Ein Japaner in Rheurdt
Text: Sabine Hannemann | NiederRhein Edition 01/2012 | Bilder: Andreas Schomaker / Nobutaka Shimizu
Biobrot in Tokio und Yokohama: Nobutaka Shimizu betreibt im fernen Japan eine Biobäckerei. Das spezielle Wissen um das Handwerk erlernte er am Niederrhein, bei Biobäcker Andreas Schomaker in Rheurdt.
Touristen, die der Stadtbummel über die Straßen Tokios oder Yokohamas führt, werden sich verwundert die Augen reiben. Eine kleine Bäckerei mit deutschen Backwaren reiht sich mühelos in die Häuserzeile. Nichts Besonderes – könnte man im Zeichen der Globalisierung meinen. „Biobäckerei Schomaker“ ist in deutschen Schriftzügen über dem kleinen Geschäft zu lesen, wie auch das bekannte Qualitätsschild „Demeter“. Das wiederum macht neugierig. Der Japaner Nobutaka Shimizu kennt solche Augenblicke nur zu gut, und gerne erzählt er seine Geschichte. Die Spurensuche führt dann von Japan ins kleine Rheurdt, zu Biobäcker Andreas Schomaker. Dorthin, wo Nobutaka Shimizu die Geheimnisse der Biobäckerei von der Pike auf erlernte.
Nobutaka backt nach deutschen Rezepturen und spricht dazu noch ein perfektes Deutsch. Sehr zur Freude der Deutschen, die in Tokio und Yokohama leben, bei ihm einkaufen und dann an der Ladentheke fachsimpeln. Mit deutschen Brotsorten kennt sich Nobutaka Shimizu bestens aus. Während seiner regelmäßigen Besuche am Niederrhein erfährt er bei den Verkostungen mit Konditor- und Bäckermeister Andreas Schomaker, dem Herrn der Biobrote, die neuesten Trends der Zunft. Als Mitte der 80er Jahre Schomaker in Rheurdt begann, vom traditionellen Familienbetrieb auf reinen Biobetrieb umzustellen, betrat er bewusst Neuland. In den Anfangsjahren stieß er auf wenig Verständnis und musste sich oftmals als Körnerpicker bezeichnen lassen. Heute sind seine Biobackwaren buchstäblich in aller Munde und in Naturkostläden, auf Wochenmärkten wie in den Filialbetrieben erhältlich. Nicht von ungefähr wurde Andreas Schomaker 2007 als Landessieger der Kampagne „Mutmacher der Nation“ ausgezeichnet. Sein mutiges Japan-Projekt mit Nobutaka ist nur ein Beispiel dafür.
Artikel über Biobäcker sorgte für erste Kontakte
Nobutaka Shimizu studierte zunächst an der Universität Tokio Lebensmittelwissenschaften. Mit Studienkollegen beschloss er, sich die Grundlagen der deutschen Sprache anzueignen. „Einfach, um sich auch von anderen abzuheben“, weiß Andreas Schomaker. Zur deutschen Sprache kam das bodenständige Handwerk. Drei Jahre lang lernte Nobutaka nach der Studienzeit in einer deutschen Bäckerei in Tokio die praktische Seite des Backhandwerks kennen. Kollege Zufall spielte Nobutaka in die Hände. Ein deutschsprachiges Buch über Biobäckereien hatte ein Schweizer Verlag für den japanischen Markt übersetzt. Beim Blättern stieß Nobutaka auf einen Artikel über Andreas Schomaker.
Kulturaustausch am Backofen
Klein ist die Welt, denn schon bald stand der Handelskontakt Japan-Deutschland und der Kulturaustausch am Backofen lief zur Höchstform auf. „Deutschland hat mir schon immer gefallen“, meint der heute 32-Jährige, der sich damals neugierig auf Wanderschaft begab. Über ein weltweit arbeitendes Unternehmen, das auf Weiterbildung, Austauschprogramme und Praktika spezialisiert ist, wurde der Deutschlandaufenthalt organisiert. Rund acht Monate verlebte Nobutaka 2004 in Rheurdt, erlernte neue Rezepturen und Techniken, beispielsweise, wie Brot noch saftiger wird. Andreas Schomaker prüfte beim japanischen Kollegen das Biogedankengut auf Herz und Nieren, bevor beide vertragseinig wurden.
Lizenz zum Backen
Die Lizenz zum Brotbacken und den Namen „Schomaker“ im fernen Japan zu führen, erhielt Nobutaka kostenfrei. Dazu gehört auch das geschäftliche Outfit. Er, wie seine Angestellten, tragen mit Stolz das Schomaker-Polo-Shirt. Der 32-Jährige ist, wenn man so will, eher Partner als Franchisenehmer von Andreas Schomaker. Und der sieht darin eine absolut gelungene Werbung für Biobackwaren. Sozusagen eine Win-Win-Situation oder einfachein perfektes Geben und Nehmen auf Augenhöhe.
Alle zwei Jahre am Niederrhein
Alle zwei Jahre besucht Nobutaka Shimizu den Niederrhein und nimmt neue Rezepturen mit, um sich auf dem japanischen Markt zu behaupten. Er informiert sich nicht nur über neue Ideen und Trends in der deutschen Backbranche. Interessiert ist er an neuen Marketingstrategien inklusive Plakat- und Dekomaterial. Der japanische Geschmack Probleme bereiten ihm die kulinarischen Vorlieben seiner Landsleute. „Sie lieben weiches und süßes Brot, das eher nach Stuten schmeckt“, erzählt Nobutaka. „Deutsches Brot ist härter in der Konsistenz und einfach sehr gesund.“ Japanisieren lassen will er seine Bioprodukte nicht. Gebacken wird in Japan Bio-Brot nach deutschen Rezepturen. Kollege Andreas Schomaker hilft auf seine Weise. Rheurdter Schwarzbrot ist Spezialität in Japan. Als Spezialität gilt in Japan beispielsweise das Rheurdter Schwarzbrot, das per Schiff importiert wird. 100 Kilo im Jahr, so die stolze Verkaufsbilanz. „In Tokio und Yokohama leben viele Deutsche. Über deutsches Brot freuen sie sich sehr“, erzählt Nobutaka Shimizu. Dass aufgrund der langen Transportwege 500 Gramm dann umgerechnet zwölf Euro kosten, stört wenig. Brot nach deutschen Rezepturen ist in Japan ein Renner, wie Nobutaka erzählt. Zu seinem Kundenstamm gehören unter anderem auch die Deutsche Botschaft und das Shangri-La Hotel, eine Adresse der Spitzenklasse in Tokio. „Ein Frühstück kostet dort umgerechnet locker 30 Euro“, wie Schomaker von seinen Besuchen weiß. Schnell wird klar, Japan ist nicht Deutschland, eine Bäckerausbildung wie in Deutschland gibt es nicht, und das Frühstück ist nicht vergleichbar, wie Schomaker erzählt. „Fisch am Morgen oder Reissuppe, das ist nicht jedermanns Sache“, meint der Rheurdter.
Bewährte Zutaten
Kleine Brötchen backt Nobutaka schon lange nicht mehr, sondern ist mit zwei Betriebsstandorten gut aufgestellt. Wenn er in seiner kleinen, beengten Backstube steht – Geschäfts- und Betriebsflächen kosten aufgrund der begrenzten Flächen ein Vermögen – verwendet er Dinkelmehl aus Australien, Roggenmehl aus Deutschland und heimisches Weizenmehl. Der Anbau von Biogetreide in Japan ist jedoch minimal. „Wir haben nur ein bisschen Bioanbau und erreichen nicht die Qualität wie in Deutschland“, erzählt der 32-Jährige. Zutaten wie Kürbiskerne sind teuer. Ein Kilo Kürbiskerne kostet, weil importiert, rund 20 Euro. Ein genossenschaftliches Einkaufssystem gibt es in Japan nicht.
Das Leben nach Fukushima
Angst bereiteten ihm wie seinen Landsleuten die ständigen Erdbeben und die noch unabsehbaren Folgen der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Zunehmend Sorge macht er sich über verstrahlte Lebensmittel, über verstrahlte heimische Backzutaten. Kunden wollen Sicherheit, kaufen oder bestellen online überwiegend deutsches Brot, das aufgrund eingeführter Backzutaten als unbelastet gilt. Japan ist zudem im Umbruch, erlebt aktuell Umsiedlungen, die Wirtschaft ist im Krisenzustand. Das alltägliche Leben und der Aufenthalt an der frischen Luft richten sich beispielsweise danach, „woher gerade der Wind kommt. Das belastete Trinkwasser wird bei uns immer mehr ein Problem“, erzählt der Familienvater Nobutaka. „Wir backen daher mit importiertem Mineralwasseraus Deutschland.“
Infos über die Biobäckerei Schomaker auch unter
www.biobaeckerei-schomaker.de