Etwa um 1490, kehrte Bars dann nach Wesel zurück. Und obwohl der Rat der Stadt von seiner Missetat wusste, geschah rein gar nichts. Es verhielt sich tatsächlich so, dass der damalige Herzog Johann II. von Kleve Gefallen an dem erfolgreichen Mann gefunden hatte. „Genauer gesagt, an seinem Vermögen“, lächelt Martin Roelen. „Der reiche Kaufmann Bars konnte dem ständig klammen Herzog uneingeschränkt Kredit geben. So kam es, dass der Herrscher ihn später sogar zum Landesrentmeister, also Finanzminister, ernannte.“ Als ein klares Zeichen, quasi ein Schuldeingeständnis für den begangenen Totschlag, ist der Bau der Olisleger-/ Alysleger-Kapelle im Weseler Willibrord-Dom durch den damals bereits 60-jährigen Heinrich Bars. „Es war oft so, dass Täter der Kirche eine Geldleistung als Sühne entgegenbrachten, wenn sie eine Sünde begangen hatten“, so Roelen, „Heinrich Bars, der hat sich so auch gleich seine eigene Grabstätte in die Kirche bauen lassen.“ Für den Totschlag, den er in jungen Jahren begangen hatte, wurde er nie belangt.
Der Fall Heinrich Bars ist nicht der einzige Fall von dem Roelen berichten kann. Auch über peinliche Befragungen in Wesel, weiß er so einiges zu erzählen. Beispielsweise die Befragung der Mechthild Husmann, die im späten 16. Jahrhundert im Verdacht stand, eine Hexe zu sein und gefoltert wurde. „Die Vorkommnisse lassen sich anhand von Amtsrechnungen gut belegen. Sie beschreiben genau, wann der Scharfrichter, ein herzoglicher Beamter aus Kleve, zu peinlichen Befragungen und Hinrichtungen hierher bestellt wurde. Ebenfalls belegt ist, wie die ‚Befragungen‘ durchgeführt wurden, also welche Folterinstrumente – ein bohrender Stachel oder eine heiße Zange – zum Einsatz kamen“, berichtet der Archvivar. Martin Roelen fand heraus, dass Mechthild Husmann beim Rat der Stadt Schutz vor der Verleumdung suchte. Der Rat konnte ihr aber nicht helfen, da die Angelegenheit über den Herzog an den herzoglichen Richter in Wesel geleitet wurde, der einen Hexenprozess in Gang setzte. Das Ergebnis: Die unschuldige Frau wurde zuerst erdrosselt und dann öffentlich verbrannt. „So wurden auch sinnlose Verbrechen von der Obrigkeit begangen“, meint Roelen. Und noch ein Fall beschäftigte ihn: Arndt von Helsichem hatte um1402 einen Mord begangen, der über einen Paragraphen des Stadterhebungsprivilegs von 1241 nachzuweisen ist. Demnach verloren Mörder die Hälfte ihres Hauses an den Landesherrn. Arndt von Helsichem wurde hingerichtet und seine Frau übergab die eine Hälfte des Hauses an den Junker Dietrich von der Mark. „Dieser verkaufte 1402 die ihm zugefallene Hälfte, was den rechtlichen Vorgang ‚Anfall des halben Hauses bei Mord’ eindeutig beweist“, so der Weseler Stadtarchivar.
Bücher über die Weseler Stadtgeschichte hat Archivar Dr. Martin Roelen schon einige geschrieben. Über die mittelalterlichen Kriminalfälle ein Buch zu schreiben, liegt ihm allerdings fern. „Letztendlich gibt es darüber zu wenig Material, man könnte höchstens mal einen Aufsatz darüber verfassen.“