Lokal Harmonie in Ruhrort
NiederRhein Edition, Ausgabe 01/2017 | Text + Bilder: Jutta Langhoff
Duisburg-Ruhrort, da hat man Hafenanlagen, Lastschiffe, Lagerhallen, Kräne und Containerberge vor Augen, an Kultur denkt bei diesem Namen kaum jemand. Auch das an den größten Binnenhafen Europas angrenzende Wohnquartier ist alles andere als einladend. Umso erstaunlicher ist es, dass sich ausgerechnet dort eines der derzeit erfolgreichsten Duisburger Kulturlokale etabliert hat, das in der Harmoniestraße 41 beheimatete „Lokal Harmonie“ …
Lokal Harmonie e.V.
Harmoniestr. 41
47119 Duisburg
www.lokal-harmonie.de
Dabei hatte das Ganze im Jahr 2008 zunächst als ein auf sechs Monate begrenztes Forschungsprojekt zur sozialen Realität in dem Duisburger Hafenstadtteil begonnen. Die dort schon länger bestehenden Laden- und Wohnungsleerstände machten der Stadt damals zunehmend Sorgen, und so beauftragte man ein soziales Forschungskollektiv, gemeinsam mit Duisburger Künstlern und Künstlerinnen nach sowohl theoretischen als auch praktischen Lösungsvorschlägen zu suchen. Einen dazu geeigneten Treffpunkt fand man bald in einem damals leer stehenden, zuvor 90 Jahre lang von der Familie Hennes betriebenen Eisenwarengeschäft in der Harmoniestraße 41. Hier traf sich ab jetzt regelmäßig eine zunehmende Schar künstlerisch und sozial engagierter Duisburger, um gemeinsam neue Ideen zur Wiederbelebung des Viertels zu entwickeln. Mit Erfolg.
Sechs Monate lang fanden in dem ehemaligen Eisenwarengeschäft fast täglich Gespräche und Seminare statt. Daneben gab es Lesungen, zwei Theaterinszenierungen, eine Fotoausstellung und zahlreiche Konzerte mit improvisierter Musik. „Das können wir doch jetzt nicht einfach so enden lassen“, fand ein sich damals herausgebildetes Veranstaltungsteam am Ende der sechs Monate und beschloss deswegen, die bisherige erfolgreiche Arbeit in der Harmoniestraße 41 weiter fortzusetzen. Und so geschah es. Im Laufe des nächsten Jahres wurde das „Lokal Harmonie“ immer mehr zu einem Ort für allerlei weitere künstlerische Aktionen, und als dann das Ruhrgebiet 2010 zur europäischen Kulturhauptstadt ernannt wurde, beteiligte man sich natürlich auch daran mit einem extra dafür gestalteten, künstlerischen Ruhrortprojekt. Das damalige kulturelle Klima beflügelte alle, doch damit hatte es wenig später ein jähes Ende. Als Folge der schrecklichen Vorkommnisse bei der Duisburger Loveparade wurden die baulichen Sicherheitsbestimmungen für sämtliche künstlerische Begegnungsstätten in Duisburg extrem verschärft, wovon auch das „Lokal Harmonie“ betroffen wurde. Ohne umfangreiche Brandschutz- und Fluchtwegeumbauten, so teilte das städtische Bauamt mit, dürften dort ab jetzt keinerlei öffentliche Veranstaltungen mehr stattfinden.
Neubeginn mit einer Baustelle
Das wäre sicherlich das Aus für die vielversprechende, neue Kulturinitiative in Ruhrort gewesen, wenn sich nicht auch diesmal wieder einige engagierte Leute gefunden hätten, die das nicht so einfach hinnehmen wollten. Sie gründeten kurzerhand einen Verein und machten sich anschließend daran, ihr „Lokal Harmonie“ bezüglich der baulich geforderten Sicherheitsbestimmungen auf Vordermann zu bringen. „Eine nicht ganz leichte Aufgabe. Die hinter den Regalen der ehemaligen Eisenwarenhandlung befindlichen Wände hatten 90 Jahre lang keinerlei Erneuerung erlebt, und schon gar keine Brandschutzmaßnahmen“, erinnert sich der heutige Vereinsvorsitzende Rüdiger Eichholtz noch gut an diese Zeit. „Der Verein hatte damals neun Gründungsmitglieder, die eigentlich kulturell etwas auf die Beine stellen wollten und sich nun erst mal als Bauherren betätigen mussten.“ Inzwischen ist alles sicherheitstechnisch erledigt, sodass sich der Verein wieder seinem eigentlichen Anliegen, der kulturellen Belebung des Duisburger Hafenviertels, widmen kann.
Eine kreative Basisstation
Und das tut er seitdem mit zunehmendem Erfolg, wobei das „Lokal Harmonie“ weiterhin als Basisstation für zahlreiche soziale und kulturelle Aktivitäten dient. Das sind neben diversen Lesungen, Theateraufführungen, Foto- und Bilderausstellungen auch Projekte mit Jugendlichen wie den Ruhrorter „Hafenkids“, den Pfadfindern und den Schülerinnen und Schülern der Förderschule Buchholzer Waldschule. Darüber hinaus stehen das Lokal selber und die darüber liegende Etage für Theater- und Bandproben, handwerklich-kreative Initiativen und als Treffpunkt für Projektbesprechungen zur Verfügung. Seinen größten Ruf hat sich das Ruhrorter „Lokal Harmonie“ jedoch in den letzten Jahren als Veranstaltungsort für zeitgenössischen Jazz und experimentelle Musik gemacht. „Wir haben hier regelmäßig Konzerte mit hochkarätigen Musikern aus der Improviser-Szene der Region, aber auch zum Beispiel aus Amsterdam, Berlin und sogar aus New York“, berichtet Rüdiger Eichholtz nicht ohne Stolz. „Daneben beteiligen wir uns mit eigenen Projekten an regionalen und grenzübergreifenden Kulturprogrammen, wie zum Beispiel der deutsch-niederländischen „Muziek Biennale“ und unterhalten außerdem ein internationales Netzwerk zu Künstlern und Künstlerinnen der Duisburger Partnerstädte Vilnius, Portsmouth, Gaziantep, Calais und Perm.
Lob aus höchsten Kreisen
Das hat sich inzwischen auch in den politischen Kulturebenen des Landes herumgesprochen. Im Januar 2015 erhielt das Ruhrorter „Lokal Harmonie“ den mit 5000 Euro dotierten Spielstättenpreis des Landesmusikrates NRW als „Anerkennung für die künstlerische Qualität und Anzahl seiner Programme“, und im Oktober letzten Jahres ging einer der Bundes-Spielstättenpreise für Jazzmusik, den „Applaus 2016“ ebenfalls nach Ruhrort. Darüber hinaus gibt es ab diesem Januar jetzt einmal monatlich ein vom Berliner Deutschlandradio Kultur übertragenes Hörspiel aus dem „Lokal Harmonie“, und natürlich dürfen sich die Besucher dort auch weiterhin auf eine abwechslungsreiche Programmpalette aus den Bereichen Theater, Performance, Klangkunst, Film, Social Art und Musik freuen. Eine echte Erfolgsgeschichte, die das Lokal vor allem dem großen ehrenamtlichen Engagement seiner Betreiber und deren Programmgestaltung, darüber hinaus aber auch seinem angenehm legeren Ambiente und natürlich seinen kunstinteressierten Besuchern verdankt.