Die Meister der Düfte
Text: Sabine Hannemann | NiederRhein Edition 02/2013 | Bilder: HENKEL, Fotolia
Wer die Gerüche beherrscht, der
beherrscht das Herz des Menschen.
(Zitat aus: „Das Parfum“ von Patrick Süskind)
Die Nase ist das wichtigste Arbeitszeug eines Parfümeurs. Er ist zuständig für die edlen Düfte, die Männer wie Frauen lieben. Als das gewisse Extra, das die eigene Persönlichkeit unterstreicht. Parfümeure sind auch zuständig für den Duft in Waschmitteln oder den von Kosmetika. Wenn ein Neuwagen wirklich neu riecht, hat ebenfalls ein Parfümeur ganze Arbeit geleistet.
Den Duft der großen weiten Welt, den Duft von Freiheit, bringen Parfümeure in kleinen Flakons zusammen. Düfte lösen Gefühle aus. Der menschliche Duftsinn ist dabei der einzige Sinn, der nicht vom Gehirn kontrolliert wird. Umso wichtiger ist die Aufgabe der Parfümeure, wenn sie Duftkomponenten zu einem sinnlich komplexen Erlebnis für Körper und Seele vereinen. Rund 500 ausgebildete Parfümeure arbeiten weltweit daran. Die sogenannten „Nasen“ bringen regelmäßig neue Parfums auf den millionenschweren Markt. Wenige schaffen den Durchbruch, wie der Klassiker, das 90 Jahre alte „No. 5“ von Chanel. Der Mythos um „No. 5“ beginnt schon mit den Ingredienzien: Mairose und Jasmin aus dem französischen GrasseGrasse, der Weltstadt des Parfums. Die weiteren 80 Duftnoten bleiben geheim.
Von Maiglöckchen, Ingwer und Zitronengras
Kleopatra wählte den Lavendelduft, um sich für Caesar und Marc Aurel unwiderstehlich zu machen. Sie verstand es, mit den Wohlgerüchen Arabiens so gut umzugehen, dass sogar der Wind liebestrunken war. Bekannt waren zu jener Zeit etwa 200 verschiedene Duftstoffe. Madame Pompadour gab horrende Summen für Duftwässer und wohlriechende Salben aus, um Ludwig XV. zu betören und um seine Gunst zu erhalten. Parfüms sind mit dem Zeitgeist verheiratet. Um 1900 duftete die Damenwelt nach Maiglöckchen, Veilchen, Rosen und Flieder. Andere schwärmen heute von Duftnoten wie Vanille, Moschus, Jasmin-Bergamotte und Magnolie. Oder Rose-Sanddorn, Ingwer und Zitronengras. Ja, es gibt Düfte, die von Frauen bevorzugt werden. Sandelholz riecht sehr cremig und schmiegt sich perfekt an, ähnlich wie Veilchen. Typisch weibliche Düfte sind generell weich, pudrig und milchig. Für den Mann darf es harzig, holzig und krautig sein. Frauen finden auch eine bestimmte Jasminnote sehr sexy an Männern. Der nationale Unterschied macht neugierig. Deutsche mögen eher grüne Düfte, natürliche Gerüche. Franzosen lieben dagegen Orangenblüte.
Von Beruf Parfümeur
Die Partitur des Duftes wird ebenfalls im Henkel Fragrance Center in Krefeld komponiert. Dort werden Parfümeure ausgebildet. Im Vorfeld haben sie bereits eine Ausbildung oder ein parfümistisches Studium absolviert. Rund fünf Jahre dauert die Ausbildung, hinzu kommen erfolgreich bestandene Fachprüfungen. „Die Berufsbezeichnung ist allerdings nicht geschützt“, sagt Parfümeurin Isabelle Levert, die in der Samt- und Seidenstadt Krefeld arbeitet. Wie ihr Kollege, Senior Parfümeur Hubert Smyrek, hat sie ein feines, trainiertes Näschen. Das allein macht jedoch nicht den Beruf aus, sondern Passion und das Talent, ausdauernd zu sein. „Wichtig ist dabei der Glaube an sich selbst. Man sollte sich treu bleiben und an das Parfüm glauben. Und, wie in jeder Kunstform auch, sind Neugier und ästhetisches Gefühl wichtig“, erzählt Isabelle Levert.
Der Beruf des Parfümeurs bleibt auch im 21. Jahrhundert abwechslungsreich, „weil er ständig im Wandel ist und man immer auf der Suche nach dem nächsten Trend ist“, sagt Hubert Smyrek. Kreativität steht im Vordergrund. Das Talent zu riechen verbindet sich mit Handwerkskunst. „Dabei ist der so genannte funktionelle Parfümbereich mindestens ebenso spannend wie die klassische Parfümentwicklung der bekannten Düfte. Nur hier erreicht man mit Kompositionen über Duschgele, Waschmittel oder Weichspüler eine riesige Kundenwelt, in der alle einen speziellen Duft riechen wollen“, sagt der Parfümeur, den von Kindesbeinen an Düfte faszinierten. „Ich wusste damals nicht, dass es kreative Parfümeure sind, die den Menschen mit Hilfe von Duftnoten Persönlichkeit verleihen. Man sagt nicht ohne Grund, man kann sich riechen oder nicht.“
Düfte entstehen erst im Kopf
Parfümeure haben daher viel zu tun, um die verschiedensten Düfte zu kreieren. Düfte haben sie im Kopf abgespeichert und wie Vokabeln gelernt. Sie unterschieden sich nach winter- und sommerlichen Duftnote in diversen Nuancen. Der Duft entsteht dabei zunächst im Kopf, dann geht es an die Duftorgel, ein Regal voller Duftbausteine. Die Suche nach dem besonderen Duft, der die Persönlichkeit eines Menschen unterstreicht, braucht seine Zeit und geht den ganz klassischen Weg. „Am Anfang eines Duftes entsteht die Idee im Kopf“, sagt Isabelle Levert. „Sie gilt es dann in ein attraktives Parfüm passend zum Duftkonzept umzusetzen.“
Nachdem die Richtung des Duftes feststeht, komponiert der Parfümeur aus über 1000 natürlichen und synthetischen Stoffen eine erste Version der neuen Duftkreation. „Ein Parfüm besteht dabei meist aus 50 bis 100 verschiedenen Duftstoffen“, sagt Hubert Smyrek. Die Technik sorgt dafür, dass die unterschiedlichen Duftstoffe mit Hilfe einer automatischen Labor-Mischanlage komplett computergesteuert gemischt werden. Das sind täglich über 100 Duftkompositionen aus 500 Ingredienzien. Die Maschine verfügt über Dosierdüsen, die eine Feindosierung von bis zu drei tausendstel Gramm erlauben. Anschließend werden dickflüssigere oder kristalline Bestandteile im Labor beigemischt, bevor der neue Duft umfangreichen Tests zum Beispiel im Hinblick auf die Geruchs- und Farbbeständigkeit unterzogen wird. Je nach Duftvariante kann die Entwicklung eine Duftes Zeit in Anspruch nehmen. Isabelle Levert: „Neue Duftvarianten für bereits erhältliche Produkte entwickeln wir zum Teil innerhalb einiger Wochen, um aktuelle Verbraucherwünsche zu erfüllen. Bei der Komposition eines Dufts für ein neues Produkt ist darüber hinaus wichtig, das Zusammenspiel mit den anderen Inhaltsstoffen zu testen.“
Insgesamt gibt es etwa 3000 verschiedene Riechstoffe, die in Parfüms eingesetzt werden. Bei Henkel wählen die Parfümeure aus einer Palette von über 1000 Rohstoffen. Die natürlichen Duftstoffe stammen aus der ganzen Welt. Auf fast allen Kontinenten finden sich Plantagen natürlicher Rohstoffe. Hubert Smyrek: „So beziehen wir zum Beispiel Eucalyptusöl aus Australien, Zedernholzöl und Pfefferminzöl aus dem mittleren Westen der USA, Orangenöl aus Brasilien oder Patchouliöl aus Sumatra.“
Auch die Vorgaben der EU sind bindend, beispielsweise bei „unseren Wasch- und Reinigungsmitteln, die allen gesetzlichen Vorlagen entsprechen müssen und hinsichtlich der gesundheitlichen Verträglichkeit umfassend geprüft sind. Das gilt auch für unsere Duftstoffe“, betont Hubert Smyrek.
Blumendüfte sorgen für Trends
Genau wie in der Mode gibt es auch in der Welt der Düfte Trends und den ständigen Wandel. „Das wiederum macht den Beruf des Parfümeurs einfach sehr kreativ“, sagt Isabelle Levert. „Die Inspiration kommt oft aus dem Lifestyle, zum Beispiel können exotische Fernreiseziele oder auch neue Ideen beim Kochen Einfluss auf unsere Duftvorlieben haben. Dabei fällt auf, dass sich Trends und Duftassoziationen im internationalen Vergleich sehr stark unterscheiden können“, sagt die Parfümeurin. Für die Herbst- und Wintermonate sind die neuen Trends seit langem geboren. Klar erkennbare Blumendüfte erleben ein Revival. Mainstream-Düfte, die viele Duftaspekte beinhalten, sind zurzeit nicht so stark gefragt. Rose, Jasmin oder Orangenblüte stehen für die feminine und sinnliche Richtung, abgemildert mit Früchten und Vanille für zarte Düfte. „Bei Männern setzt sich der Trend mit klaren gewürz-holzigen und aromatischen Noten fort: Zimt, Pfeffer, Kardamom oder Muskatnuss. Sie werden für frische sportliche Düfte mit Kräutern kombiniert oder mit orientalisch-holzigen Akkorden für warme und elegante Düfte“, sagt Hubert Symrek. Beruhigend ist, dass einige funktionelle Düfte je nach Jahreszeit wiederkehrend sind und dabei Erinnerungen wachrufen. „So finden sich zur Weihnachtszeit vermehrt Produkte in den Regalen, die nach Zimt, Apfel oder Orange duften.“ Dass man sich gerade im Winter den kleinen Luxus im Alltag gönnt, liegt in der Natur der Sache. Hubert Smyrek: „Schönheit ist relativ, liegt im Auge des Betrachters – hier natürlich in der Nase! Trotzdem kann man sagen, dass in den Wintermonaten eher warme, süßliche Moschusnoten Gefallen finden, damit sie einen Hauch von Wärme auf unsere Haut zaubern. Und weil sie, endlich zuhause angekommen, Gemütlichkeit und Wärme assoziieren.“