Günther Zins nutzt gern den Nebeneingang der Cité des Arts. Er liegt etwas versteckt in der Rue Geoffrey L’Asnier. Das Ufer der Seine ist von hier aus nur ein paar Schritte weiter entfernt, als wenn man das imposante Gebäude durch das Hauptportal verlassen würde. Dafür ist es hier vergleichsweise still. Man hat noch ein paar Meter Ruhe, bevor man an den großen Boulevard stößt, auf dem sich die Pariser mit ihren Motorrollern und Autos von morgens bis abends in Richtung Bercy schieben.
Wenn der Künstler aus dem niederrheinischen Kleve die schwere dunkelgrüne Holztür in der kleinen Gasse hinter sich zugezogen hat, folgt er nicht dem Strom der Massen in die aufgeräumte Vorstadt. Meist schlendert er durch die verwinkelten Straßen des Viertels Marais. Den nicht gerade charmanten Namen trägt das Viertel heute zu Unrecht. Übersetzt bedeutet Marais soviel wie Morast, der Name erinnert an den Ursprung: Mönche des Tempelordens hatten im 13. Jahrhundert die Sumpflandschaft am Rande von Paris trockengelegt. Heute gehört die Gegend freilich zum Kern der französischen Hauptstadt. Das Viertel hat für die Augen des Künstlers viel zu bieten: Es hat vor allem die Modernisierungswut des Pariser Stadtplaners Georges-Eugègene Haussmann im 19. Jahrhundert fast unbeschadet überstanden.
Die Kamera ist Günther Zins ständiger Wegbegleiter
Zins, der die Welt wie die Kunst als Raum definiert, ist von der Ursprünglichkeit des Viertels begeistert. Immer wieder entdeckt er auf seinen Spaziergängen klare architektonische Formen aus verschiedenen Jahrhunderten der französischen Baukunst. Er fotografiert die Häuser, das Leben in den Straßen davor. Zins sucht das Besondere im Alltäglichen. 1200 Bilder sind so seit seiner Ankunft im Mai entstanden. „In den ersten Wochen bin ich hier ganz enthusiastisch herumgelaufen. Vier Stunden jeden Tag. Ich habe meine persönliche Topografie von Paris erarbeitet.“ Dabei hat er den Lebensraum der Pariser im Bild festgehalten: den Laden des koscheren Fleischers, das entspannte Treiben auf dem Place des Vosges oder die Abendstimmung über der Ile de la Cité, wo die Touristen Notre Dame bewundern.
Die Kamera ist sein ständiger Wegbegleiter. Wie schon vor drei Jahren, als der Verein Düsseldorfer Künstler ihn erstmals zum Aufenthalt in Paris eingeladen hatte. Der Verein besitzt drei der insgesamt 300 Atelier-Wohnungen in dem 1965 eröffneten Komplex der Cité Internationale des Arts. An diesen ersten Aufenthalt denkt Zins mit gemischten Gefühlen zurück. Denn geblieben ist ihm davon nicht mehr als die Erinnerung: Auf der Heimreise brachen Diebe sein Auto auf und klauten alles, woran der Künstler in den zwei Monaten zuvor gearbeitet hatte – Skizzen, Zeichnungen, Fotos. „Das hat schon eine innere Leere hinterlassen. Auch deshalb, weil so viele persönliche Gegenstände gestohlen wurden“, sagt er nachdenklich. Daher hat er sich nicht leicht gemacht, als die Düsseldorfer Künstler ihm erneut das Angebot unterbreitet haben, für zwei Monate nach Paris zu fahren.