Hier kann man gut für länger bleiben!
Otterdame Patschel, die Vorstadtkrokodile, ein neues Hotel mit einem ungewöhnlichen Namen, die Geocaching-Experten Claudia und Werner Henkel, Kreativ-Konditor Manfred Oomen und jede Menge glückliche Brautpaare. Dazu altehrwürdige historische Gemäuer wie die Burg, die Kasematten oder die Brachter Mühle und Naturschönheiten wie der Borner See und der Brachter Wald. Das alles ist Brüggen. Ein Spaziergang mit Petra Verhasselt.
Meine Tour beginnt in Brüggen-Born. Der Patschel-Brunnen auf dem idyllischen Marktplatz plätschert beschaulich, die Glocken der Pfarrkirche Sankt Peter läuten, und ein paar Kleinkinder turnen um die Bronzestatue mit dem Borner Wahrzeichen herum: Otterdame Patschel. Hier bin ich mit Heidy Davis und René Bongartz verabredet. Die beiden gehören zu einer Handvoll Heimatbegeisterter, die sich vor einigen Jahren zusammengetan haben, um den Spuren von Heinrich Malzkorn (1892-1980) zu folgen. Der Brüggener Schriftsteller, Maler und Naturschützer, der als Pensionär noch einige Jahre an der Volksschule Born unterrichtete, hat die Otterdame Patschel nach dem 2. Weltkrieg romantauglich gemacht. Er erzählt die Geschichte einer mutigen Otter-Mama, die in den heimischen Flusslandschaften verschiedene Abenteuer erlebt. Dazu zählen die Aufzucht ihrer Jungen, die schwierige Nahrungssuche in Zeiten von Knappheit, der Kampf mit ihrem Erzfeind, einem riesigen Hecht, und die große Liebe.
„Patschel-Route“ mit 16 Hörstationen
„Obwohl der süße Name Patschel dazu verleiten könnte, wird aber nichts verniedlicht. Im Gegenteil: Heinrich Malzkorn war es immer ein großes Anliegen, die Natur in ihrer Schönheit und teilweise blutrünstigen Erbarmungslosigkeit zu schildern“, so René Bongartz. Inspirationsquelle für den „Patschel-Roman“ muss das Zuhause des Schriftstellers gewesen sein: ein Fischerschuppen am Hariksee. Dort bekam die Otterdame auch ihren Namen, weil sie auf das Wehr der Wassermühle hinaufgepatschelt ist. Diese Beschreibung kann man im ersten Kapitel des Buches nachlesen, das 2019 als eine um viele Bilder und Erläuterungen ergänzte Neuauflage auf den Markt kam.
Wer genau hinsieht, entdeckt Patschel vielerorts: Lange schon schippert das Ausflugsboot „Patschel“ auf dem Hariksee. Berühmt wurden auch das „Patschel-Brot“ und die „Patschel-Cartoons“ von Nik Ebert in der Rheinischen Post. Das „Patschel-Team“ arbeitet un-ermüdlich daran, das Erbe des geschätzten Heimatdichters in den Köpfen der Brüggener und der Touristen zu etablieren. Neuester Clou werden ab Mitte des Jahres die Hörstationen auf der „Patschel-Route“. Sie soll 34 Kilometer entlang der im Roman beschriebenen Schauplätze an der Schwalm führen, zwischen Rickelrath, Lüttelforst, Brempt, Born, Brüggen, Gützenrath, Niederkrüchten und Schwaam. An 16 Hörstationen kann man dann mit einem QR-Code Passagen aus dem Roman anhören. Schon jetzt gibt es ein Hörbuch, eingesprochen von Patschelfreund René Bongartz.
Ausstellung „Der Fischotter kehrt zurück“
Um noch mehr Gehör für die vom Aussterben bedrohten Nachkommen von Patschel wirbt auch Heidy Davis, die in Brüggen nur „Otter-Heidy“ genannt wird. Seit über 12 Jahren setzt sie sich für den Schutz von Fischottern ein: „Fischotter wurden wegen ihres wertvollen Pelzes und des oft überschätzten Schadens für die Fischerei gefangen und gejagt. Zudem galt ihr Fleisch lange Zeit als Delikatesse und Fastenspeise. Auch nachdem der Fischotter unter Schutz gestellt wurde, erholte sich seine Population nur schleppend. Er fand in der Natur weniger Rückzugsmöglichkeiten aufgrund der Begradigung von Fließgewässern und der Trockenlegung von Feuchtgebieten. Die zunehmende Wasserverschmutzung hat nicht nur zur Abnahme der Fische geführt, sondern auch zu einer erhöhten Sterblichkeit und verminderten Reproduktionsfähigkeit. Begrenzt wird seine Ausbreitung leider auch weiterhin durch das massive Verkehrsaufkommen der vergangenen Jahre.“
Aber die Fischotter kehren dennoch zurück. In der Nähe der Lüttelforster Mühle wurden Pfotenabdrücke gefunden. Das bestätigt auch Biologin Jennifer Markefka von der Biologischen Station Krickenbecker Seen. Sie war zuständig für das Projekt „Der Fischotter kehrt zurück – Wir bereiten ihm den Weg“ und hilft, Weichen zu stellen für seine Rückkehr. Dafür hat sie in der Region alle Stellen notiert, die den Tieren gefährlich werden könnten. Das sind vornehmlich Brücken an stark befahrenen Straßen. Sie erklärt: „Wir bauen sogenannte Bermen; das sind künstliche Uferstreifen aus Steinen oder Holzbrettern, auf denen die Otter unter Brücken am Ufer entlanglaufen können, ohne den Umweg über die Straße nehmen zu müssen. 90 Prozent der Otter werden nämlich überfahren.“ Wir Laien erfahren im Infozentrum der Biologischen Station Krickenbecker Seen außerdem, wie die Tiere leben, wie sie sich verbreiten, wo sie wieder heimisch geworden sind und weshalb sie bedroht sind. Die Ausstellung „Der Fischotter kehrt zurück“ ist noch bis Ende August 2022 zu sehen.
Mein erster Cache: „Prosit Zitsch“ N51° 14.487’ E 006° 11.954‘
Mit dem neu gewonnenen Wissen um die Otter am Niederrhein, laufe ich zufrieden entlang des Borner Sees und der Schwalm Richtung Brüggen und genieße die niederrheinische Landschaft. Das Tolle ist: Überall stehen Bänke zum Verweilen, und es gibt ausreichend Mülltonnen. Auf dem Weg lerne ich Claudia und Werner Henkel kennen, zwei ambitionierte Geocacher, die sich zusammen mit Familie Biskup den Namen „Biskel-Cacher“ gegeben haben. Überall in der Gemeinde verstecken sie tolle, selbstgebaute Schätze („Caches“), die man unter anderem mit dem Smartphone aufspüren kann – übrigens alles mit offizieller Genehmigung. Einer ihrer Schätze ist ein originelles, aufwendig gebautes Vogelhäuschen. „Das findet man unter anderem auf unserer dreieinhalb Kilometer langen Waldroute“, sagt Claudia.
„Passt doch prima“, denke ich und nehme mir fest vor, das Versteck zu finden. Dafür lade ich mir zunächst die App „c:geo“ auf mein Android-Smartphone. Ich logge mich mit einem Spitznamen ein und suche nach gespeicherten Caches in der Gegend. Ich entscheide mich für den Cache „Prosit Zitsch“, einen Mystery-Cache, wo es gilt, über beantwortete Fragen die Koordinaten für das Versteck zu ermitteln. Geschafft. Mein Smartphone weist mir den Weg. Noch 91 Meter geradeaus. Mehr oder weniger. Denn nach ungefähr 90 Metern stehe ich etwas hilflos im Wald herum. Mein Handy scheint verwirrt. Wäre da nicht Claudia Henkel, die mir einen kleinen Tipp gibt: „Schau mal nach rechts, das ist ein Cacher-Weg. Du kannst ruhig ein kleines Stück in den Wald hineingehen. Das erfahrene Cacher-Auge erkennt dann einen wunderschönen, markanten Baum, hinter dem etwas versteckt sein könnte.“ Tatsächlich: Auf der Rückseite taucht ein kleines Vogelhäuschen mit bunten Verschlüssen von Limonadenflaschen auf – nur eines von Dutzenden Geocaching-Kunstwerken von Werner Henkel. An der linken Seite hängt ein Zahlenschloss, und mein Handy nennt mir den Hinweis „Ampel“. Ich muss also am Vogelhäuschen etwas Rotes, Gelbes oder Grünes finden. Mehr wird hier allerdings nicht verraten, denn Hinweise bzüglich der Lage, der Lösungen der Rätsel oder gar Fotos sind nicht gewollt bzw. gestattet. Wir wollen ja nicht spoilern! Und die nachfolgenden Cacher wollen ja auch ihren Spaß haben.
In ausweglosen Fällen darf man übrigens den Besitzer des Caches anschreiben. Claudia Henkel ist in ihrer Truppe das „Callcenter“ und beantwortet zügig alle Fragen. Da sie mich heute begleitet, gibt sie mir live ein paar Tipps. Daraufhin löst sich das Schloss. Und dann passiert das, was jeden Geocacher von einem normalen Waldspaziergänger unterscheidet: Ich stoße einen Freudenschrei aus und hüpfe ausgelassen vor dem Cache hin und her. Ich hebe den Deckel des Vogelhäuschens an, finde eine Butterbrotdose und öffne sie. Darin befindet sich das „Logbuch“, und ich trage stolz ein: „Das war mein allererster Cache. Danke Werner und Claudia.“
Ehrenamtliche Standesbeamte erfüllen besondere Trauwünsche
Beim Geocaching mit Claudia Henkel habe ich einen weiteren Ausflugstipp bekommen: die Kasematten. Sie selbst hat die alte Wehranlage unter dem Burgwall vor drei Jahren zum ersten Mal erleben dürfen. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin der Flüchtlingshilfe Brüggen war sie zusammen mit anderen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern vom Bürgermeister eingeladen worden. Die Kasematten wurden im 16. Jahrhundert als Verteidigungsanlage errichtet und dienten über 400 Jahre nach ihrer Erbauung im 2. Weltkrieg erneut als Schutzbauten für die Brüggener.
Eine App „Kasematten Brüggen“ bietet zwei virtuelle Rundgänge durch die Östliche Kasematte im Jahr 1520 und durch die Westliche Kasematte im Jahr 1945. Über den Kasematten thront die Burg, die Brüggen den Beinamen „Burggemeinde“ gibt. Während ich über den Hof des mittelalterlichen Gemäuers schlendere, sehe ich im Augenwinkel ein Brautpaar, das sich gerade in dieser romantischen Kulisse küsst. Ein Fotograf hält diesen schönen Moment fest. Etwas abseits steht Berthold Bauer. Er ist einer von drei ehrenamtlichen Standesbeamten. Wir kommen ins Plaudern, und er erzählt, dass vor zehn Jahren die Idee aufkam, auch Trauungen an einem Freitagnachmittag oder einem Samstag zu ermöglichen. Aber dafür brauchte es Freiwillige. Der frühere Gebietsleiter in einem großen Konzern war damals gerade Rentner geworden und nahm die Aufgabe gerne an: „Ich habe mein Leben lang geistig gearbeitet. Seitdem ich die Trauungen mache, funktioniert die Birne wieder wie früher.“ Über 500 Trauungen hat Berthold Bauer bereits absolviert. Eine war eine echte Märchenhochzeit: mit dem Bräutigam auf einem weißen Pferd und allen Gästen in Märchenkostümen.
Der ehrenamtliche Standesbeamte, der seine eigene Goldhochzeit schon erleben durfte, verrät auch, dass Brüggen bei Brautpaaren ganz vorne im Ranking liegt: „In kaum einem anderen Ort der Region finden so viele Trauungen statt wie hier.“ Kein Wunder, bei der Flexibilität des Standesamtes und den kreativen Traumöglichkeiten in der Burg, im Rathaus, das mal ein Kloster war oder in der historischen Brachter Mühle.
„2G“ im neuen Hotel „The Bridgge“
„In Brüggen kann man gut für länger bleiben“, würde der Niederrheiner sagen. Seit dem vergangenen Jahr gibt es sogar ein 4 Sterne-superior-Hotel. Das karminrote Gebäude mit den Palmen vor der Fassade und den 110 Zimmern sorgt immer mal wieder für Kopfschütteln. Den einen ist es zu mo-dern, den anderen kommt der eigenwillige Name nicht so recht über die Lippen. „The Bridgge“ ist abgeleitet vom englischen Wort für „Brücke“. Aber weil das Hotel in Brüggen steht, bekam „Bridge“ zwei „G“. 35.000 Übernachtungen pro Jahr sollen – wenn die Coronawelle abebbt – für Auslastung sorgen. Bürgermeister Frank Gellen rechnet mit vielen Gästen, die Europas größtes Outlet im nahegelegenen Roermond besuchen, aber auch mit Erholungsuchenden, die das nahegelegene Naturschutzgebiet Brachter Wald zu Fuß oder mit dem Fahrrad erkunden wollen. Es liegt im Naturpark Schwalm-Nette und besteht aus einem rund 1.250 Hektar großen Mosaik aus Heiden und Wäldern auf Flugsand-Dünen.
Kurios: Das Gelände ist eingezäunt, war es doch das ehemals größte Munitionsdepot Westeuropas. Es gehörte der Britischen Rheinarmee. 1996 wurde das Depot aufgegeben und im Jahr 2000 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Mit ein bisschen Glück kann man dort Galloway-Rinder, Damwild, Moorschnucken oder Wildpferde beobachten, die die Heideflächen als natürliche „Rasenmäher“ beweiden und dafür sorgen, dass sie nicht mit Bäumen und Sträuchern zuwachsen.
Das „Kultschloss“: Kulturforum Schloss Dilborn
Vom Hotel „The Bridgge“ sind es nur ein paar Schritte zurück zur Schwalm. Nach knapp einem halben Kilometer erreiche ich Schloss Dilborn. Auf dem Gelände des ehemaligen Wasserschlosses ist die Jugendhilfe untergebracht. Sie bietet ambulante, teilstationäre und stationäre Erziehungshilfen für Kinder, Jugendliche und deren Familien. Das Erdgeschoss des Schlosses wird vom „Kulturforum Schloss Dilborn“ als Kleinkunstbühne für Kabarett, Musik und Theater genutzt. Seit seiner ersten Auflage im Jahr 2003 hat sich das Kulturprogramm so gut entwickelt, dass regelmäßig bekannte Künstler aus der deutschen Kultur- und Kabarettszene auftreten. Tradition im „Kultschloss“, wie das Kulturforum auch genannt wird, ist die jährliche Vorpremiere der jeweils neuen Produktion des Düsseldorfer Kom(m)ödchens. Am 24. November ist es wieder so weit.
Heiner Beeker – Filmbruder von Martin Semmelrogge
Wo wir gerade bei „Kunst & Co.“ sind: In Brüggen lebt ein Mann, der außergewöhnliche Film- und Fernsehgeschichten zu erzählen hat und mit dem ich jetzt verabredet bin: Heiner Beeker. Mitte der siebziger Jahre hat er eine der Hauptrollen im WDR-Jugendfilm „Die Vorstadtkrokodile“ gespielt. Die „Krokodile“ sind eine Kinderbande, die rund um den Brüggener Ortsteil Bracht zum Teil abenteuerliche Geschichten erlebt. Heiner Beeker, heute Raumausstatter, der zur Rolle kam wie die Jungfrau zum Kinde, erzählt aber erst einmal, warum Brüggen überhaupt als Drehort ausgewählt wurde: „Regisseur Wolfgang Becker suchte zwischen dem Ruhrgebiet und dem Niederrhein eine alte Ziegelei, die zum Ende des Films gesprengt werden sollte.
In Bracht fand er dann eine, die tatsächlich abgebrochen werden sollte. Und da sagte der WDR: ,Der Besitzer braucht sie nicht abzubrechen. Wir bezahlen das.‘“ Dann begann die Suche nach den Schauspielern. Heiner Beeker: „Der Regisseur kam in die Brachter Hauptschule, ging durch die Klassen und suchte sich spontan ein paar Kinder aus. Plötzlich stand ich in der Aula und musste ein paar Sätze vorsprechen. Zwei Tage später wurden dann aus 200 Kindern zehn ausgesucht, und ich war dabei. „Ich verkörperte Frank Steffenhagen, den Bruder von Egon, der von Martin Semmelrogge, gespielt wurde. Das war schon aufregend, im Film der Bruder von einem Einbrecher zu sein.“ Weitere damals bekannte Schauspieler waren übrigens Willy Semmelrogge Senior, Marie-Luise Marjan und Eberhard Feik.
Für mich öffnet Heiner Beeker sein „Vorstadtkrokodile-Zimmer“, und ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Ich fühle mich in die Siebziger zurückversetzt. In Regalen und Schränken hat er haufenweise Fotos vom Dreh aufbewahrt, ich entdecke eine alte Filmklappe und ein Bonanza-Rad – ein Originalnachbau seines Filmfahrrads, das beim Dreh leider zu Schrott gefahren wurde. Alles ist Kult. Auch das mittlerweile vergilbte Drehbuch liegt sicher verstaut in Heiner Beekers Filmzimmer: „Das waren über 200 DIN-A4 Seiten. Die mussten wir in den ersten drei Wochen auswendig lernen. Auch die berühmte ‚Pinkelszene‘ kann man dort noch nachlesen, wo es im Text heißt ‚Kurt muss mal‘”. Heiner Beeker erinnert sich, als sei es gestern gewesen: „Wir fuhren mit den Rädern, und Maria lief mit Kurt im Rollstuhl nebenher. Dann wurde es schon irgendwie peinlich für alle Beteiligten. Weil Kurt im Film mal musste, sollte er aus dem Rollstuhl gehoben werden. Die wenigsten wussten: Kurt war eigentlich Birgit. Das Mädchen hatte seine Rolle übernommen.“
Dieses Insider-Wissen teilt Heiner Beeker regelmäßig mit Schülern aus der Region, die das Buch „Die Vorstadtkrokodile“ lesen und sich mit dem Thema „Inklusion“ beschäftigen. Heimatkundler freuen sich dagegen, dass durch die „Vorstadtkrokodile“ auch ein Teil der Brüggener Historie ins Rampenlicht gerückt wurde: Das Ziegeleihandwerk. Ab 1890 wurde die Tonindustrie mit ihren Dachziegeleien und Röhrenwerken nämlich prägend für die Region. Die erste Dachziegelfabrik wurde 1896 in Bracht gegründet. In kurzer Zeit folgten zehn weitere Werke. In Spitzenzeiten wurden hier 100 Millionen Ziegel pro Jahr produziert. Jeder sechste Dachziegel zwischen München und Flensburg stammte aus der Umgebung von Brüggen.
„Patschelbrot“ und „Brüggener Burgmäuse“
Für zwei weitere Brüggener Exportschlager sorgen die örtlichen Bäcker und Konditoren. Es sind das „Patschelbrot“ von Leo Stinges und die „Brüggener Burgmäuse“ von Manfred Oomen. Mit einem Patschelbrot aus 60 Prozent Weizen und 40 Prozent Roggen, das man an seiner Haube aus Sesamkörnern erkennt, mache ich mich auf den Weg ins Burg Café in der Brüggener City.
Nur 250 Meter von der Burg entfernt, möchte ich zum Abschluss meines Spaziergangs das Geheimnis der „Burgmäuse“ lüften. Überall duftet es nach Frischgebackenem, und meine Augen bleiben an kreativen Kuchen und Torten hängen. Dann entdecke ich in der Theke die süßen Mäuse in den Geschmacksrichtungen Bitter-Kuvertüre mit Cappuccino-Ganache, Vollmilch-Kuvertüre mit Vollmilch-Ganache und Weiße Kuvertüre mit Champagner-Ganache. Der Pralinenfreund weiß: „Ganache“ ist eine hochwertige Sahnecreme aus Kuvertüre und Rahm.
Bei einem Latte Macchiato lasse ich einen wunderschönen Samstag ausklingen und freue mich schon auf den Sommer in der Burggemeinde. Dann werde ich noch einmal die Wildpferde im Naturschutzgebiet Brachter Wald besuchen, einen neuen Cache von Claudia Henkel finden und das Plätschern des Borner Sees genießen.
Brüggen liegt imNaturpark Maas-Schwalm-Nette. Genau hier, an der einzigen passierbaren Furt über die Schwalm, bildete sich an der Kreuzung zweier Handelswege zwischen Rhein und Maas eine erste Siedlung. Diese wurde urkundlich erstmals 897 erwähnt.
Im 13. Jahrhundert ließen die Grafen von Kessel nach niederländischem Vorbild eine 16 Meter hohe Kiesinsel aufschütten, um den morastigen Untergrund bebaubar zu machen. Darauf ließen sie, zur Sicherung der Furt, die Burg Brüggen erbauen. 1473 nahm der Burgunder Herzog Karl der Kühne die Burg ein, die später an das Herzogtums Jülich ging. 1794 besetzten Napoleons Truppen das linke Rheinland, die die Burg Anfang des 19. Jahrhunderts – zum Ausgleich jahrelang rückständiger Bezahlung – an den letzten Amtmann der Burg übertrugen.
Bis heute befindet sich die Burg Brüggen in Privatbesitz, ist aber an die Gemeinde Brüggen verpachtet. Diese beberbergt seit 1979 das regionale Jagd- und Naturkundemuseum „Museum Mensch und Jagd“. Ebenfalls in der Burg beheimatet sind die Brüggener Touristik-Information sowie eine Info des Naturparks Maas-Schwalm-Nette. Regelmäßig dienen die Gebäude und das Burgareal als Ort für kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Theateraufführungen und Kunstausstellungen, aber auch für Feierlichkeiten wie standesamtliche Trauungen sowie eine große Hochzeitsmesse zu Beginn jeden Jahres.
Natur- und Tierpark Brüggen
Museum Mensch und Jagd | 300.000 Jahre Jagd
Brüggener Touristik-Information
Kulturforum Schloss Dilborn