Auch in unserer Region wird Waldbaden immer beliebter – und wer es einmal ausprobiert hat, der weiß, dass Waldbaden viel mehr ist, als eine Wanderung durch den Wald. Die Teilnehmer erfahren im wahrsten Sinne des Wortes „beiläufig“ jede Menge über die heilende Wirkung von Pflanzen und Kräutern.
Die Waldapotheke
Der Birkenschwamm, auch „Birkenporling“ genannt, ist ein Vitalpilz, der seit über 5.000 Jahren als Heilmittel genutzt wird. Schon „Ötzi“, der Mann aus dem Eis, soll diesen Pilz zu Tee zubereitet haben, um sich gegen Parasiten im Darm zu schützen. In erhärteter Form nutzte er ihn auch als „Messerpilz“, um darin sicher scharfe Messer und Steinklingen zu transportieren. Für eine natürliche Reinigung der Lunge sorgen Terpene, was man salopp mit „Duftstoffe aus dem Wald“ übersetzen kann. Am geläufigsten ist sicherlich der Duft von Kiefernnadeln. Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897), Urvater der Gesundheitsbewegung, hat das regelmäßige Einatmen von Terpenen als Mittel gegen die Tuberkulose empfohlen. Mit Erfolg: Als um 1900 in Berlin die Tuberkulose tobte, wurden die Menschen in Krankenhäuser im waldreichen Brandenburg gebracht, und viele überlebten die Epidemie im Gegensatz zu Patienten, die in der Stadt behandelt wurden. Die antibakterielle, entzündungshemmende Waldluft hatte ihre Lungen gereinigt. Später bauten die großen Stahl und Kohle verarbeitenden Industrien eigene Erholungsheime im Wald, um gegen die „Staublunge“ ihrer Mitarbeiter vorzugehen.
Giersch gegen Gicht, Blaubeeren gegen Darmkrankheiten und und eine Tinktur aus Gänseblümchen lindert Akne
Es ist erstaunlich, wie viele Blüten und Beeren mit „Gesundmacherqualitäten“ wir in der Natur pflücken können – vorausgesetzt, sie wachsen nicht an einem gedüngten Feld, und wir nehmen sie wahr. Von unserem erfahrenen Waldführer lernen wir, dass Giersch schon bei den Römern die Folgen des regelmäßigen Verzehrs von Schweinefleisch und Gerstenbrei gelindert hat. Giersch gegen Gicht, sozusagen. Und Hildegard von Bingen, universalgelehrte Äbtissin und Naturheilkundlerin, empfahl bereits im 12. Jahrhundert getrocknete Blaubeeren gegen Darmkrankheiten. Heute wissen wir: Die gelbe Haut von Walnüssen ist mit ihren Gerbstoffen gut für den Darm und die Frucht gut fürs Herz. Löwenzahn hilft gegen Leberschäden, Brennnesseln sind eisenreich und entwässern, und eine Tinktur aus Gänseblümchen lindert Akne. Denn Gänseblümchen enthalten Vitamine, ätherische Öle, Gerbstoffe und Antioxidantien.
Unerfahrenen hilft der Naturguide mit einem Picknick aus Giersch, Gurkenkraut, Kapuzinerkresse, Thymian, Brennnesseln, Löwenzahn und Gänseblümchen auf die Sprünge. Dazu kommen, je nach Jahreszeit, Blaubeeren, Kirschen, Walderdbeeren, Steinpilze, mit etwas Glück ein Schwefelporling, Walnüsse, Maronen, Bucheckern oder auch Birkenfrüchte. Die länglichen eiweißreichen, nussig schmeckenden „Würmchen“ sind zum Beispiel lecker im Salat. Dazu ein Schluck Birkenwasser, und das Menü aus der Natur ist fertig. Viele Diabetiker schwören auf Birkenwasser. Es enthält wichtige Nährstoffe wie Magnesium, Calcium und Eisen, wirkt entschlackend und entzündungshemmend und trägt zur Entgiftung bei, weil es sich stimulierend auf Galle und Nieren auswirken kann.
Auch wenn man alles vielleicht schon einmal irgendwo gehört oder gelesen hat, ist es beeindruckend, bei einer achtsamen Wanderung zu erleben, welche Naturheilmittel vor unserer Haustüre wachsen. Auch das ist Waldbaden.