Text : Axel Küppers | Bilder: Axel Küpers, NBTC, Rietveld-Schröder-Haus (Sammlung Centraal Museum) / NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2019
Wir schreiben das Bauhausjahr 2019. In den Niederlanden heißt Bauhaus „De Stijl“. Nirgends kann man die holländische Variante besser nachempfinden als an der Prins Hendriklaan 50 in Utrecht. Dort steht ein bis heute avantgardistisch wirkendes Wohnhaus. Der Möbeldesigner Gerrit Rietveld hat es 1924 entworfen und ab 1957 und mit seiner Muse Truus Schröder bewohnt. Die aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammende Truus Schröder wohnt von 1925 bis zu ihrem Tod im Jahr 1985 in dem kubischen Bauhaus mit der charakteristischen weiß-grauen Putzfassade, die nur vereinzelt Farbelemente in Rot, Blau und Gelb zulässt. Das kleine Haus im Osten der Stadt – damals noch mit Ausblick auf die Polderlandschaft – gilt als architektonischer Höhepunkt von „De Stijl“ – eine Ikone des Bauhaus. Rietveld hat später sein Atelier im Erdgeschoss des Hauses. Er lebt dort bis zu seinem Tod 1964. Das Rietveld-Schröder-Haus steht seit 1976 unter Denkmalschutz und seit 2000 auf der UNESCO-Liste des Welterbes.
Das Rietveld-Schröder-Haus wäre undenkbar gewesen ohne die Liaison von Bauherrin und Architekt. Die aus einem katholischen Elternhaus stammende Truus Schröder-Schräder gilt als eine der ersten Freidenkerinnen ihrer Zeit. Nach dem Tode ihres Ehemannes, dem Rechtsanwalt Frits Schröder, will sie aus dem bürgerlichen Ambiente raus. Das Haus entstauben, vom Muff befreien, Luft und Licht reinlassen, Ideen Raum geben. Und findet in Rietveld einen Kreativen, der ihren Phantasien einen Ausdruck gibt. Aus einer Art Urgewalt des Handwerks und ohne akademische Ausbildung geht der Möbeldesigner an die Entwürfe, die er erst später – wenn überhaupt - in Zeichnungen fasst. Aber immer konsequent umsetzt. Als Mitglied von „De Stijl“ kann Rietveld sich in dem Auftrag verwirklichen und den universellen Stil umsetzen: klar, nüchtern, ohne überflüssige Elemente.
Typisch Rietveld: Es gibt gerade mal drei Skizzen vom Hausentwurf. Der Rietveld-Stuhl in Rot und Blau – reduziert, zackig und für die meisten Popos unbequem – spielt im Mobiliar an der Prins Hendriklaan 50 natürlich eine zentrale Rolle. Aber Rietveld ist alles andere als selbstverliebt in seine Entwürfe. Ihm ist wichtig, dass seine Möbel maschinell zu fertigen sind, was seinem sozialen Engagement entspricht: die Massenproduktion soll geringere Preise garantieren, so dass sich auch ein Handwerker einen Stuhl oder ein Bett aus der Werkstatt des Meisters leisten kann. Da das Haus mit seinen riesigen Fensterflächen und den großflächigen glatten Fassadenteilen gegenüber der Nachbarbebauung im eher kleinzeiligen Charakter heraussticht und atypisch für ganz Utrecht ist, muss Rietveld gegenüber den Baubehörden eine Menge Überredungskunst anwenden. Bis es zur Realisierung des Wunschhauses einer emanzipierten Frau am Ende der Straße zum Polder hin kommt, ist es ein steiniger Weg. Die Zeit scheint noch nicht reif für moderne Hausbauer.