„Die Kinder und die Tiere haben mich immer motiviert, weiterzumachen. Ich wollte den Tieren ein Zuhause geben und den Kindern eine sinnvolle Beschäftigung.“
Im Kassenhäuschen, zwischen Eistruhe und Aktenordnern, erzählt die sympathische Dame mit den zum Pferdeschwanz gebunden weißen Haaren von den Anfängen der „Arche Noah“. Zu Beginn der achtziger Jahre pachtete die vierfache Mutter und Medizinisch Technische Assistentin für das Pony ihrer jüngsten Tochter eine Wiese am heutigen Standort – rundherum nur Brachland und eine wilde Müllkippe. Aus einer alten Baubude entstand ein Ponystall. Nach und nach wuchs in Hildegard Miedel der Wunsch, etwas Größeres zu schaffen: „Als leidenschaftliche Mutter war ich schon immer der Überzeugung, dass der Umgang mit Tieren für Kinder wichtig ist. Aber man sollte sie spielerisch an sie heranführen und nicht, wie in einem Zoo, mit ihnen von Gehege zu Gehege laufen.“ Die Idee von einem Tierpark mit Jugendfarm war geboren. Hildegard Miedel erläutert sie: „Die Jugendfarm ist gedacht für Kinder und Jugendliche, die Tiere lieben und bereit sind, sich in ihrer Freizeit um sie zu kümmern. Ihnen zur Seite stehen Erwachsene, die ihnen helfen, Tiere und Pflanzen zu pflegen. Der Tierpark mit unseren Spielgeräten ist für jedermann zugänglich.“ Und so sieht man zwischen den zahlreichen Ställen und Ausläufen jede Menge Kinder und Jugendliche, die Ponys und Esel ausführen, füttern, striegeln oder einfach liebhaben. Mittendrin stehen in die Jahre gekommene Spielgeräte, Tretfahrzeuge und Bobby-Cars für Kleinkinder.
„Unmengen von Kindern wurden durch die ‚Arche Noah‘ geprägt. Viele von ihnen sind später in soziale oder pädagogische Berufe gegangen.“
Für dieses einmalige Konzept bekam Hildegard Miedel bereits einige Preise. 1988 belegte sie den 2. Platz im NRW-Wettbewerb „Spielen in der Stadt“ und 1990 ebenfalls den 2. Platz für „Mehr Natur in der Stadt“. Die Gründerin selbst wurde für ihr Engagement in der Jugendarbeit mit dem Bundesverdienstkreuz und der Verdienstmedaille der Stadt Meerbusch ausgezeichnet. Durch ihre zunehmenden Aktivitäten und den sichtbaren Erfolg der „Arche Noah“ wuchs übrigens auch das Verständnis ihres Ehemannes. Der Diplomingenieur beim TÜV Rheinland nutzte seit den neunziger Jahren als Frührentner jede freie Minute, um die Infrastruktur der „Arche Noah“ zu schaffen. Hildegard Miedel gerät dabei ins Schwärmen über ihren mittlerweile verstorbenen Mann: „Ohne ihn stünde das alles nicht hier. Er hat das Kassen- und Bürohaus, alle Ställe, das Futterhaus, die Kindergeburtstagshütten und die Pergola für die oberirdische Stromversorgung gebaut. Die Teichanlage mit Inseln und Brücken haben wir zusammen angelegt. Vielleicht hat es uns geholfen, dass mein Mann eigentlich Architektur studieren wollte.“ Hildegard Miedel schmunzelt, aber schon im nächsten Augenblick legt sich ihre Stirn in tiefe Falten: „Nachdem wir das umliegende 4.000 Quadratmeter große Grundstück gekauft und weitere Flächen angepachtet hatten, nahmen auch die Stadtväter mehr Notiz von der „Arche Noah“. Schon damals sprach man von einem ,Filetstück‘, das man lukrativ als Bauland hätte vermarkten können. Das ist übrigens immer mal wieder in der Diskussion und hat uns schon viele Nerven gekostet.“ Obwohl die Arche Noah eine breite Lobby hat, zeugen unzählige Zeitungsartikel davon, wie schicksalhaft die vergangenen Jahrzehnte waren. Da ist zu lesen „Dunkle Wolken über der Arche“, „Zukunft ungeklärt“ oder einfach „SOS“. „Man wollte uns schon an den Rand der Autobahn verfrachten, wo die Grundstücke nichts wert sind. Aber wie sollen unsere Kinder aus dem Wohngebiet dorthin kommen? Sie brauchen die Nähe, um uns zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen“, so die „Arche“-Gründerin kämpferisch. Als sie von „unseren Kindern“ spricht, leuchten ihre Augen. Denn die Jugendlichen seien es, die die „Arche Noah“ ausmachen: durch ihre Liebe zu den Tieren, das gelebte Verantwortungsgefühl gegenüber der Schöpfung und das Wissen, gemeinsam Gutes zu tun, so die gläubige Christin. Tagtäglich, teilweise schon seit Jahrzehnten, kümmern sich regelmäßig rund 40 Kinder und Jugendliche aus der Nachbarschaft um Ponys, Esel, Schweine, Schafe, Ziegen, Kaninchen, Meerscheinchen, Gänse, Enten, Hühner und Vögel. Beim Rundgang begegnen wir Marina Falkenberg, die schon als Dreijährige mit ihren Großeltern die Arche Noah besucht hat und sich heute um ihr Lieblingspony Sharina kümmert.
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Geldnot trotz hoher Akzeptanz
Die „Arche Noah“ hat in der Region mittlerweile eine hohe Akzeptanz, die sich durch Spenden von Unternehmen und Einzelpersonen ausdrückt. Auch die Stadt Meerbusch engagiert sich mit einer jährlichen Unterstützung in Höhe von 25.000 Euro und einem Personalkostenzuschuss in Höhe von 83 Prozent für die Vergütung der neuen hauptamtlichen Leitung. Dennoch übersteigen die Kosten die Einnahmen. Das Futter verschlingt dabei die größte Summe. Deshalb ist die „Arche Noah“ weiterhin auf Spenden angewiesen. Man kann auch Tierpatenschaften abschließen. Wer einmal vor Ort war, wird die Tiere und die Menschen dort in sein Herz schließen.
Spendenkonto Arche Noah
Sparkasse Neuss
IBAN DE81 3055 0000 0000 2240 14
BIC WELADEDNXXX
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Hildegard Miedel, die jedes einzelne Tier mit Namen kennt, erzählt vom Schicksal ihres Schützlings, das exemplarisch ist für viele Tiere, die in der „Arche Noah“ ein artgerechtes und oftmals letztes Zuhause gefunden haben: „20 Jahre lang war Sharina ein Schulpferd in einem Reitstall. Dann wurde sie abgebeben, weil sie angeblich zu alt war. Beim neuen Halter wurde sie unter anderem mit Kartoffelschalen gefüttert. Und die Esel, die mit ihr zusammengehalten wurden, haben ihr vor lauter Hunger und Mineralmangel die Mähne und den Schweif abgefressen. Sie sah furchtbar aus. Wir haben sie wieder aufgepäppelt, aber dann hat unsere Tierärztin bei Sharina Magengeschwüre festgestellt und bei einem Herzultraschall erkannt, dass eine Herzklappe nicht mehr richtig funktioniert. Die Medikamente sind sehr teuer, aber wir werden das schon schaffen.“ Viele der Pferde haben zudem altersbedingte Stoffwechsel-Erkrankungen, die ebenfalls medikamentös behandelt werden. „Und weil sie keinen Zucker zu sich nehmen dürfen, dürfen sie auch keine Möhren und Äpfel fressen. Außerdem haben viele unserer Esel und Ponys keine Zähne mehr; für sie weichen wir das Futter ein“, erzählt Marina Falkenberg. Über Futter von den Besuchern freuen sich dagegen die anderen Tiere. Über den Kassentresen gehen täglich zig Becher für jeweils einen Euro: Heurollis für die Ziegen und Schafe, Körner für die Enten und Hühner und Knäckebrot für die Hängebauchschweine Piggy und Porky, die auf einem Schrottplatz in Ratingen zur Welt kamen und durch die Initiative „Schweine in Not“ gerettet wurden. Die Mutter aller Tiere, Hildegard Miedel, legt größten Wert darauf, dass alle „bis zum letzten Atemzug“ in der Arche leben können. Besonders traurig war im vergangenen Jahr der Abschied des allerersten Ponys, Fanny, das im Alter von sechs Monaten in die Arche kam und 37 Jahre alt wurde. Neuzugang Duplo wird hingegen von den Mädchen so richtig auf Trab gebracht, denn „die längste Praline der Welt“ ist zu dick und muss dringend abspecken. Sein Maulkorb wird den einen oder anderen Besucher verwundern, aber ein Schild an seinem Gehege gibt Aufschluss: „Unser Duplo ist nicht böse, aber er beißt in alles rein, weil er immer Hunger hat.“