Ein Niederrheiner in Paris – Günther Zins

Text: Markus Kaminski | Bilder: Markus Kaminski, Günther Zins | NiederRhein Edition, Ausgabe 2007

Günther Zins hat sich eine Auszeit genommen. Auf Einladung des Vereins Düsseldorfer Künstler verlegte der bekannte niederrheinische Bildhauer seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt nach Paris. In der Cité Internationale des Arts, wo er im Mai und Juni mit seiner Frau Isa untergebracht war, hat der Künstler an neuen Projekten gearbeitet. Entstanden sind dort Werke, die man so vielleicht nicht erwartet hätte. Für die NiederRhein Edition besuchte Markus Kaminski den Klever in der französischen Hauptstadt.

Günther Zins nutzt gern den Nebeneingang der Cité des Arts. Er liegt etwas versteckt in der Rue Geoffrey L’Asnier. Das Ufer der Seine ist von hier aus nur ein paar Schritte weiter entfernt, als wenn man das imposante Gebäude durch das Hauptportal verlassen würde. Dafür ist es hier vergleichsweise still. Man hat noch ein paar Meter Ruhe, bevor man an den großen Boulevard stößt, auf dem sich die Pariser mit ihren Motorrollern und Autos von morgens bis abends in Richtung Bercy schieben.

Wenn der Künstler aus dem niederrheinischen Kleve die schwere dunkelgrüne Holztür in der kleinen Gasse hinter sich zugezogen hat, folgt er nicht dem Strom der Massen in die aufgeräumte Vorstadt. Meist schlendert er durch die verwinkelten Straßen des Viertels Marais. Den nicht gerade charmanten Namen trägt das Viertel heute zu Unrecht. Übersetzt bedeutet Marais soviel wie Morast, der Name erinnert an den Ursprung: Mönche des Tempelordens hatten im 13. Jahrhundert die Sumpflandschaft am Rande von Paris trockengelegt. Heute gehört die Gegend freilich zum Kern der französischen Hauptstadt. Das Viertel hat für die Augen des Künstlers viel zu bieten: Es hat vor allem die Modernisierungswut des Pariser Stadtplaners Georges-Eugègene Haussmann im 19. Jahrhundert fast unbeschadet überstanden.

Die Kamera ist Günther Zins ständiger Wegbegleiter


Zins, der die Welt wie die Kunst als Raum definiert, ist von der Ursprünglichkeit des Viertels begeistert. Immer wieder entdeckt er auf seinen Spaziergängen klare architektonische Formen aus verschiedenen Jahrhunderten der französischen Baukunst. Er fotografiert die Häuser, das Leben in den Straßen davor. Zins sucht das Besondere im Alltäglichen. 1200 Bilder sind so seit seiner Ankunft im Mai entstanden. „In den ersten Wochen bin ich hier ganz enthusiastisch herumgelaufen. Vier Stunden jeden Tag. Ich habe meine persönliche Topografie von Paris erarbeitet.“ Dabei hat er den Lebensraum der Pariser im Bild festgehalten: den Laden des koscheren Fleischers, das entspannte Treiben auf dem Place des Vosges oder die Abendstimmung über der Ile de la Cité, wo die Touristen Notre Dame bewundern.

Die Kamera ist sein ständiger Wegbegleiter. Wie schon vor drei Jahren, als der Verein Düsseldorfer Künstler ihn erstmals zum Aufenthalt in Paris eingeladen hatte. Der Verein besitzt drei der insgesamt 300 Atelier-Wohnungen in dem 1965 eröffneten Komplex der Cité Internationale des Arts. An diesen ersten Aufenthalt denkt Zins mit gemischten Gefühlen zurück. Denn geblieben ist ihm davon nicht mehr als die Erinnerung: Auf der Heimreise brachen Diebe sein Auto auf und klauten alles, woran der Künstler in den zwei Monaten zuvor gearbeitet hatte – Skizzen, Zeichnungen, Fotos. „Das hat schon eine innere Leere hinterlassen. Auch deshalb, weil so viele persönliche Gegenstände gestohlen wurden“, sagt er nachdenklich. Daher hat er sich nicht leicht gemacht, als die Düsseldorfer Künstler ihm erneut das Angebot unterbreitet haben, für zwei Monate nach Paris zu fahren.

»Damit Neues entstehen kann, ist es gut, wenn man aus der gewohnten Umgebung herauskommt und  eine neue Sicht auf die Dinge«


Überwogen haben dann doch wohl die vielen positiven Eindrücke vom letzten Aufenthalt. „Die Atmosphäre in der Cité des Arts ist schon toll. An jeder Ecke pulsiert hier das Leben. Man trifft Künstler aus der ganzen Welt, tauscht sich aus, schließt neue Freundschaften, bekommt neue Impulse.“ Genau deshalb ist er hier. Um mal für zwei Monate die Kopfweiden aus dem Kopf zu bekommen, dem Trott zu entfliehen. Nicht, dass Zins seine niederrheinische Heimat nicht lieben würde. Damit Neues entstehen kann, sagt er, ist es gut, wenn man aus der gewohnten Umgebung herauskommt, eine neue Sicht auf die Dinge kriegt.

Das klappt in Paris auch deshalb gut, weil es dem studierten Maler die räumlichen Gegebenheiten in der Cité unmöglich machen, mit seinen bevorzugten Materialien zu arbeiten. Der Klever, dessen lineare Plastiken aus Edelstahl in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen in Europa zu finden sind, kann hier weder flexen noch schweißen. Das Atelier, dem der Vorstand des Düsseldorfer Vereins in Erinnerung an den großen Künstler der Stadt den klangvollen Namen „Wilhelm von Schadow“ verpasst hat - und in dem Zins für die zwei Monate wohnt und arbeitet, liegt nämlich in einem alten, etwas schiefen Wohnhaus. Das hatten die Betreiber der Cité nach der Eröffnung des Hauptgebäudes angekauft.  

Der Weg hoch zu diesem Apartment führt durch ein bröckeliges, aber frisch geputztes Treppenhaus. Über ausgetretene Stufen steuert man vorbei an papierdünnen Holztüren, hinter denen offensichtlich gearbeitet wird. Im zweiten Stock wütet sich ein Pianist aus Japan durch die Partituren, unterm Dach, direkt neben dem Atelier von Zins, übt russischer Flötist. „Urig, oder?“

Gleiches könnte man wohl auch über den Charme des Ateliers mit dem berühmten Namen sagen. „Es hat vielleicht eher etwas was von Carl Spitzweg“, sagt Isa Zins. Sie schmunzelt bei der Vorstellung an dessen Bild vom armen Poeten. Eigentlich heißt die herzliche Frau Elisabeth, aber so haben sie nicht einmal ihre Eltern gerufen. Für Isa war von Anfang an klar, dass sie ihren Mann auch bei der zweiten Reise in die Cité begleiten würde. Sie unterstützt ihn, hält ihm den Rücken frei. So hat Günther Zins Luft für neue Projekte.

Neben der Fotografie hat er sich in Paris vor allem mit der Malerei beschäftigt. Ein Metier, in dem sich Zins schon viele Jahre nicht mehr intensiv bewegt hat. Entstanden sind in den ersten sechs Wochen in Paris über 100 Aquarelle, die zeigen, dass der Künstler sich und seinem Konzept auch auf einem zweidimensionalen Medium treu bleibt. Der Skulpteur hat Farbräume erarbeitet. Kontrastreiche Gouache-Bilder, in denen „durch Linien geschichtete Räume entstehen“. Andere Werke zeigen den Würfel, der mit dicker schwarzer Farbe feine Aquarellflächen verdeckt und der im Gesamtwerk von Zins eine entscheidende Rolle einnimmt. „Der Würfel ist eine geniale Grundform. Wenn man so will, ist das die höchste Form eines elementaren Raums, reduziert auf das Wesentliche“, sagt Zins.

Fest steht schon jetzt, dass die Auszeit fruchtbar war. Die Malerei wird der Bildhauer Günther Zins auch in der niederrheinischen Heimat fortsetzen. Dann will er die peniblen Entwürfe aus Paris großformatig aufziehen. Deshalb freut er sich schon ein wenig auf zu Hause. Und weil das Leben in einer Metropole einem Niederrheiner bisweilen hektisch vorkommen kann. Das heißt nicht, dass Paris nicht schön wäre. Aber es ist für den unaufgeregten und besonnenen Künstler vielleicht etwas zu laut. Zumindest wenn man für längere Zeit dort lebt.

Günther Zins wurde 1951 im hessischen Butzbach geboren. Aufgewachsen ist er in Kleve. Ab 1970 studierte Freie Malerei an der Kölner Fachhochschule für Kunst und Gestaltung. Seine Abschlussarbeit hat er noch in der Ölmalerei gemacht, danach arbeitete er räumlich. Kontinuierlich hat er sich zur Bildhauerei bewegt. Raum und Linien sind in seiner Arbeit von elementarer Bedeutung. Heute arbeitet Günther Zins (56) hauptsächlich mit Edelstahl. Viele seiner linearen Plastiken findet man im öffentlichen Raum. Sie sind über ganz Deutschland verteilt. Ausgestellt hat er auch in vielen Ländern Europas. 2002 wurde er sogar zur Biennale nach Busan in Südkorea eingeladen. Dort stellte er im Skulpturenpark sein Werk R-Ri-Ring auf, das die Entstehung eines Rings zeigt.

www.guentherzins.de

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