Johanna Schablowski ist eine erfolgreiche Wassersportlerin. Die Nettetalerin nutzt ihre Popularität, den Inklusionssport bekannter zu machen.
Weltmeisterlich segeln
Johanna Schablowski segelt auf einer Erfolgswelle. Gerade mal 23 Jahre alt und schon Vize-Weltmeisterin: Die Nettetalerin wurde im vergangenen Herbst in Rostock bei der „Inclusion World Championship for Sailing“ mit ihrer Teampartnerin Lilli Zellmer (19) Zweite. Auf ihrer Jolle „Mausi 2“ in der Klasse „S/V 14 von Fareast“ holte das jüngste von 25 Teams aus sieben Nationen in einem fünftägigen Segelmarathon die Silbermedaille. Am Ende von zehn Läufen im Rostocker Stadthafen setzten sich Johanna und Lilli gegen starke Konkurrenz u.a. aus den Niederlanden, Thailand und Kolumbien mit nur einem Punkt Abstand zu den Siegerinnen durch.
Bei der Segel-WM im Modus „ein Sportler mit und einer ohne Handicap auf einem Boot“ traten Johanna für den Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen (BRSNW) und Lilli für den Berliner Seglerverein Rahnsdorf 1926 (SVR) am Müggelsee an.
Seitdem ist Johanna Schablowski zu einer Botschafterin des Inklusionssports geworden. Die gebürtige Mönchengladbacherin, die heute in Nettetal-Hinsbeck lebt, leidet von Geburt an der seltenen Stoffwechselerkrankung Mitochondriopathie. „Das wirkt sich so aus, dass den Zellen Energie fehlt und die Muskeln schwächeln. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen“, erläutert Johanna ihr Handicap. Über gesunde Lebensführung, viel Sport, medizinische Kompetenz an ihrer Seite, ein harmonisches familiäres Umfeld und einen eisernen Willen hat die sympathische junge Frau ihre Behinderung im Griff. Mehr noch: Sie strahlt eine ansteckende Lebensfreude aus, lacht viel und taugt durchaus als Vorbild für eine ganze Generation.
Wer die Seglerin Johanna Schablowski hautnah kennenlernen möchte, hat dazu Gelegenheit beim Talk „Plausch aufe Couch“ am Donnerstag, 23. November 2023, um 18 Uhr im Kempener Szene-Bistro Falko am Buttermarkt.
Ein Segelstar mit Strahlkraft und Vorbildcharakter
Diese Strahlkraft, die von ihrer positiven Persönlichkeit ausgeht, trat durch die Inklusions-Segel-WM vollends aus dem Schatten ans Licht. Der Rostocker Sommer 2022 hat aus einer Studentin vom Niederrhein einen deutschlandweit gefeierten Segelstar gemacht, der vielfach geehrt wird und auf den Titelseiten der Magazine beliebt ist. Das ist freilich eine Rolle, die Johanna so gar nicht liegt. Die sie aber in dem Teil annimmt, wo es darum geht, das Inklusions-Segeln nach vorne zu bringen und ein Verständnis für die mitunter schwierigen Bedingungen zu schaffen, die Gehandicapten insbesondere im Sport widerfährt: „Ich wünsche mir, dass durch diesen Erfolg die Angebote im Para-Sport mehr Menschen erreichen und so auch mehr Menschen zu ihrer Sportart finden.“ Diese Botschaft will sie auch in die Segelsportvereine von der Flensburger Förde bis zum Bodensee tragen.
„Sicher, die WM hat in der Gesellschaft ein Bewusstsein für das Inklusionssegeln geschaffen. Bis unsere Disziplin aber wieder olympisch wird, dürfte es noch ein weiter Weg sein“, sagt die 23-Jährige. Denn das Internationale Paralympische Komitee hat kürzlich entschieden, dass das paralympische Segeln auch 2028 bei Olympia in Los Angeles nicht dabei sein wird, nachdem es bereits 2016 aus dem Programm genommen wurde.
Lanze brechen für den Inklusionssport Segeln
Johanna sieht das aber nicht verbissen, sondern segelt weiter sympathisch und fokussiert auf ihrem Spezialboot „Mausi 2“ durch die Meere und Seen von Regatta zu Regatta. „Sport has the power to change the world“ lautet – frei nach Nelson Mandela – ihre Parole. Hier gilt ihr Engagement der Kinder- und Jugendabteilung im Behinderten- und Rehabilitationssportverband Nordrhein-Westfalen, wo sie stellvertretende Vorsitzende ist.
Die Jolle der Vize-Weltmeisterin ist speziell auf Personen mit Handicap zugeschnitten. So sind darauf zum Beispiel zwei Schalensitze mit elektrischer Neigetechnik integriert. Der in Rostock genutzte Segelboot-Typus SV14 ist extra für inklusives Segeln gebaut. Designer haben den Typus auf Betreiben von weitsichtigen Boots-Inspektoren für Menschen mit Behinderung entworfen. Die Sitze sind über einen Knopf am Lenker mechanisch schwenkbar, dadurch muss sich niemand umsetzen. Johanna: „So ist Segeln für alle Menschen möglich, egal mit welcher Beeinträchtigung.“ Das Leichtgewicht „Mausi 2“ mit gerade mal 350 kg schafft darüber windschnittige 10 Knoten, das sind rund 18 Stundenkilometer.
„Durch diese phantastische technische Weiterentwicklung vor ca. zehn Jahren ist es für viele Menschen mit Behinderung körperlich machbar und auch erschwinglich geworden, das Segeln zu ermöglichen“, sagt Johanna. 2022 hat sie sich das Boot vom Typus SV14 bewusst zugelegt – eine goldrichtige Entscheidung, wie sich im Nachhinein herausstellte. Über die „Inclusion World Championship for Sailing“ hinaus ist sie vielfältig bei Wettbewerben unterwegs, häufig und gerne mit ihrer Partnerin Lilli Zellmer.
Johanna ist nun zuversichtlich, dass die Zahl der Teilnehmer*innen an Events wie Rostock angehoben wird und sich das inklusive Segeln irgendwann wieder den olympischen Lorbeerkranz verdient. Überhaupt möchte sie das Segeln aus dem Dunst des Elitären und Teuren herauslösen und für breite Schichten populär machen. Johanna selbst war schließlich schon als Baby auf dem Segelboot zuhause. Ihr Papa Peter hat den Wassersport in die Familie getragen. Zur Familie gehören noch zwei jüngere Brüder. Die Eltern haben sich bei einer Bootstaufe kennengelernt. Der 57-jährige IT-Fachmann Peter Schablowski ist über seine Marinezeit zum Wassersport gekommen und heute folgerichtig Johannas Trainer.
Bis heute Respekt vor dem Element Wasser
Ob auf dem Königshüttesee zwischen Kempen und Krefeld, dem Möhnesee im Sauerland oder anderen Gewässern – das majestätische Gleiten durchs Wasser ist Johannas Welt. Ihre Einsteiger-Bootsklasse war der Optimist, kurz „Opti“, der für Jungen und Mädchen ein hohes Maß an Sicherheit bietet, weil er unsinkbar ist. Später stieg Johanna auf den Laser um. Diese Klasse gilt als ideal für Jugendliche. Der Laser bietet ein seglerisches Top-Niveau, das für sämtliche Wettbewerbe wie Olympia, Europa- und Weltmeisterschaften zugelassen ist.
Thema Sicherheit: „Ich habe gehörig Respekt vor dem Wasser“, sagt Johanna. Mit ihren seglerischen Fähigkeiten, gutem Equipment, ausgefeilter Technik, besten Materialien und intensivem Training hat sie das nasse Element im Griff und bewegt sich wie ein Fisch im Wasser. Gekentert ist sie bislang einmal, was aber kein Problem darstellte. „Es gab einmal auf dem
Königshüttesee in Kempen eine kritische Situation, als unverhofft ein Gewitter aufzog und ich mit einem Rollifahrer mitten auf dem Wasser war“, berichtet sie. Das DLRG-Boot kam ihr schon entgegen, um Schlimmeres zu verhindern. Aber Johanna setzte flott alle Segel hart an den Wind und schaffte es rechtzeitig vor Blitz und Donner ans Ufer.
Studentin der Kindheitspädagogik
„Ich habe viele Sportarten ausprobiert, konnte mich dem Segelsport aber nie richtig entziehen“, sagt Johanna mit einem Schmunzeln in Richtung Papa, während die beiden ihre Boote auf dem Kempener Königshüttesee präparieren. Denn seitdem Johanna neben ihrem Studium der Kindheitspädagogik quasi Leistungsseglerin geworden ist, ist vier- bis fünfmal in der Woche Training angesagt. Neben dem Segeln ist Johanna dem Tanzen und dem Reiten zugetan. Das Bachelor-Studium hat Johanna nach einer Ausbildung als Erzieherin mit Fachhochschulreife bewusst angetreten. An der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach hat sich die 23-Jährige für die Bildungsarbeit mit Kindern in frühpädago-gischen Einrichtungen qualifiziert. Mit ihrer eigenen Geschichte ist ihr dieses Studium mit seinem Schwerpunkt der bewegungsorientierten Entwicklungs- und Bildungsförderung von Kindern förmlich auf den Leib geschneidert. Aktuell schließt sich an der Hochschule Düsseldorf im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften ein Bachelorstudiengang für Kindheitspädagogik und Familienbildung an.
Wie meinte kürzlich ein sozial engagierter Pädagoge, nachdem er Johanna kennengelernt hatte: „Eine starke Frau!“
Text: Axel Küppers