Auf einen Kaffee mit Martina Voss-Tecklenburg

Zuhause auf dem grünen Rasen: Für die gebürtige Duisburgerin Martina Voss-Tecklenburg ist Straelen zur Heimat geworden. Das grüne Sofa ist das Wahrzeichen der Blumenstadt. Foto: Michael Ricks

Sie wuchs zusammen mit vier Geschwistern in einer Duisburger Arbeiterfamilie auf, war 15 Jahre lang alleinerziehende Mutter einer mittlerweile erwachsenen Tochter, liebte einige Jahre eine Frau und ist seit zehn Jahren glücklich mit dem erfolgreichen Straelener Bauunternehmer Hermann Tecklenburg verheiratet: Martina Voss-Tecklenburg. Wir haben die Trainerin der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft Anfang August nach ihrem Mallorca-Urlaub in ihrer Wahlheimat Straelen getroffen und eine selbstbewusste und leidenschaftliche, dabei bodenständige und sympathische, Frau kennengelernt, die nie Vorbilder hatte, aber jetzt selbst zu einem Vorbild für viele Frauen geworden ist. 

Wir treffen Martina Voss-Tecklenburg sichtlich erholt und gut gelaunt in einem Café auf dem Straelener Markt. Sie bestellt einen Latte Macchiato, während die Glocken der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul die nächste Stunde einläuten. Für uns halten die kommenden 60 Minuten eine informative Plauderei bereit, die geprägt ist von menschlicher Wärme, erfrischender Unverklemmtheit und einer klaren Haltung zum Leben.

Martina Voss-Tecklenburg erzählt von ihrer Kindheit in einer typischen Duisburger Arbeiterfamilie: „Mein Vater hat bei Thyssen in Wechselschicht gearbeitet und sich dazu noch etwas in einer Gärtnerei verdient. Und Mama hat neben der Erziehung noch in einem Kindergarten geputzt. Die beiden waren wirklich sehr fleißig. Alles war organisiert, und es gab feste Regeln für mich und meine vier Geschwister. Aber wir sind auch schon mal ausgebrochen“, schmunzelt Martina Voss-Tecklenburg und erzählt vom Bolzplatz ganz in der Nähe ihres Elternhauses, der auf die damals Fünfjährige einen großen Reiz ausgeübt hat. „Zusammen mit meinem Zwillingsbruder bin ich dort über den Zaun geklettert, um mit den Nachbarskindern Fußball zu spielen. Vor allem meine Mutter durfte davon nichts mitbekommen. Sie sagte immer: „Das ist nichts für Dich, Du bist zu zart und zu klein.“ Also habe ich erst einmal Tischtennis, Handball und Leichtathletik ausprobiert – alles übrigens mit sehr gutem Erfolg, denn ich war schon immer Sportlerin durch und durch.“ Zum Fußball kam Martina Voss-Tecklenburg durch ihren Sportlehrer am Max-Planck-Gymnasium in Meiderich, der ihr Talent erkannt hatte und sie fördern wollte. Heute muss sie grinsen, wenn sie an diese Zeit denkt: „Mit 15 Jahren bin ich heimlich zum Probetraining beim KBC Duisburg gegangen. Es fand in einer kleinen Halle statt, wo man nur Drei gegen Drei spielen konnte.“ Ganz schnell erkannten die dortigen Trainer das Potenzial des Teenagers, während Martina selbst überhaupt nicht einordnen konnte, wo der Frauenfußball im Deutschland der achtziger Jahre stand. „Dass mein Verein darüber hinaus einer der besten Clubs in punkto Mädchen-Förderung im Fußball war, wurde mir erst nach und nach bewusst“, gibt die Nationaltrainerin heute zu. Schon bald machte sie ihr erstes Spiel, und im Mai 1983 wurde die damals 15-Jährige mit der Mannschaft DFB-Pokalsieger – übrigens der erste und einzige Pokalsieg in der Vereinsgeschichte.

»Vertrauen schenken und an die eigene Verantwortung appellieren«


Wenn sie von ihrer Kindheit und Jugend erzählt, wird deutlich, dass die junge Martina immer schon ehrgeizig war. Jungen Frauen, die nicht so recht an sich glauben, rät die Bundestrainerin, die häufig Vorträge zu Themen wie Führungskompetenz und Motivation gibt: „Es ist wichtig, ein Ziel zu haben. Wenn ich herausgefunden habe, was meine Leidenschaft ist, dann kann ich alles schaffen. Und wenn man es nicht selbst schafft, ist es gut, sich Vorbilder zu suchen. Das kann zum Beispiel eine starke Persönlichkeit im Unternehmen sein, in dem man arbeitet oder auch ein externer Coach. Wichtig ist, dass diese Person nichts bewertet, sondern einen dazu bringt, eigene Lösungen zu finden. Dadurch bleibt man bei sich und traut sich mehr zu.“ Ihren eigenen Führungsstil beschreibt die Bundestrainerin so: „Ich versuche, authentisch, offen und ehrlich mit Menschen umzugehen, auch wenn es mal unbequem ist. Ich schenke ihnen viel Vertrauen und gebe Unterstützung, appelliere aber auch an ihre eigene Verantwortung.“

Der Diskurs wird immer mal wieder durch vorbeikommende Straelener unterbrochen, die freundlich grüßen und dann weitergehen. Keine Spur von Hype um die bekannte Nationaltrainerin, sondern niederrheinisches Understatement: Man freut sich, die Prominente zu kennen, lässt ihr aber den notwendigen, persönlichen Freiraum. Den genießt Martina Voss-Tecklenburg, so oft sie kann, zusammen mit ihrem Mann, ihrer Tochter, ihren Geschwistern und Eltern – allerdings nach einem festen Zeitplan, denn von 365 Tagen im Jahr ist Martina Voss-Tecklenburg rund 120 Tage gar nicht zu Hause. Dem Ehepaar helfen da liebgewonnene Rituale. Dazu zählen das morgendliche Schwimmen im eigenen Pool mit Gegenstromanlage, der Sonntagskrimi im Ersten und intensive Gespräche am großen Tisch auf der heimischen Terrasse, zum Beispiel über Bücher, die beide gelesen haben. Beide fahren auch regelmäßig Fahrrad (natürlich ohne Motor-Unterstützung) und besuchen Straelener Restaurants. Absolute Lieblingsspeisen von Martina Voss-Tecklenburg sind, und das gibt sie nur hinter vorgehaltener Hand zu, „weil es doch ein bisschen dekadent ist“: Hummer und Langusten. Sie schiebt aber hinterher: „Ich liebe aber auch Scampis mit Blattspinat und kann mich über ein Nutella-Brötchen freuen.“ Richtig „essen gelernt“ habe sie übrigens, als sie als 16-Jährige in die Nationalmannschaft kam. „Bis dahin war ich echt pingelig, so nach dem Motto ,Kenn ich nicht; ess ich nicht.‘ Aber dann habe ich gelernt, gutes Essen zu schätzen.“

»Samstags ist unser Kinotag«

Neben Sport, Krimis, Lesen, leckerem Essen und Gesprächen auf Augenhöhe haben Martina Voss-Tecklenburg und ihr Mann noch eine gemeinsame Leidenschaft: das Kino. „Samstags ist unser Kinotag, wenn nichts dazwischenkommt“, erzählt Martina Voss-Tecklenburg und ergänzt: „Wir besuchen dann die Kempener Lichtspiele, das Filmforum Duisburg oder das VIP-Kino in Mülheim. Die haben dort riesige Loveseats, und man kann sich auch bedienen lassen. Herrlich!“

Eine weitere große Liebe des Ehepaares ist der Zirkus: Egal, ob traditionell oder modern wie Flic Flac oder Roncalli. „In Hamburg haben wir kürzlich die Show ,Paramour‘ des Cirque du Soleil erlebt – eine tolle Mischung aus Zirkus und Musical. Das hat uns sehr gefallen“, schwämt Martina Voss-Tecklenburg und fügt hinzu: „Wir besuchen auch Musicals, das Klassikfestival in Venlo oder die Operngala in Duisburg. Dabei fasziniert uns immer wieder, wie ein Orchester funktioniert, denn es gibt Synergien zu unseren Berufen als Firmenchef und Nationaltrainerin. In allen Fällen musst Du quasi als Dirigent Deine Mannschaft zusammenhalten und zum bestmöglichen Ergebnis führen.“ A propos Lieblingsmusik: Martina Voss-Tecklenburg mag die deutschen Singer/Songwriter wie Andreas Bourani, Philipp Poisel und Tim Bendzko, aber auch Ed Sheeran. „Ich habe es gerne ein bisschen ruhiger, melancholischer. Und werthaltige Texte sind mir wichtig“, betont sie.

»Glück ist für mich, wenn es den Menschen, die ich liebe, gut geht.«


Martina Voss-Tecklenburg ist auch eine Frau, die „Werthaltiges“ zu sagen hat. Man könnte stundenlang mit ihr über das philosophieren, was wir in unserem Gespräch nur kurz anschneiden konnten: die gerade außerhalb des privilegierten Mitteleuropas notwendige Stärkung Frauen, Vorurteile gegenüber dem Frauenfußball, alleinerziehende Mütter, die ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier „Alphatiere“ mit einem Altersunterschied von 20 Jahren, Disziplin und Gelassenheit und die Frage nach dem Glück. „Ich bin glücklich, wenn es den Menschen, die ich liebe und die mir wichtig sind, gut geht. Ich habe eine tolle Familie, eine tolle Tochter und eine tolle Ehe. Wenn man dann noch das Privileg hat, beruflich das tun zu können, was man liebt, dann sollte man auch andere an seinem Glück teilhaben lassen. Ich habe ein Patenkind auf den Philippinen, unterstütze ein Kinderhospiz in Düsseldorf, ein Jugendheim vom DRK in Meiderich und hier in Straelen die Karunai-Kinderhilfe, die indischen Mädchen Zugang zu Bildung ermöglicht. Als wir geheiratet haben, haben Hermann und ich statt Geschenken für dieses Projekt gesammelt.“ Glücklich ist Martina Voss-Tecklenburg auch mit dem Verlauf ihres Lebens, das Außenstehende vielleicht als turbulent bezeichnen würden, worauf sie aber gelassen kontert: „Ich betrachte es nicht als turbulent, sondern als sehr solide, wenn vielleicht auch etwas speziell.“

Heiratsantrag mit Kuli auf  dem Oberarm


Speziell war übrigens auch der Heiratsantrag, den Hermann Tecklenburg seiner Auserwählten bereits nach dem ersten Date im Jahr 2003 gemacht hat. Vorausgegangen war das Pokalfinale ihres FCR 2001 Duisburg gegen Frankfurt – das letzte Spiel in der aktiven Karriere von Martina Voss. Schlimmerweise „bescherte“ sie ihrer Mannschaft als „Abschiedsgeschenk“ in der 89. Minute ein Kopfballeigentor, so dass Duisburg verlor. Das mutige Auftreten und die Rede seiner Zukünftigen beim anschließenden Bankett hatten Hermann Tecklenburg, der als Sponsor zu Gast war, so beeindruckt, dass er sie für eine Woche später zum Essen einlud. „Vier Wochen später habe ich mit Kugelschreiber auf ihren Oberarm geschrieben: ,Ich werde Dich heiraten.‘ Der Antrag kam dann übrigens sieben Jahre später von ihr“, schmunzelt der Unternehmer, den Martina Voss-Tecklenburg zunächst als Mäzen im Frauenfußball kennengelernt hat. „Für mich als Spielführerin meiner Duisburger Mannschaft war er damals nur ,der Millionär mit dem  Porsche‘“, lacht sie heute. Dass hinter der Fassade dieser beiden Menschen viel mehr steckt als Geld, Glamour und Erfolg, wissen wir spätestens jetzt.

Text: Petra Verhasselt | Bilder: Michael Ricks | NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2019

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