Wie ein Landwirt in Kleve zum niederrheinischen Wetterfrosch wurde

Wetter, die meisten von uns nehmen es, wie es kommt, wünschen sich vielleicht, dass im Urlaub die Sonne scheint, oder dass es am Heiligabend ein bisschen schneit. Der Klever Landwirt Hubert Reyers sieht unser Wetter jedoch mit ganz anderen Augen. Bereits mit acht Jahren begann er regelmäßig Temperaturen, Wolken, Wind und Regenmengen auf dem Hof seiner Eltern zu beobachten. Heute versorgt er mit seiner Website www.wetter-niederrhein.de täglich mehr als 10 000 Menschen von Kleve bis weit ins Ruhrgebiet hinein mit seinen Wetterprognosen.

„Die Wettervorhersage ist eigentlich nur mein Hobby. In Wirklichkeit bin ich mit Leib und Seele Landwirt“, gesteht der heute 53-Jährige. „Aber manchmal schummel ich auch ein bisschen.“ „Wie das?“ „Na ja“, Wenn man ihn frage, wieviel Zeit er pro Tag auf die Erstellung seiner Wetterprognosen verwende, antworte er meistens: „Morgens ab 5 Uhr 30 etwa 45 Minuten.“ Doch da sei er nicht immer ganz ehrlich: „Wenn die Wetterlage besonders spannend ist, und die Arbeit auf dem Hof es erlaubt, gehe ich auch mittags manchmal noch einmal an den Computer.“

Hier findet er das, was er früher an seinen  Thermometern und Wassserstandsanzeigern noch selber ablesen musste, inzwischen in unendlichen Zahlenkollonen diverser internationaler Wettermessstationen im Internet. Sie richtig zu lesen, erfordert allerdings eine Menge Übung. „Als ich als Achtjähriger mit den Wetteraufzeichnungen auf unserem Hof begonnen habe, wollte ich noch so etwas wie einen modernen, hundertjährigen Kalender aufstellen“, erinnert sich Hubert Reyers heute mit einem gewissen Schmunzeln in der Stimme. Damals hatten ihm seine Eltern zum Geburtstag ein so genanntes „Minimax-Thermometer“ und einen Regenableser geschenkt. Letzterer bestand aus nicht mehr als einem kleinen, mit einer Messskala versehenen Metallröhrchen, das er an einer möglichst offenen Stelle des Hofes anbringen musste. Das Minimax-Thermometer war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon etwas Besonderes, konnte es doch die höchsten und niedrigsten Temperaturwerte eines 24-Stunden-Tages ohne fremde Hilfe festhalten. Das, so erinnert er sich weiter, sei damals eine „echte Errungenschaft“ gewesen. Doch irgendwann Mitte der 90 Jahre genügte es dem jungen Hubert Reyers nicht mehr, seine bisher gemessenen Wetterdaten lediglich in immer wieder neuen Aktenordern zu archivieren. Zu diesem Zeitpunkt fiel für ihn die Entscheidung, sich ab jetzt vor allem mit dem Gebiet der Wettervorhersage zu beschäftigen. Kein leichtes Gebiet.

Normalerweise erfordert diese Beschäftigung ein ziemlich komplexes Studium, und eigentlich wollte er das nach dem Abitur auch machen, aber dann war ihm der Erhalt des elterlichen Hofes doch wichtiger gewesen. Stattdessen holte er sich das nötige Wissen bei dem heute populären Metereologen Sven Plöger. „Der hatte damals mehrere Wetterstationen in ganz Deutschland. Unter anderem eine in Bochum. Da habe ich dann immer hingeschrieben, wenn ich irgendwelche Informationen brauchte und wurde auch jedes Mal gut bedient.“

Zahlen, Zahlen, Zahlen:  Anfänglich war die professionelle Wettervorhersage eine echte Herausforderung

So lernte er unter anderem, dass es ganz viele verschiedene Methoden zur Ermittlung von Wettervorhersagen gibt. Zum Beispiel neben der deutschen auch eine amerikanische, deren Berechnungen bisweilen recht weit auseinander liegen. „Das sind für einen Laien meist lediglich Zahlen, Zahlen, Zahlen. Da braucht es schon ein wenig Erfahrung, daraus die richtigen für den Niederrhein herauszufiltern“, weiß Hubert Reyers inzwischen: „Die Zahlen liefern etwa 80 Prozent der Daten, für den Rest braucht es Intuition und Erfahrung. Manchmal kann es aber auch ganz anders laufen als erwartet.“ In diesem Zusammenhang erinnerte er sich noch gut an eine im Jahr 2016 ziemlich eindeutige Wettervorhersage, die dann aber eine ganz andere Entwicklung nahm. Da hatte sich unerwarteterweise eine riesige Regenfront über Xanten festgebissen und dem Umland in Kürze eine schlimme Überschwemmungssituation beschert. „Das Wetter ist manchmal ein ganz schönes Chaos. Da kommt man nie so ganz dahinter“, schildert er sein damaliges Erstaunen. Dennoch vertrauen ihm seine Website-Nutzer schon viele Jahre.

Niederrheinische Landwirte besuchen regelmäßig seine Wetter-Website

Besucher seiner Website www.wetter-niederrhein.de sind in der Regel Leute, die wie er selber, am Niederrhein Land- beziehungsweise Viehwirtschaft betreiben. Für sie ist es wichtig, dass sie zum Beispiel die Wiesenmaat oder die Ernte des Getreides rechtzeitig ohne große Regengüsse über die Bühne bringen. Einige schauen nicht nur regelmäßig auf seine Website, sondern rufen ihn manchmal auch persönlich zuhause an. Seine Prognosen für den nächsten Tag sind dabei normalerweise ziemlich genau. Schwierig wird es dagegen bei Vorhersagen über drei oder mehr Tage: Da kommt er nach seiner eigenen Aussage manchmal schon ganz schön ins Schwitzen.“

Mit öffentlichen Vorträgen engagiert sich Hubert Reyers für zukünftige Klimaschutzmaßnahmen

Niemand weiß genau, wie es mit dem Klima in unseren Breiten demnächst weitergehen wird. Das galt vor allem für die beiden extrem trockenen Sommer der letzten beiden Jahre. Hier wissen selbst professionelle Meterologen nicht, wie es demnächst mit dem Wetter in unseren Breitengraden weitergehen wird. Für Hubert Reyers ein Grund mit, sich in Schulen, Kindergärten und in Form von öffentlichen Vorträgen für zukünftige Klimaschutzmaßnahmen zu engagieren: „Meine Generation hat die Entwicklung des Klimas und dessen Schutz bisher verpennt. Das macht mich ängstlich, zumindest aber stutzig“, begründet er sein Engagement. „Wir alle befinden uns zurzeit in dem größten Freilandversuch, den die Menschheit je gesehen hat.“ Hubert Reyers Wettersammlung aus seiner Kinderzeit existiert übrigens noch immer in Form zahlreicher Aktenordner. Erst neulich hat er sie noch einmal herausgeholt, um einem Freund zum Fünfzigsten davon eine Kopie vom Tag seiner Geburt zu machen. Die Idee von der Erstellung eines neuen hundertährigen Kalenders hat er allerdings inwischen aufgegeben.

#Literaturtipp

Zieht euch warm an, es wird heiß! – Den Klimawandel verstehen und aus der Krise für die Welt von morgen lernen

Metereologe Sven Plöger sagt seit 1999 in Funk und Fernsehen das Wetter voraus. Von ihm erhielt Hubert Reyers in seinen Anfängen oftmals Unterstützung und konnte so sein Wissen stetig erweitern.
Im Juni 2020 ist Sven Plögers drittes Buch erschienen. Es trägt den Titel »Zieht euch warm an, es wird heiß! – Den Klimawandel verstehen und aus der Krise für die Welt von morgen lernen«. (Erschienen im Westend Verlag, ISBN 978-3864892868, € 19,95) Trockenheit, Waldschäden und Waldbrände, dann wieder Platzregen mit Hagel und Sturmböen – auch die Coronakrise kann nicht verdecken, dass sich unser Klima immer schneller verändert. Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, müsste die Einsparung an CO2-Emissionen jedes Jahr so groß sein wie durch den Shutdown. Genau das aber wäre möglich! Dazu müssen wir die Gier, die im jetzigen System steckt, in den Umbau der Wirtschaft lenken. Damit der Wohlstand bleibt, muss der Green Deal kommen. Der Diplom-Meteorologe Sven Plöger zeigt verständlich, wie unser Klimasystem funktioniert, wie man skeptischen Stimmen begegnet und dass die aktuelle Krise eine echte Chance ist, Weichen für unsere Zukunft und die unserer Kinder zu stellen. Mit Praxisteil: Reden Sie nicht nur übers Wetter – verändern Sie das Klima!

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