Ein guter Whisky ist überall daheim
NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2016 | Text + Bilder: Jutta Langhoff
Whisky kommt aus Amerika, Schottland oder Irland, das weiß jeder. Dass inzwischen aber auch in Emmerich ein richtig guter Niederrhein-Whisky gebrannt wird, ist bisher nur wenigen Feinschmeckern bekannt.
Mit einem Buch über „Schnapsbrennen als Hobby“ hatte alles angefangen. „Das wollte ich doch schon mal mit sechzehn machen“, erinnerte sich André de Schrevel plötzlich wieder, als er das Buch vor gut zehn Jahren zufällig im Internet entdeckte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch ein gut gehendes Dentallabor im Emmericher Ortsteil Dornick, das ihn meist mehr als acht Stunden am Tag und allzu oft auch an den Wochenenden in Anspruch nahm. „Eigentlich kann ich mir ja ein so aufwändiges Hobby zeitlich gar nicht leisten“, war er damals noch überzeugt gewesen, doch diesmal geriet der alte Traum nicht wieder in Vergessenheit.
Nach zahlreichen weiteren Büchern und einem einwöchigen Spirituosenbrennlehrgang im schwäbischen Hohenheim fällte André de Schrevel 2007 eine zukunftsträchtige Entscheidung: Ab jetzt würde er keine Gebisse und Zahnbrücken mehr herstellen, sondern Obst brennen, und zwar nicht nur hobbymäßig, sondern beruflich. Am schwierigsten sei es damals gewesen, seine Frau Ingeborg von seinem Beschluss zu überzeugen. „Dagegen waren die Anschaffung und Installation des 150 Liter fassenden Destillationskessels und sogar die Beschaffung der unzähligen behördlichen Genehmigungen gar nichts“, erzählt er noch immer gerne mit einem verschmitzten Lächeln. Zu Recht, denn schon kurze Zeit später errangen seine hauptsächlich aus heimischen Obstsorten hergestellten Brände erste Anerkennungspreise bei entsprechenden deutschen und internationalen Leistungsschauen.
Das überzeugte seine Frau schließlich, und so brauchte es diesmal keine großen Überredungskünste, als André de Schrevel 2012 auf die Idee kam, sich auch als Whisky-Brenner zu versuchen. Kein leichtes Unterfangen, wie er bald feststellen musste. Im Gegensatz zu den bisher von ihm verarbeiteten Obstsorten, deren Zuckergehalt vor der Destillation durch spezielle Hefepilze in Alkohol umgewandelt wird, enthalten die für die Whisky-Herstellung notwenigen Getreidesorten Gerste und Roggen nämlich keinen eigenen Zucker. Um den zu erzeugen, bedarf es erst einmal eines vor allem von der Bierherstellung bekannten Mälzungsvorgangs. Hierbei entstehen Enzyme, die dafür sorgen, dass während des Einmaischens aus der Getreidestärke Zucker wird, aus dem sich dann wiederum mit Hilfe von Hefe innerhalb von vier bis fünf Tagen Alkohol gewinnen lässt.
Maischen konnte André de Schrevel zu diesem Zeitpunkt noch nicht selber, und so bat er dafür eine kleine Büdericher Brauerei um Hilfe. Danach reifte das Maische-Destillat in dafür eigens von André de Schrevel eingekauften alten Sherry-, Portwein- und amerikanischen Weißeichenfässern. Auch diesmal überzeugte das Ergebnis auf Anhieb. Kaum abgefüllt, war der nach dem alten Namen des Emmericher Ortsteils Dornick benannte „Thornecke Whisky“ auch schon ausverkauft. „Um ehrlich zu sein, mit solch einem Erfolg hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, erzählt André de Schrevel heute noch mit einer gewissen ungläubigen Überraschung in der Stimme. „Es gab sogar Leute, die sich schon vor der Abfüllung ein paar Flaschen reserviert haben.“ Grund genug für ihn, gleich noch einen weiteren Whisky anzusetzen, diesmal allerdings aus seinem inzwischen eigenen Maisch-Behälter. Die nächste Abfüllung dauert aber noch ein bisschen. Nach internationalen Whisky-Richtlinien muss auch der niederrheinische „Thornecke“ mindestens drei Jahre und einen Tag im Fass reifen, um als echter Whisky anerkannt zu werden. Während dessen können interessierte Feinschmecker in der inzwischen von Ingeborg und André de Schrevel in den Räumen des einstigen Dentallabors eingerichteten, gemütlichen Probierstube die kürzlich schon wieder bundesweit prämierten Obstbrände der „kleinsten gewerblichen Verschlussbrennerei Deutschlands“ verkosten.