Vom Kneipenquiz zum Quizgott – Zu Besuch bei Quizgott Sebastian Jacoby am Niederrhein

Ganz leger, in blauem Hemd und Jeans sitzt uns der aktuell vielleicht beste Quizspieler Deutschlands gegenüber und nippt an seinem Kaffee. „Ich dachte mir, heute trage ich mal ein lockeres, aber schickes Outfit – extra fürs Foto“, grinst Sebastian Jacoby, der sonst in der TV-Sendung „Gefragt – Gejagt“ in silbergrauem Maßanzug und mit feiner Krawatte majestätisch den langen Gang zu seinem thronähnlichen Rateplatz schreitet. So in privater Atmosphäre wirkt der Wissensexperte umgänglich und man sieht ihm seinen „Killerinstinkt“, mit dem er wöchentlich die Kandidaten in der beliebten ARD-Quizsendung kaltstellt, wahrlich nicht an. So kommen wir schnell ins Plaudern.

Wir lassen es gemütlich angehen und beginnen unser Kennenlernen mit einem heißen Pott Kaffee und einem wunderbaren Panoramablick über die Berglandschaft von Oberstdorf. Die Schwarz-Weiß-Fotografie von 1958 prangt in beeindruckender Größe an einer Wand der Essecke im Wohnzimmer von Sebastian Jacoby in Duisburg-Baerl und ist seine ganz persönliche Hommage an seinen Geburtsort im Oberallgäu.

Mit Blick auf den Oberstdorfer Ortskern schwelgt Sebastian Jacoby in Erinnerungen an seine alte Heimat. „Unweit der katholischen Kirche auf der Pfarrstraße gibt es einen Irish Pub, da fand einmal in der Woche, immer dienstags, ein Kneipenquiz statt,“ erinnert sich der „Quizgott“, wie er in der Rateshow des Ersten Programms genannt wird. Zu Abiturzeiten, so um das Jahr 1996, ist er mit seinen Freunden dort in dem Pub zu Gast gewesen und spielte mit. „Wir wollten unser Schulwissen testen – sind aber Letzter beim ersten Versuch geworden“, sagt er lachend. Das Erlebnis hat seinen Ehrgeiz angespornt und so spielte er ab da öfter mit, wurde besser und irgendwann waren die Fragen in der irischen Kneipe einfach zu einfach für ihn. „Die Aufgaben wiederholten sich teilweise und man wusste schnell die jeweiligen Antworten“, erinnert sich Jacoby. Sein Wissensdurst wuchs damals exponentiell und er fing an, selbst Fragen für das Quiz im Irish Pub zu entwickeln.

Das ist unser Stichwort und wir haben eine Überraschung für ihn dabei: Ein erst kürzlich erschienenes Quiz aus der Region mit dem Titel „Niederrhein – 50 Rätsel mit Ausflugstipps“. Damit treffen wir bei dem leidenschaftlichen Ratefuchs voll ins Schwarze. Wir wählen drei Rätsel zum Niederrhein aus dem Kartenspiel aus – und los geht’s. Drei schwierige, offene Fragen zu Geldern, Moers und Kranenburg muss Jacoby lösen, die Zeit tickt – und irgendwie schafft es der Mann mit seinem reichhaltigen Geschichtswissen – oder einfach nur logischem Denken – die richtigen Antworten hervorzuzaubern. Drei von Drei, das ist „Quizgott“-Niveau.

MEIN GROSSVATER  MÜTTERLICHERSEITS MEINTE, ICH SOLLE ETWAS VERNÜNFTIGES LERNEN

Seit 1998 lebt Sebastian Jacoby, dessen Mutter gebürtige Meidericherin ist, nun bereits in Duisburg. Damals hatte er die Gelegenheit bei Thyssen-Krupp eine Ausbildung zum Industriekaufmann zu beginnen. „Mein Großvater mütterlicherseits meinte, ich solle etwas Vernünftiges lernen“, sagt Jacoby, der ursprünglich mit einem Geschichtsstudium liebäugelte. In der Zeit der Ausbildung schrieb er weiter fleißig Quiz-Fragen für die Irish Pub-Betreiber in Oberstdorf und schickte sie ihnen per E-Mail. „Wenn du selbst Fragen entwickelst, kannst du sie besser beantworten“, weiß Jacoby heute. Die Kunst des Quizzens ist es ja, in möglichst vielen Bereichen Wissen zu generieren und in neue Bereiche geistig einzutauchen. „Du musst dich auch in Gebiete reindenken, die dich nicht interessieren“, erklärt der Quiz-Meister. So wie Ende der 80er-Jahre beim Brettspiel „Trivial Pursuit“.

DIE ERFOLGS-GEHEIMNISSE DES QUIZMEISTERS SIND WISSENSDURST UND ASSOZIATIONSKETTEN

Bei der Konzeption der Fragen assoziiert Jacoby ungewöhnliche Fakten, auf die man als Normalsterblicher nicht kommt. So sind ihm beispielsweise, als er – wegen der niederrheinischen Nähe zu den Niederlanden – an deren Nationaltorwart Marc Flekken denkt, Alter, Größe, Vereinskarriere des Fußballers egal. Sebastian Jacoby versucht vielmehr auf diesem Weg herauszufinden, welchen Dialekt man im holländischen Kerkrade spricht, schließlich stammt der Goalkeeper aus dem Grenzort bei Aachen. „Das ist dann Kirchrather-Platt“, weiß der Jäger aus „Gefragt – Gejagt“ und man ahnt, wie er bei Moderator Alexander Bommes in der Sendung jetzt seine Finger in abgespreizter Siegerpose erheben würde. Aber schon entwickelt er wissensdurstig ein neues Assoziationsgebilde für die nächste Fragestellung.

Generell geht Sebastian Jacoby nach der A-N-K-E-R-Methode vor und erklärt deren Bedeutung: „Fragen müssen ‚Angepasst-Neu-Kurz und Knapp-Erhellend-Richtig‘ sein.“ Er zeigt uns in weiteren Assoziationsketten, wie sich Fragen entwickeln können, manche können wir beantworten und wir wähnen uns schon im Finale beim Quiz gegen ihn. Allerdings, nur fast. Denn so manche seiner ausgetüftelten Fragen sind dann doch zu schwierig für uns.

SEBASTION JACOBY BRINGT DAS QUIZ-FIEBER AN DEN NIEDERRHEIN

Aber zurück zur Vita des „Quizgotts“: Nach seiner Ausbildung und dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Duisburg-Essen, das er inklusive Auslandsjahr in Arkansas, USA, absolvierte, nahm er 2008 einen Job als Controller bei Thyssen-Krupp in Duisburg an, „quasi an der Schnittstelle zwischen Technik und Rechnungswesen“, wie er sagt.  „Gerade das ist spannend, weil mich auch die technischen Abläufe bei der Stahlherstellung interessieren.“

Die Begeisterung für sein Hobby wollte der Quizgott aber auch in Duisburg entfachen und startete deshalb selbst 2004 mit einem Kneipenquiz in dem Pub „Pogues“ und wechselte in 2006 mit der Spielidee zum Bistro „Ostende“ am Hauptbahnhof. Zunächst ohne Erfolg: „Beim ersten Mal waren gerade einmal sechs Leute da“, erinnert er sich. Da war Quizzen noch „Underground“.

Heute ist der Laden dafür proppenvoll, wenn Sebastian Jacoby dort seine Fragen vorliest. Außerdem ist er regelmäßig Moderator bei dem Wissensspiel „Duisburg-Intern“, an dem viele Mitarbeiter der Stadt Duisburg teilnehmen, und im Alpsrayer Kneipen-Treff „to hoop“, wo sich einmal im Monat, immer an einem Donnerstag, eine wissbegierige Quizgemeinde einfindet.

Was ist eigentlich mit seinem Hobby, dem Curling, bei all den Terminen? „Ich spiele gerne mit Freunden, wenn ich in Oberstdorf bin. Kürzlich war ich mit Anke Engelke in Köln auf dem Eis, das war lustig“, sagt Jacoby, der an drei Curling-Mixed-Europameisterschaften teilnahm und 2008 in Kitzbühel sogar den Titel holte. „Curling ist ja ein bisschen wie Schach, nur eben auf dem Eis“, sagt er und das erklärt vielleicht auch seine Fitness im Kopf, die er besonders trainiert, auch wenn er nur „eine ruhige Kugel schiebt”.

SIEG BEI „QUIZCHAMPION – DAS HÄRTESTE QUIZ DEUTSCHLANDS“ WIRD ZUM TÜRÖFFNER

Sebastian Jacoby hat Glück gehabt, dass die Quiz-Beliebtheit durch viele Wissenswettbewerbe im Fernsehen ab den 2010er-Jahren gestiegen ist. So wurde er 2012 Sieger in der ZDF-Spielshow „Quizchampion – das härteste Quiz Deutschlands“.  Er setzte sich gegen Experten aus fünf Wissensgebieten durch und räumte als Erster die 500.000 Euro Preisgeld ab. Damals war Jörg Pilawa noch der Moderator. 

Dass Jacoby trotz schwerer Erkältung zum Casting für die Fernseh-Show nach Köln gefahren ist, sieht er heute so: „Dadurch haben sich viele Türen für mich geöffnet, gerade im Fernsehen.“ Ebenso wichtig war, dass sich eine „Quizzer-Szene“ entwickelte.

Die erfolgreichen Teilnahmen bei entstehenden Quiz-Weltmeisterschaften und Deutschen Meisterschaften, wie die Gründung des Deutschen Quizvereins in 2011 mit inzwischen 1.200 Mitgliedern, bescherten Sebastian Jacoby überregionale Bekanntheit. Er wurde zum „Jäger“ in der gerade startenden Spielshow „Gefragt – Gejagt“, die ursprünglich im Abendprogramm des NDR ausgestrahlt wurde, bevor sie in die ARD übernommen wurde. Sebastian Jacoby etablierte sich darin als „Quizgott“ und ist seit 2013 als Jäger mit von der Partie. Den Namen „Quizgott“ habe er nicht selbst gewählt,  erzählt er uns, dieser wurde ihm vielmehr bei einer Redaktionssitzung zur Sendung vergeben.

ENTSPANNUNG FINDET DER QUIZGOTT IM KAISERZIMMER

Bei all dem Stress zieht sich Jacoby zur Entspannung gerne mal in sein „Kaiserzimmer“ zurück. Alle Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sind hier an der Wand mit ihrem Wappen wie in einem Baumdiagramm in ihren verwandtschaftlichen Be-ziehungen verbunden. „Ich habe das Wandgemälde extra von einer Berliner Künstlerin anfertigen lassen. Hier lese ich gerne mal einen historischen Roman“, sagt der 45-Jährige. „Der Name der Rose“ von Umberto Eco zählt zu seinen Lieblingsbüchern.

SELBST EIN QUIZGOTT IST VOR BLACKOUTS NICHT GEFEIT

Seit Juni wird die neue Staffel von „Gefragt – Gejagt“ wieder im Ersten aufgezeichnet und ausgestrahlt, weshalb Sebastian Jacoby wieder öfters zwischen seinem Wohnort in Baerl und dem Hamburger Produktionsstudio Tonndorf pendelt. Hatte er eigentlich schon einmal einen Blackout im Finale der Show? „Ja, letztes Mal ist mir unter dem Zeitdruck nicht eingefallen, dass Fritzlar in Hessen liegt“, gesteht Sebastian Jacoby. „Ich habe deswegen schon Einladungen aus der Stadt erhalten“, lacht er. Oder in einer anderen Folge sollte er in der Schnellraterunde des Quiz' einen biblischen Namen aus dem Wort „Evaluationsstudie” herausfiltern – da lag er mit seiner Antwort „Adam“ knapp daneben, war aber im richtigen Assoziationsraster. Allerdings hat er dann in einem Durchmarsch danach seine Gegner regelrecht weggefegt – und hatte immer noch 50 Sekunden von den zwei Minuten Ratezeit auf der Uhr. Ob es eine Konkurrenz zwischen den sieben „Jägern und Jägerinnen“ gebe? „Ja, klar, aber auf faire Weise. Schließlich will natürlich jeder am Ende gewinnen“, sagt der ehrgeizige Quizzer und grinst mit einem Augenzwinkern.

Text: Stephan Sadowski, NiederRhein Edition

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