Ein Garten über der Elbe

von Marion Lagoda

Atmosphärisch und eindrücklich – eine Frau verwirklicht trotz widriger Zeiten ihren Traum eines Gartens hoch über der Elbe, der später weltberühmt wurde

Hamburg, 1913: Als Hedda ihre Stelle als Obergärtnerin bei der jüdischen Bankiersfamilie Clarenburg antritt, hat sie es nicht leicht. Auf dem parkähnlichen Anwesen oberhalb der Elbe ist sie die erste Frau auf diesem Posten und wird von den ausschließlich männlichen Kollegen entsprechend kritisch beäugt. Auch körperlich wird ihr viel abverlangt, denn das Anwesen über der Elbe ist riesig, und der Erste Weltkrieg fordert ihr gärtnerisches Können noch einmal besonders heraus. Trotzdem gelingt es Hedda, hier ihren gärtnerischen Traum zu verwirklichen – bis hin zum Amphitheater im römischen Stil, das zum Mittelpunkt prachtvoller Feste und Theateraufführungen wird. Doch als sich in den 1930er Jahren die Zeiten verdüstern, geraten sowohl Hedda, die jüdische Vorfahren hat, als auch die Familie Clarenburg immer mehr in Bedrängnis.

Kenntnisreich, lebendig und mit faszinierenden Pflanzenbeschreibungen erzählt Marion Lagoda das Leben der Frau nach, deren wahrer Name Else Hoffa lautete und die als Obergärtnerin der Familie Warburg den berühmten Römischen Garten in Hamburg-Blankenese anlegte.

Was für ein wunderschöner Roman, der einen, wie das minimalistisch gestaltete Cover, direkt in den Bann zieht. Inspiriert von der realen historischen Figur Else Hoffa und den Ereignissen jener Zeit, bietet der Roman einen einzigartigen Einblick in eine Welt, die nicht nur Hamburger und Gartenliebhaber begeistern dürfte.

Ende zwanzig und mit unerschütterlicher Leidenschaft für ihr Handwerk ausgestattet, behauptet sich Hedda in der Männerdomäne und widmet ihr Leben völlig der Gestaltung und Pflege des Gartens. Ihre einzigen Ausnahmen bilden ihre Bücher und der regelmäßige Briefkontakt zu ihrer besten Freundin Elisabeth, die in England lebt. Obwohl Hedda keineswegs gefühllos ist, hat sie sich einen Schutzpanzer zugelegt, der im Laufe der Zeit aber immer dünner wird. Dafür wird der Clarenburgsche Garten ihr Refugium, ihr Zuhause, wo sie Schutz, Freude, sogar Liebe und Zuflucht findet.

Wir begleiten Hedda von 1913 bis ca. 1938 und so finden sich auch die Schrecken des 1. Weltkriegs, die Verfolgung der Juden und die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Marion Lagodas Erzählung wieder. Manch einem mögen diese Themen zu „blass“ oder zu kurz gezeichnet sein. Für mich jedoch bleibt die Autorin ihrem roten Faden und vor allem Heddas Persönlichkeit und der Geschichte des Gartens treu. Die Art und Weise, wie Hedda auf die Ereignisse und Grausamkeiten ihrer Zeit reagiert, hat eine berührende und nachwirkende Qualität. Marion Lagoda vereint in »Ein Garten über der Elbe« Historisches und Fiktion auf eine Weise, die tief berührt und uns daran erinnert, wachsam gegenüber den Gefahren des Extremismus zu bleiben – und das am Ende keiner von uns eine Insel ist.

Dieser Roman ist eine klarer Leseempfehlung für alle, die Gartengeschichten lieben, selbst Gärtnern oder einmal den „Römischen Garten” in Hamburg erkunden wollen. (SoRa)

 

Über die Autorin

Marion Lagoda schreibt seit vielen Jahren als freie Gartenjournalistin für Magazine und Buchverlage. Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte arbeitete sie zunächst als Redakteurin bei der Rheinischen Post in Düsseldorf. Ihre ersten Reportagen über Pflanzen und Gärten schrieb sie für die Frankfurter Rundschau. Später war sie Kolumnistin der Zeitschrift Flora Garten. Heute lebt die Mutter zweier erwachsener Kinder mit ihrem Mann in Hamburg, wo sie als Ausgleich zur Arbeit am Schreibtisch ihren selbst angelegten Stadtgarten pflegt.

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