Klompen an de Föß

Klompen – mehr als nur Schuhwerk. Über Tradition, Brauchtum, Könige, Kirmes, Klompenfreunde und Klompenball

Es gibt sie pur oder mit einem Lederbesatz, als wasserdichte Stulpenstiefel und sogar mit hohen, eleganten Stöckeln. Holzschuhe wurden früher in fast allen nördlichen Regionen Europas getragen, beim Torfstechen zum Beispiel oder im Deichbau, ebenso in Hüttenbetrieben und Gießereien. Am Niederrhein war der Klomp noch bis ins letzte Jahrhundert hinein das gängige Schuhwerk der ländlichen Bevölkerung, und das nicht nur bei der Landarbeit.

Etwas sechs Klompenpaare konnte ein fleißiger „Klompenmaker“ damals pro Tag anfertigen. Dazu hackte er zunächst mit einem Beil die grobe Form aus einem passenden Pappelholzblock. Pappeln waren in den feuchten Niederrheinauen häufig und billig, für bessere Klompen verwendete man Weiden- oder Erlenholz. Aus der fertigen Grundform entstanden nun mit Hilfe eines großen Pfahlmessers der Absatz, die Kappe und der Einstiegsbereich, die so genannte „Schnauze“. Jetzt folgte der handwerklich aufwändigste  Teil der Arbeit, das Aushöhlen der Schuhe mittels eines sehr scharfen, halbrunden Spezialmessers. Anschließend bekamen Vorderteil, Ferse und Absatz ihren Endschliff. Der normale Arbeitsklompen war jetzt fertig, Festtagsklompen wurden dagegen manchmal noch zusätzlich bemalt oder mit einem Schnitzornament verziert.

Bei so viel Tradition ist es nicht verwunderlich, dass die Klompen noch heute bei vielen niederrheinischen Volksfesten eine wichtige Rolle spielen. In Grevenbroich zum Bespiel, da marschieren die örtlichen Schützenvereine zum Auftakt ihres alljährlichen Schützenfestes in Klompen an ihrem Königspaar vorbei.

Der traditionelle Klompenball in Neukirchen-Vluyn

Oder in Neukirchen-Vluyn, wo seit 1950 an jedem ersten Montag nach Pfingsten zum Kirmesabschluss ein großer Klompenball stattfindet. Laut Überlieferung verdankt das vermutlich Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Tanzvergnügen seinen Namen der Überheblichkeit der vornehmen Vluyner Bürger. Wenn am Balltag mittags die Kirchenglocken läuteten, und die Bauern mit ihren derben, blauen Leinenkitteln, dem „Beus“ von den umliegenden Feldern kamen, um mit einem Tänzchen die Kirmes zu begraben, sollen die vornehmen Vluyner das mit der herablassenden Bemerkung kommentiert haben: „Da kumme de Buure und maken ühren Klompenball.“ Die Bauern störte das wenig. Für sie war der Kirmestanz eine seltene Abwechslung in ihrem ansonsten recht harten Alltag, und so ließen sie den Tanzboden alle Jahre wieder fröhlich unter ihrem derben Schuhwerk erzittern.

1925 wurde dann erstmals für das beliebte Volksvergnügen ein eigenes Klompenkönigspaar gekürt, das zum „Buurenball“ natürlich in Klompen erschien. Für seinen Auftritt dort wurde das Paar von zu Hause abgeholt, wo es zunächst eine kräftige Brotmahlzeit und einen geistreichen Schluck servierte, um dann anschließend mit seinem Begleitzug zum Kirmesplatz zu marschieren, vorne weg ein Standartenträger mit einem Schrubber, an dem in Ermangelung einer Fahne ein Aufnehmer im Wind flatterte. Dann kam der Zweite Weltkrieg und beendete den schönen Brauch.

 

Bis 1950. Da riefen der Vluyner Alfred Oswald und ein paar seiner Neufelder Freunde den einst so fröhlichen Vluyner Klompenball wieder ins Leben. Neufeld gehörte damals zu Vluyn, was die Vluyner auch heute noch eng mit den Neufeldern verbindet. Zwei Jahre später eröffneten Heinrich Ramacher und seine Frau Erna als erstes Klompenkönigspaar nach dem Krieg wieder einen traditionellen Klompenball auf dem Vluyner Kirmesplatz. Dabei trug König Heinrich als Zeichen seiner majestätischen Würde eine derbe, dickgliedrige Kuhkette und seine Gattin Erna ein zartes, mit Frühlingsblumen verziertes Bastkränzchen, und beide  - natürlich – Klompen. Damit marschierten sie von einer knapp 25 Mann starken, zuvor im königlichen Zuhause  gut versorgten Eskorte quer durch das Dorf zum Festzelt.

Seither hat es in Vluyn kein Jahr mehr ohne Klompenball gegeben, und aus den damals knapp 25 Vluyner Klompenfreunden sind inzwischen fast 400 geworden. Organisiert wird der alljährliche Vluyner Klompenball vom Klompen-Komitee. Ihm obliegt auch die Aufgabe, alle Jahre wieder ein neues Klompenkönigspaar zu ernennen. Außer ihm und dem Paar selber weiß bis zum Schluss niemand, wer dieses ehrenvolle Amt für die nächsten zwölf  Monate inne haben wird. Das Verfahren ist zwar nicht demokratisch, „aber die die Vluyner wollen es so“, lacht Karl-Heinz Möhlendick, der ehemalige Vorsitzende ist inzwischen Ehrenvorsitzender der Klompenfreunde. Das gut gehütete Geheimnis gibt jedes Jahr Stoff für zahlreiche Spekulationen und Wetten.

Vluyner Klompenkönig kann man nur einmal im Leben werden. Einzig Heinrich Ramacher hatte zweimal die Ehre. Haben in einer Familie bereits Großvater und Vater diese Ehre genossen, hofft der Sohn meist sehnsüchtig darauf, die begehrte Kuhkette ebenfalls tragen zu dürfen. Grundsätzlich kann jeder männliche Vluyner oder Neufelder Klompenkönig werden, egal was er ist und hat. Wichtig ist nur, dass er sich ordentlich für den Erhalt der örtlichen Klompentradition einsetzt, und dass er eine Königin als „schmückendes Beiwerk“ zu bieten hat.

1982 hatte Karl-Heinz Möhlendick die Ehre. Da war allerdings der nachkriegliche Geburtshelfer des Vluyner Klompenballs, Alfred Oswald, noch Vorsitzender des Festkomitees. Wer dort einmal Mitglied ist, bleibt es sein Leben lang, es sei denn, er will selber ausscheiden. Die Nachfolge erfordert ein einstimmiges Votum des gesamten Komitees, so will es die Regel. Andere Regeln gibt es nicht, es gelten die traditionellen Überlieferungen, denn die Vluyner Klompenfreunde sind kein Verein. Wer will, kann mitmachen, oder es lassen. Ein eigenes Paar Klompen sollte man allerdings schon besitzen, aber auch das ist keine Pflicht, auf dem Ball selber sind alle möglichen Schuhe erlaubt. Wer allerdings am Balltag das Königspaar mit abholen will, muss dazu in Klompen erscheinen. Da sind die Vluyner streng. Erfahrungsgemäß lässt sich jedoch für besonders nette Gäste immer irgendwo ein Ersatzpaar auftreiben. Wenn das nicht passt, wird es mit ein bisschen Stroh passend gemacht werden.

Ein Denkmal für das einstige Buuren-Schuhwerk

Die Vluyner Klompenfreunde waren auch schon beim nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten eingeladen. Seitdem ist der Klomp auch in den höchsten politischen Kreisen Nordrhein-Westfalens hoffähig und 2007 haben die Vluyner selber ihrem einstigen Buuren-Schuhwerk sogar ein eigenes Denkmal gesetzt. Es steht direkt im Herzen von Alt-Vluyn am Schulplatz, dort, wohin früher selbst die reichen Kinder im Winter gerne mit „Klompen  an de Föß“ kamen. Denn auf eisigen Schlinderbahnen waren Klompen einfach unschlagbar.

Seit den 1950er Jahren hat es in Vluyn kein Jahr mehr ohne Klompenball gegeben – 2020 ist alles anders

Eigentlich sollte das 70. Jubiläum des Klompenballs in diesem Jahr am 07. + 08. Juni 2020 gebührend und in gewohnter Tradition gefeiert werden. Aufgrund der Corona-Pandemie werden – erstmalig in der jüngeren Geschichte der Klompenfreunde – Kirmes und Klompenball in diesem Jahr nicht stattfinden können. 

 

Text: Jutta Langhoff | Niederrhein Edition, Bilder: Vlyner Klompenfreunde

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