Hildegard von Bingen wurde im Jahr 1098 geboren. Bekannt wurde und blieb sie bis heute unter anderem durch ihre Aufzeichnung über besondere Heilmethoden. Mit ihrer ganzheitlichen Naturmedizin gilt sie als Wegbereiterin für die meisten der alternativen Therapien unserer heutigen Zeit.
Hildegard wurde als das zehnte Kind der Edelfreien Hildebert und Mechthild in Rheinhessen geboren. Wie zu jener Zeit üblich, wurde sie im Alter von acht Jahren als Oblatin* dargebracht und in religiöse Erziehung gegeben. Bereits zu dieser Zeit hatte Hildegard, nach eigener Aussage, Visionen bzw. Erscheinungen, die sie allerdings noch nicht zu deuten wusste – ebenso wie diejenigen, denen sie davon berichtete. Mit 16 Jahren legte sie ihr Gelübde zur Nonne ab und wurde 22 Jahre später zur Leiterin der Gemeinschaft in der sie bis dahin im Kloster der Benediktiner von Disibodenberg lebte. Ab diesem Tag kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen mit Abt Kuno von Disibodenberg.
Hildegard mäßigte die Askese, eines der Prinzipien des Mönchtums, sie lockerte in ihrer Gemeinschaft die Speisebestimmungen und kürzte die festgelegten, sehr langen Gebets- und Gottesdienstzeiten. Als sie dann auch noch – gemeinsam mit ihrer Gemeinschaft – ein eigenes Kloster gründen wollte, entfachte darüber ein offener Streit und die Benediktiner stellten sich diesem Vorhaben entschieden entgegen. Zu dieser Zeit, etwa um 1141, nahmen auch Hildegards Visionen zu und sie begann diese, nebst ihrer theologischen wie anthropologischen Vorstellungen, niederzuschreiben.
Während einer Synode in Trier bekam Hildegard 1147 schließlich von Papst Eugen III. die Erlaubnis, ihre Visionen zu veröffentlichen. Dies stärkte ihre politische Bedeutung. Fortan stand sie nun mit vielen geistlichen und weltlichen Mächtigen in Korrespondenz und konnte kurz darauf ihr Kloster auf dem Rupertsberg gründen. Da die Zahl der Nonnen im Rupertsberger Kloster ständig zunahm, erwarb Hildegard 1165 ein leerstehendes Augustinerkloster in Eibingen und gründete dort ein Tochterkloster, in das auch Nichtadelige eintreten konnten. Sie selbst lebte bis zu ihrem Tode im Jahr 1179 im Kloster Rupertsberg.
Hildegard von Bingen predigte als erste Nonne öffentlich dem Volk zur Umkehr zu Gott
Hildegards selbstbewusstes und charismatisches Auftreten führte dazu, dass sie über die Grenzen hinaus bekannt wurde. Als erste Nonne, predigte sie öffentlich, dem Volk zur Umkehr zu Gott. Wegen ihres Glaubens und ihrer Lebensart wurde sie für viele Menschen zur Wegweiserin. In ihren Natur- und heilkundlichen Schriften brachte sie das damalige Wissen über Krankheiten und Pflanzen aus der griechisch-lateinischen Tradition mit dem der Volksmedizin zusammen und nutzte die deutschen Pflanzennamen. Vor allem aber entwickelte sie eigene Ansichten über die Entstehung von Krankheiten, Körperlichkeit und Sexualität. Ihr Werk „ Ursprung und Behandlung von Krankheiten: Causae et Curae“ beinhaltet viele sehr direkte Anweisungen, die jeweils nach Symptomen geordnet sind. Wenn gleich nicht mehr alle Anweisungen Hildegards in unsere heutige Zeit passen, so ist der Gedanke der Einheit und Ganzheit ein Schlüssel zu Hildegards natur- und heilkundlichen Schriften: „Drei Pfade hat der Mensch in sich, in denen sich sein Leben tätigt: die Seele, den Leib und die Sinne“. Laut Hildegard von Bingen bleibt der Mensch also nur dann gesund, wenn diese drei Aspekte der Lebensführung ausgewogen beachtet werden.
Der österreichische Arzt Gottfried Hertzka entdeckte die in Vergessenheit geratenen Schriften der Hildegard von Bingen Anfang des letzten Jahrhunderts neu und testete sie in seiner Praxis. Er entwickelte auf Basis seiner Erfahrung die heutige „Hildegard-Medizin“, und machte sie wieder populär. Ab 1970 warb er für die praktische Anwendung der heilkundlichen Ratschläge der Äbtissin. Heute gibt es zahlreiche Literatur über Hildegard von Bingen, ihre Methoden und Ansätze.
* Oblation war seit dem frühen bis ins hohe Mittelalter eine Form des Klostereintritts und bezeichnete insbesondere die Darbringung eines Kindes in ein Kloster bzw. seine Bestimmung durch die Eltern zum Klosterleben.