Hard Girls

von J. Robert Lennon

Den zweieiigen Zwillingen Jane and Lila Pool bleibt gar nichts anderes übrig, als »hard girls« zu werden. Ihr Vater ist ein verpeilter Professor an einer Kleinstadtuni. Ihre Mutter, Anabel, scheint sich kein bisschen für ihre Kinder zu interessieren. Sie ist oft mit unbekanntem Ziel unterwegs, ist ansonsten von eisiger Gleichgültigkeit und eines Tages ganz verschwunden. Die Mädchen flüchten in ihre eigene Welt, spielen Spionin und sind in einer Theatergruppe aktiv. Als es dort zu einer Gewalttat kommt, überschlagen sich die Ereignisse – erst verschwindet ihre Mutter spurlos und dann Lila. Als Lila sich nach jahren plötzlich bei Jane meldet, machen sie sich auf, ihre Mutter zu suchen und Antworten zu finden. Doch sie erleben eine gefährliche Überraschung nach der anderen. Denn auch in der Familie gilt: Traue niemandem.

»Hard Girls«  | Ein gepflegtes Haus, Ehemann, Tochter – Jane Pool lebt ein vermeintlich ruhiges Leben in der amerikanischen Vorstadt. Doch unter der Oberfläche brodelt es.

Jane wirkt angepasst, als wäre sie in ihrem eigenen Leben nur zu Gast. Bloß nicht auffallen scheint ihre Devise zu sein. Sie ist die, die sich kümmert und doch scheint sie ständig für etwas büßen zu müssen. Ihr Verhältnis zum Vater, einem alternden Akademiker, ist distanziert und von Pflichtgefühl geprägt. Der Ehemann: verlässlich, aber kein Verbündeter. Im Gegenteil. Und über allem schwebt die Schwiegermutter – eine Frau, die sich einmischt, urteilt und Jane beständig das Gefühl gibt, als Mutter, Ehefrau und Mensch zu versagen. Kein Wunder, dass auch die Beziehung zur Tochter unter dieser ständigen Bewertung leidet.

Als Jane eine verschlüsselte Nachricht ihrer verschollen geglaubten Zwillingsschwester Lila erreicht, gerät ihre Welt ins Wanken. Lila behauptet, ihre Mutter gefunden zu haben. Und plötzlich bricht die Vergangenheit mit voller Wucht über Jane herein.

Was folgt, ist kein klassischer Thriller, sondern eine stille, intensive Spurensuche: nach Antworten, nach Zugehörigkeit und nach dem, was nie verarbeitet wurde.

J. Robert Lennon erzählt diese Geschichte mit leiser Spannung und großer Klarheit. Nicht das laute Drama steht im Vordergrund, sondern die Zwischentöne. Die Figuren sind kantig, glaubwürdig und fragwürdig zugleich – keine strahlenden Heldinnen, sondern Frauen mit Widersprüchen, Narben und einer Geschichte, die sich nicht abschütteln lässt.

Lila ist das Gegenteil von Jane: impulsiv, rebellisch, unbequem. Und doch verbindet sie etwas Tieferes als jede andere Beziehung. Die gespannte Verbindung zwischen den beiden Schwestern verleiht dem Roman Tiefe und Reibung. Die Suche nach der Mutter wird zu einer Suche nach Identität und nach einem Platz in der eigenen Geschichte.

Stilistisch überzeugt »Hard Girls« mit Reduktion statt Reizüberflutung. J. Robert Lennon setzt auf Atmosphäre, auf leises Andeuten statt auf lautes Erklären. Er verwebt Vergangenheit und Gegenwart zu einem feinen Netz, das sich Seite für Seite verdichtet. Man liest nicht atemlos, aber gebannt.

Für mich war es wohl genau diese Abstraktion, das Diffuse. Die Frage nach dem was echt ist und wo uns die Erinnerung trügt, die mich gepackt hat – und wie wie J. Robert Lennon eben jene Vergangenheit und Gegenwart verbindet

»Hard Girls« ist ein literarischer Roman im Gewand eines Thrillers – über familiäre Verstrickungen, über Erinnerung und Schuld, über das, was wir verdrängen, und das, was uns trotzdem nie ganz loslässt. (SoRa)

 

Über den Autor

John Robert Lennon, geboren 1970 in Easton, Pennsylvania, ist Musiker, Komponist und Autor von bisher neun Romanen und Kurzgeschichten. Seine 2008 erschiene Kurzgeschichte The Rememberer ist die Vorlage für die TV-Serie Unforgettable. Er lehrt an der Cornell University und schreibt u.a. Kritiken für die New York Times Book Review, den Guardian und The London Review of Books. Er lebt in Ithaka, New York.

 

 

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