Unterwegs mit Melanie Unterberg
Wenn in Düsseldorf-Pempelfort eine braungelockte Frau mit ansteckendem Lachen eine Schubkarre voller Grünabfälle und Gartenwerkzeug durch die Einkaufsstraße schiebt, können Sie sicher sein: das ist Melanie Unterberg. Seit über zehn Jahren kennen Zuschauer*innen der WDR Lokalzeit Düsseldorf die gebürtige Kleverin aus der Sendung „Gartenzeit“. Grund genug, zusammen mit Melanie Unterberg bei einem Picknick in den barocken Gartenanlagen der Schwanenstadt über Stationen ihrer Kindheit und Jugend in Kleve und ihren beruflichen Werdegang zu sprechen. Heraus kamen viele „grüne“ Infos, aber auch ganz viel „Buntes“ von einer unglaublich empathischen Frau mit viel Verve.
Bei Dinkelbrot, Fenchelsalami, Käsewürfeln, Tomaten und Tee breiten wir uns auf einer Picknickdecke unterhalb des Amphitheaters und der Statue der Pallas Athene aus. Vor uns die Skulptur „Eisener Mann“ von Stephan Balkenhol. An dieser Stelle endet der Kanal, der Kleve nach dem Willen von Johann Moritz von Nassau-Siegen mit dem Rhein verbinden sollte. Das rund 600 Meter lange Wasserbecken lenkt den Blick über die Rheinebene hinweg Richtung Altrhein. „Was sich der Mann damals überlegt hat, hat heute noch denselben Erholungswert“, freut sich Melanie Unterberg. Ähnlich wie der Statthalter des Großen Kurfürsten von Kleve seine Vorstellungen von barocker Landschaftsgestaltung im 17. Jahrhundert umsetzen konnte, arbeitet die fachkundige Landschaftsgärtnerin heute jeden Tag an der Verwirklichung von Gartenträumen des 21. Jahrhunderts.
Mein Urgroßvater hat mir die Natur des Niederrheins gezeigt
Ihre Liebe zum Arbeiten in und mit der Natur muss ihr vom Urgroßvater in die Wiege gelegt worden sein, vermutet Melanie Unterberg: „Er lebte in unserem Elternhaus und hat mir die Natur des Niederrheins gezeigt. Mit acht Jahren habe ich dann Kakteen meines Vaters umgepflanzt. Die Stacheln fand ich zwar doof, aber meine Hände in die Erde zu stecken und mich schmutzig zu machen, war toll. Außerdem haben mich von klein auf die unterschiedlichen Gerüche von gemähtem Rasen, Gartenkompost und Erde fasziniert.“ Den Düften der Natur hat sie als Schulkind auch regelmäßig nachgespürt: Ihr Elternhaus lag nur fünf Gehminuten vom Naturpark Kellen entfernt. Dort führte sie viele Jahre zusammen mit ihrer Schwester Petra die Familienhunde aus, unternahm Picknicks mit Freundinnen und rauchte heimlich ihre ersten Zigaretten. Heute freut sich die Gartenexpertin darüber, dass der Verein „Naturpark Kellen“ an vielen Stellen im Park und am See bewusst nicht so stark in die Natur eingreift. Und sie erinnert sich froh an das vergangene Jahr, als sie dort zusammen mit ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter regelmäßig auf einer Bank gesessen, auf die Schwäne geschaut und die Natur beobachtet hat.
Ich begeistere mich für die kleinen Pflanzen, für die man in die Knie muss: Leberblümchen, Buschwindröschen oder Christrosen
Biologie und Erdkunde waren die Lieblingsfächer von Melanie Unterberg, die nach der Mittleren Reife in Kleve-Reichswalde ihre Ausbildung zur Gärtnerin im Blumen- und Zierpflanzenbau begann. „Draußen haben wir Eriken angepflanzt und in den Gewächshäusern Zimmerpflanzen“, erzählt sie und erinnert sich an ihr erstes Ausbildungsjahr: „Um 7 Uhr war Arbeitsbeginn und um 16.45 Uhr Ende. Ich war oft kaputt vom Bücken und der Hitze in den Gewächshäusern. Noch heute bin ich meinen Eltern dankbar dafür, dass sie mich damals fast jeden Tag zur Arbeit gebracht und auch abgeholt haben. Manchmal bin ich auch mit dem Fahrrad gefahren. Da musste ich um fünf Uhr aufstehen und habe allein für die Fahrt eine Stunde gebraucht. Ich war heilfroh, als ich mein erstes Auto bekam, einen Fiesta.“
Minimal gärtnern, maximal genießen
In den Folgejahren wuchs das junge Pflänzchen Melanie Unterberg zu der Unternehmerin heran, die sie heute ist. Nach ihrem Fachabitur zur staatlich geprüften Gartenbautechnikerin in Straelen wechselte sie in den Garten-Landschaftsbau. Da war sie 24. Ein Jahr später entschied sie sich, die Klever Landluft gegen den Düsseldorfer Stadtduft zu tauschen. „Kleve war mir damals zu spießig. Außerdem hatte ich mich in Düsseldorf in eine Frau verliebt. Den Umzug habe ich bis heute nicht bereut.“ Melanie Unterberg war schon als Jugendliche viel „op jück“: „Ich war ein richtiger Disco-Junkie. Mit meiner ,Regenbogen-Community‘ ging’s donnerstags und freitags nach Düsseldorf in die Disco, samstags nach Nijmwegen und sonntags nach Geldern.“ Bei allen Freizeitaktivitäten hatte Melanie Unterberg aber immer auch ihr berufliches Ziel im Blick und machte sich mit 27 Jahren selbständig. Bis heute liegt ihr Fokus in naturnaher Gartengestaltung mit dem Schwerpunkt auf Staudengärten. Dass sie als Geschäftsfrau ihren Laden seit 25 Jahren erfolgreich „rockt“, verwundert niemanden, der mit der Gartenfachfrau näher zu tun hat. Freunde und auch Kunden bescheinigen ihr Verbindlichkeit, Disziplin und Ehrlichkeit.
Auf unserem Streifzug durch die Stadt Kleve…
… kommen wir auch am Museum Kurhaus Kleve vorbei und Melanie Unterberg erklärt: „Kleve war zur Zeit der Preußen ein Kurort und das Museum trägt seinen Namen wegen der ursprünglichen Funktion des Gebäudes – und das hat wirklich eine bewegte Geschichte. Joseph Beuys richtet hier zum Beispiel Ende der 1950er Jahre sein Atlier ein.“ Der klassizistische Bau befindet sich in unmittelbarer Nähe des Tiergartenwaldes und der Parkanlagen des Prinzen Moritz von Nassau-Siegen aus dem 17. Jahrhundert. Seit April 1997 präsentiert das Museum Kurhaus Kleve Kunstwerke vom Mittelalter bis zur Gegenwart und positioniert sich am Kultur-Schauplatz als Kunstmuseum mit internationaler Ausrichtung. Sein Schwerpunkt liegt auf zeitgenössischer Kunst von den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts an bis heute. So befindet sich in der ständigen Sammlung des Museums der künstlerische Nachlass des bedeutenden deutschen Bildhauers der klassischen Moderne, Ewald Mataré (1887-1965). Im Jahr 2012 wurde das Museum Kurhaus Kleve vergrößert und um attraktive Ausstellungsräume erweitert. Einen neuen Höhepunkt bilden die authentischen Atelierräume von Joseph Beuys im sogenannten Friedrich-Wilhelm-Bad.
„Als gebürtige Kleverin möchte ich immer die Burg sehen“, sagt uns Melanie Unterberg. Sie meint damit die Schwanenburg, das Wahrzeichen der Stadt Kleve. Die Burg wurde vermutlich im 11. Jahrhundert von den Grafen und späteren Herzögen von Kleve auf einem spornartigen Ausläufer des Niederrheinischen Höhenzuges erbaut und ist somit eine der wenigen Höhenburgen am Niederrhein. Ihr Burgberg war namensgebend für die später entstehende Siedlung: Aus Cleef (für Kliff, Klippe) wurde Kleve. Den Namen erhielt sie wegen ihrer Wetterfahne in Gestalt eines großen Schwanes, dessen Flügel die Helmzier des herzoglichen Wappens waren. Die Anlage wurde auch het slot von Cleef genannt, und auch wenn es der Name nahelegt, handelt es sich bei der Schwanenburg nicht um eine Burganlage, sondern um ein durch Umbauten einer Burg im 17. Jahrhundert entstandenes Schloss im Stil des Barocks.
Wir kommen zum Spoykanal und Hafen von Kleve. Kanal und Hafen waren früher, insbesondere für die damalige Klever Großindustrie, lebenswichtig. Heute wird der Spoykanal nur noch von Tretbooten befahren. Eingebettet zwischen alten Hafengebäuden befindet sich die Hochschule Rhein-Waal. Der alte Klever Hafen hat sich in ein zeitgenössisches Campus-Gelände sowie in einen beliebten Wohn- und Lebensmittelpunkt im Grünen gewandelt.
„Minimal gärtnern – maximal genießen“ ist das gärtnerische Credo von Melanie Unterberg. Sie hat sich für das „naturnahe Gärtnern“ entschieden und nennt ein Beispiel: „Ein Staudenbeet sollte nur dreimal im Jahr gepflegt werden. Stauden mögen es nicht, zu viel angefasst zu werden. Bei mir bleiben deshalb die Pflege-Eingriffe minimal, und das Auge darf den blühenden Anblick maximal genießen.“ Naturnahes Gärtnern ist aber noch viel mehr: Melanie Unterberg bearbeitet den Boden grundsätzlich mit Humus, Sand und Malzkeimdünger. Chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel sind für sie tabu. Bei ihrer Kundschaft wirbt sie außerdem für eine tierfreundliche Gartengestaltung. „Dazu gehört, dass im Winter auch mal das Laub für die Igel liegen bleibt, dass man Marienkäfer- und Wildbienenhotels aufstellt und Nistkästen anbringt. Bei der Auswahl der Hecke sollte man sich für eine Rotbuche oder eine Blutbuche entscheiden und beim Zaun Naturmaterialien wie Weide oder Staketen wählen.“ Die Gartenexpertin spricht sich klar gegen Schotter- und Pflasterflächen und für Naturschwimmteiche statt chlorreicher Pools aus.
Harmonisches Zusammenspiel der Hausbesitzer*innen mit ihren Gärten
Die Kunden von Melanie Unterberg sind meist Hauseigentümer*innen, die ihre Privatgärten umgestalten möchten. „Ich liebe die Individualität der Gärten, bin täglich woanders, lerne Menschen in ihren Gärten kennen – das ist spannend und inspirierend zugleich. Ich mag die Kommunikation mit Menschen, die ihre Pflanzen lieben“, beschreibt sie und fügt hinzu: „Jede Gartenbesitzerin und jeder Gartenbesitzer ist individuell in ihren/seinen Wünschen, und jeder Standort ist eine Herausforderung, dafür die ,richtigen‘ Pflanzen und Kompositionen zu finden. Ein japanischer Kunde wünscht sich beispielsweise ein Stück Heimat in Meerbusch: mit Bambus und japanischen Azaleen. Die 90jährige Dame, die ihr Gemüse immer selbst geerntet hat, braucht es pflegeleichter. Und die junge Familie benötigt im hinteren Teil des Gartens Rückzugsmöglichkeiten für die heranwachsenden Kinder. Wichtig ist mir immer das harmonische Zusammenspiel der Hausbesitzer*innen mit ihren Gärten.“
Ihre Kompetenzen in der Gartengestaltung hat Melanie Unterberg durch die Harmonielehre „Feng Shui“ komplettiert, wie sie erzählt: „Ein Vortrag ,Feng Shui im Garten‘ hat mich dazu angeregt, eine einjährige Ausbildung zur zertifizierten Feng Shui-Beraterin zu machen. Eine von vielen Methoden der Feng Shui-Gestaltungslehre besagt zum Beispiel, dass ein Garten stets mit immergrünen und laubabwerfenden Gehölzen und Pflanzen bepflanzt wird, um auch im Winter ein interessantes Bild und Spannungsaspekte zu schaffen. Im Feng Shui nennen wir das ,Yin und Yang‘ – aufs Gärtnern übertragen steht ,Yin‘ für immergrün und ,Yang‘ für laubabwerfend.“ Die achtsame Landschaftsgärtnerin, die jeden Tag meditiert und Yoga macht, beschäftigt sich natürlich auch mit Fragen des Klimawandels und kann deshalb entsprechende Pflanzen empfehlen: „Es gibt sonnen- und hitzeverträgliche Stauden, ausgewählte heimische Bäume wie den Amberbaum und sonnenhungrige Ziergräser. Wichtig ist mir auch der Schutz der alten Düsseldorfer Stadtbäume. Durch Stürme haben wir fast 20.000 verloren; die Stadt holzt außerdem zu viel gesunden Bestand ab. Deshalb engagiere ich mich in der ,Baumschutzgruppe Düsseldorf‘.“
„Das Leben ist zu kurz, um Wesentliches zu verschieben. Für mich gehören dazu die Pflege meiner engsten Angehörigen, die Verwirklichung von Reisen und die Erfüllung ganz persönlicher Wünsche.“
Das vergangene Corona-Jahr hat übrigens auch bei Melanie Unterberg zu einer verstärkten Nachfrage geführt: „Die Menschen haben vermehrt von zuhause gearbeitet und sind nicht in Urlaub gefahren; stattdessen investierten viele in ihren Garten.“ Aber nicht nur die Pandemie hat die „grüne Branche“ belebt, die Gartenexpertin sagt ihrem Berufszweig generell eine rosige Zukunft voraus: „Gärten boomen. Private Gärten sind Rückzugsorte und immer mehr geschätzt, wegen des warmen Klimas bei uns. Auch die Nachfrage nach Schrebergärten ist sehr hoch. Die Wartelisten wurden so voll, dass sie bei einigen Schrebergärten abgeschafft wurden.“
Tangokurs oder WDR-Studiogast?
Dass Garten-Themen viele Menschen begeistern, hat auch der WDR vor vielen Jahren bemerkt. Und so hatte Melanie Unterberg eines Tages eine Anfrage auf ihrem Anrufbeantworter, ob sie am Abend als Studiogast in die Lokalzeit Düsseldorf kommen wolle. „Ich sagte dann, dass ich da meinen Tangokurs hätte, aber gerne nächste Woche kommen würde und dass ich sehr froh wäre, wenn ich meine Chance deshalb nicht verpasse. Meine Freundinnen haben mich für bescheuert gehalten, dass ich diese Chance unter Umständen vergeigt habe, aber ich bekam eine weitere Einladung ins WDR-Studio.“ Die offene und klar verständliche Art, Gartenfragen zu „beackern“, kam an. Seit elf Jahren ist Melanie Unterberg zwischen März bis November alle 14 Tage feste Studiogästin in der „Gartenzeit“ der WDR Lokalzeit Düsseldorf, darüber hinaus auch immer mal wieder in „Markt“ und „Hier und Heute“. Am meisten überrascht war sie über ihren rapide steigenden Bekanntheitsgrad. Mittlerweile wird sie als „das laufende Gartenlexikon von Düsseldorf“ bezeichnet. „Es kommt immer mal wieder vor, dass mich Menschen im Supermarkt oder auf der Straße fragen, wie sie ihre Zimmerpflanze gießen sollen oder wann sie ihre Hecke schneiden müssen“, schmunzelt sie. Auch ihre Familie und die gesamte Nachbarschaft aus Kleve, die ja im Sendegebiet der „WDR Lokalzeit Niederrhein“ lebten, platzten vor Stolz. Melanie Unterberg erinnert sich: „Mein Vater und die Nachbarn trafen sich dienstags immer in ihrer Stammkneipe ,Kellner Krug‘. Die hatten eine Leinwand und projizierten die Lokalzeit Düsseldorf darauf, wenn ich im Studio war.“ Mittlerweile lebt ihr Vater Hans-Werner in einem Klever Seniorenheim, schaut immer noch die Gartenzeit im WDR Fernsehen, freut sich aber viel mehr, wenn Tochter Melanie „live“ zu Besuch kommt. Beim nächsten Mal wird sie ihm diese Ausgabe der „NiederRhein Edition“ mitbringen und weiß: „Er wird sehr stolz sein.“
„Tu ma ebkes Blumen gießen“
Für Melanie Unterberg beginnt der Niederrhein hinter Moers. „Da halte ich es wie Hanns Dieter Hüsch“, schmunzelt sie und zitiert eine der sprachlichen Besonderheiten: „Bei uns in Kleve ,macht‘ man nicht Dinge, sondern ,tut‘ sie. Ein oft ausgesprochener Satz ist daher auch ,tu ma‘. Am besten ergänzt man diese Aufforderung noch durch ,ebkes‘, was ,zeitnah‘ heißt. Also: ,Tu ma ebkes Blumen gießen!‘ Die Gartenexpertin liebt die Kopfweiden, Pappeln und Baggerseen am Niederrhein. „Ich bin sozusagen im Baggerloch Wisseler See aufgewachsen und habe früh schwimmen gelernt. Mit fünf Jahren hatte ich schon mein Freischwimmer-Abzeichen“, erzählt sie stolz. Heute kann man Melanie eine Freude machen, wenn man sie zu einer Tretbootfahrt auf dem Spoykanal einlädt: „Das Tolle ist, dass man an der Einstiegsstelle mit dem Café-Restaurant Königsgarten gleich eine schöne Einkehrmöglichkeit hat, was aber nicht heißt, dass man den Spoykanal nicht vorher in beide Richtungen, also stadteinwärts und stadtauswärts, entlangschippern sollte. Vom Boot aus hat man übrigens immer den Blick auf die Schwanenburg – ganz wichtig für eine Kleverin.”
Text: Petra Verhasselt | Fotos: Michael Ricks | NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2021