch den Aachener Dom, wo die Gebeine des größten Herrschers des Frankenreichs liegen, genauer ins Visier nahm. Das westfälische Bochum wird in dem 210 Seiten dicken Wälzer genauso erwähnt, wie Matthias Berns Besuch an der Kemnader Wasserburg und auf der Ritterburg Blankenstein. Eine Radtour führt bei Sonnenschein durch die Wupperauen um Solingen.
Man muss sich nur auf den Weg machen, schön wird es von ganz allein
Abwechslungsreich für den Leser bleibt es, weil auch für Wohnmobilbesitzer und Familien verschiedene Touren in dem Buch ausgearbeitet sind. Zusammen mit seiner Frau Adriana und Tochter Alyssa hat er so manche davon unternommen. Frei nach seinem Motto: „Man muss sich nur auf den Weg machen, schön wird es von ganz allein“, wie er sagt. Oder: „Jeder Tag, den du erlebt hast, ist besser als der, den du nur gelebt hast!“, wie es Berns schildert. Das komme der Weisheit „Carpe diem!“, die schon die alten Römer kannten, gleich, denn viele Trips hat er in den frühen Morgenstunden gestartet, um den Tag „besonders werden zu lassen“. Eine alternative Städtetour durch Köln gibt es obendrauf, genauso wie die Stadt Essen dem Leser als „Grüne Hauptstadt Europas“ nahegebracht wird. Insgesamt liefert Matthias Berns, der erst kürzlich eine Weiterbildung zum Online-Marketingmanager abgeschlossen hat, mit dem Buch die passende Ergänzung zu seinem Reiseblog, in dem die Touren allerdings noch detaillierter beschrieben sind. „Der Blog wurde schon fast 200.000-mal angeklickt. Das zeigt mir auch das stetige Interesse der Menschen daran, aus ihrem Alltag ausbrechen zu wollen“, sagt der Reisejournalist. Genug (Wander-)wege, wie seine Leser dieses Ziel erreichen können, liefert er auf jeden Fall mit seinen Ideen.
Was sind denn Matthias Berns' Top 3-Highlights am Niederrhein?
»Die Antwort fällt mir schwer, da es so viele landschaftlich schöne Wanderwege, Radwege, mittelalterliche Städte und Dörfer gibt. Nach Schlössern, Burgen und Gärten muss man auch nicht lange suchen - von ausgezeichneten Veranstaltungen durchs ganze Jahr ganz zu schweigen. Doch ich lege mich jetzt auf die Top-Drei fest, zu denen ich im Laufe meines Lebens einen besonderen Bezug gewonnen habe: Da ist die Stadt Xanten am linken Niederrhein zu nennen, der ich im Reiseblog-NRW bisher sogar eine Trilogie gewidmet habe. Ein staatlich anerkannter Luftkurort mit viel Geschichte, die sich bis in unsere Tage erhalten hat. Der Dombau dauerte 300 Jahre, die einzige Römerstadt nördlich der Alpen die niemals überbaut wurde, das schöne Stadtbild und dazu die Nord- und Südsee für alle erdenklichen Freizeitaktivitäten am, auf und unter Wasser, inklusive Wohnen auf Zeit in einem Hausboot.
Die Stadt Krefeld wird von vielen ihrer Bewohner schlecht geredet und die größte Strahlkraft entfaltete sie wohl im 18. und 19. Jahrhundert. Dabei haben die Seidenbarone und Textilfabrikanten ebenso wie die Oranier ihre Zeugnisse hinterlassen. Bei genauerem Hinsehen stellen wir fest: Diese Stadt ist zu unrecht touristisch völlig ‚underrated‘. Die einzige Stadt mit 4 Golfplätzen, 4 Bergen: Hülserberg, Egelsberg, Kapuzinerberg und Inrather Berg, einer Galopprennbahn, dem schönsten Biergarten von NRW und vielen ausgezeichneten Gartenanlagen. Hier lebte und arbeitete ich über 20 Jahre für einen der größten Arbeitgeber der Stadt.
Wirklich nur Drei? Okay, dann muss ich die Stadt Wesel nennen. Warum Wesel? Auch hier habe ich eine besondere Beziehung zu dieser Stadt aus mehreren persönlichen Gründen. Eine Stadt die in vielschichtiger Weise Geschichte und Geschichten zu erzählen weiß. Stolze Hansestadt, Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge, französische Besatzungszeit, ehemalige Garnisonsstadt, größte Festungsanlage des Rheinlandes, die Gravinsel als ‚Camping-Event‘ das Summer Bully Festival am Auesee mit Badestrand, Rheinfahrten mit der River Lady oder romantische Abende mit Einkehr an der Marina. Wesel hat viele Gesichter und ist eine Entdeckungsreise wert.«
Mehr Touren, Tipps und Inspiration von Matthias Berns gibt es in seinem Reise-Blog und natürlich seinem Wanderführer als Buch oder E-Book.
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