Im Garten der Gestalter

Die Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort bekommt ihren besonderen Charme durch die Menschen, die sie gestalten. Zwei Charaktere, die der noch bis zum 25. Oktober 2020 laufenden Leistungsschau – kurz LaGa – auf dem ehemaligen Zechengelände der Schachtanlage Friedrich-Heinrich ihren Stempel aufdrücken, sind Torsten Stückert und David Messing. Beide sind Meister ihres Handwerks. Hier der erfahrene Friedhofsgärtner, dort der noch junge Steinmetz und Bildhauer, der erstmals sein Können vor derartiger Kulisse präsentiert.

Zwei Meister ihres Fachs: Friedhofsgärtner Torsten Stückert (links) und Steinmetz David Messing begegnen sich auf der Landesgartenschau in Kamp-Lintfort. Foto: Axel Küppers

Stückert (46) und Messing (22) trennen 25 Jahre Lebenserfahrung. Was sie verbindet, ist die Liebe zum Detail und das Maß der Durchdringung, mit der sie Tiefe und Qualität in ihre Arbeit bringen. Eine Begegnung mit zwei ganz eigenen Köpfen.

„Es lebe der Friedhof“, ruft Torsten Stückert jedem Besucher fröhlich zu, der ihn auf der Parzelle 12 der LaGa besucht. Dort geht es um Grabbepflanzung und Grabmale. Stückert hat hier das eine oder andere Grab selbst bepflanzt, steht aber auch mit den anderen Friedhofsgärtnern im Austausch, um auch deren Idee eines attraktiven und nachhaltig bepflanzten Grabs zu kommunizieren. Keine Frage, der Neukirchen-Vluyner kennt sich aus. Seit 22 Jahren selbstständig und mit Personalverantwortung über ein sechsköpfiges Team inklusive Azubi, betreut der Gärtner rund 900 Gräber in Neukirchen-Vluyn und Umgebung. Zwei Dutzend Friedhöfe am Niederrhein sind sein zweites Zuhause.

Klar, dass die LaGa ihn magisch anzieht und es für ihn selbstverständlich ist, dass er hier Flagge zeigt. „Das ist wie eine Fortbildungsmaßnahme für mich.“ Seit fast 20 Jahren bringt sich Torsten Stückert bei vergleichbaren Leistungsschauen ein. Hier kann er sein kreatives und handwerkliches Können unter Beweis stellen. Sich inspirieren lassen und weiterentwickeln. Sein erster Aufschlag war anno 2001 die Bundesgartenschau in Potsdam. Es folgten beispielsweise die Internationale Garten-Ausstellung in Rostock und die Bundesgartenschau 2005 in München. Fast immer verlässt der Neukirchen-Vluyner die Gestaltungsflächen mit Edelmetall im Reisekoffer. Gold holte er zuletzt noch 2019 auf der Bundesgartenschau in Heilbronn. Seine Art der Herangehensweise überzeugen die Jurys dieser grünen Welt. Doch es geht ihm weniger um Gold, Silber oder Bronze. Torsten Stückert sieht es sportlich und liebt den Kontakt zu den Besuchern, die ihm ein ehrliches Feedback seiner Arbeit geben. Aber auch der Austausch mit den Kollegen seiner Zunft ist ihm wichtig. „Man muss schon ein wenig verrückt sein, um an solchen Schauen regelmäßig teilzunehmen“, sagt er.

Betrachtet man mit Torsten Stückert zusammen die Grabflächen, die er in Kamp-Lintfort gestaltet hat, so fällt auf, dass er gärtnerische Akkuratesse mit kreativer Natürlichkeit verbindet. Auf der LaGa zeigt der 46-Jährige eine Urnengrabfläche sowie ein einstelliges und ein dreistelliges Wahlgrab. Alle drei Gräber dokumentieren seine Handschrift. Berg und Tal, Solitäre und dichter Bewuchs, Wasserläufe, aber auch lineare Strukturen wechseln sich ab. Anmut, gepflegte Wildheit und bewusst gebrochene Symmetrie kommen zum Ausdruck. Goldulme, Buchs, Riemenblüte, Euonymus und Knollenbegonien erkennt der bewanderte Hobbygärtner. Insgesamt ein Mix, der moderne Friedhofsgärten in Reinkultur zeigt. Das gefällt dem Auge des Betrachters. „Ich bin ein Ruhestätten-Oberflächendesigner“, sagt Torsten Stückert in seiner humorigen Art. Gerne gibt er zu, dass er stilistisch auch mal gegen den Strom schwimmt und Neues ausprobiert. „Ich bin halt ein Eigenbrötler.“

Dieses Prädikat nimmt auch David Messing für sich in Anspruch. Der Kempener hat in Kamp-Lintfort seinen ersten großen Aufschlag auf einer international beachteten Bühne. Das diese Bühne quasi vor der Haustür am Niederrhein liegt, kommt dem 22-Jährigen entgegen. Für die Parzelle 12, wo auch Torsten Stückert seine Grabgestaltungen präsentiert, hat David Messing einen Grabstein beigetragen. Steinmetz und Friedhofsgärtner wurden einander zugelost, so dass eine besondere Spannung in dieser Konfrontation zwischen dem harten Stein und der weichen Floralen entsteht. David Messing ist über dieses Zufallsprinzip mit dem Moerser Friedhofsgärtner Klaus Schittenhelm zusammen gekommen. Herausgekommen ist eine Symbiose. David Messing zeigt eine Stele in der Größe eines erwachsenen Menschen. Das Material ist Diabas, der aus einem hessischen Steinbruch stammt.  Der  Stein, hellgrau mit Tendenz ins Grünliche je nach Lichteinfall, wiegt vier Zentner. Die lebensgroße Säule ist ellipsenförmig angelegt, verjüngt sich nach oben hin. Die Gestaltung ist nicht figürlich, sondern abstrakt, ja archaisch.

Für einen so jungen Künstler ist sie erstaunlich reduziert und zeugt von einer Reife, die den Kenner verblüfft. Es handelt sich um das Gesellenstück von David Messing. Die Reife im Ausdruck stammt vielleicht vom dreimonatigen Aufenthalt in Carrara, wo David Messing sich im Rahmen eines Stipendiums künstlerisch ausleben konnte. Dennoch ist die ganz eigene Formensprache losgelöst von dieser sicherlich wichtigen Erfahrung in der italienischen Gegend, wo der weiße Marmor herkommt. Von der Toskana nach Kamp-Lintfort ist es gefühlt für den Bildhauer einen Steinwurf. „Ich bin eher für die klaren Formen“, sagt David Messing. Darauf angesprochen, was seine Stele symbolisiert, hat sich der Blondschopf für die Figur des Wächters entschieden. Tatsächlich lassen die geschwungenen Linien im oberen Drittel der Stele so etwas wie ein Gesicht erahnen. „Der Wächter hat alles im Blick und beobachtet das Umfeld“, so seine Interpretation. Sie passt zum Ensemble des Friedhofs, wo der Wächter die Totenruhe bewacht bzw. darauf Wert legt, dass kein Störenfried in diesen heiligen Ort der Ruhe und der Ewigkeit eindringt. Was könnte das Thema besser ausdrücken als dieser massive und doch filigrane Stein?!

David Messing, der heute im elterlichen Betrieb in Kempen arbeitet, hat seine Idee vom „Wächterstein“ zuvor en miniature in Ton herausgearbeitet. Erst dann hat er sich an den großen Stein gewagt. Sein Respekt vor dem überragenden Block ist zu spüren. Die Kunst, etwas so Hartes derart behutsam in die gewünschte Form zu bringen, ist beachtlich.  Der junge Mann hat nach Abitur und zweijähriger Lehre bei den Steinmetzwerkstätten Schwieren in Köln ein Jahr in Freiburg gelebt und dort seine Meisterschule absolviert. Momentan baut er seinen Betriebswirt auf der Schloss-Akademie Raesfeld im Münsterland. Im Handwerk des Steinmetz hat er den geradlinigen Weg im Dreiklang Azubi-Geselle-Meister beschritten. Die Messing-Stele markiert eine veritable Momentaufnahme eines modernen Kreativen der Generation YZ, auf dessen weitere Entwicklung sich die Kunstwelt freuen darf. Sein Stein für Kamp-Lintfort geht über das rein Handwerkliche hinaus. Die Stele strahlt die Persönlichkeit des Erschaffers aus und lässt frühe Meisterschaft erahnen. Mit dem Auftritt in Kamp-Lintfort hat David Messing einen Maßstab gesetzt, der von der LaGa-Jury beim Wettbewerb mit der Bronzemedaille ausgezeichnet worden ist. Schon jetzt hat David Messing die Zusage, dass er im kommenden Jahr auf der Bundesgartenschau in Erfurt erneut sein Können unter Beweis stellen darf. Als Material für Erfurt hat er sich für einen schwedischen Granit entschieden, dessen Formgebung ihm bei der Meisterschule in den Sinn gekommen ist. Vielleicht kommt auf einer der übernächsten Leistungs-schauen ja auch mal der Marmor aus Carrara zum Tragen …

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Der Zechenpark der Landesgartenschau Kamp-Lintfort

 

Das LaGa-Gelände  befindet sich östlich des Stadtkerns von Kamp-Lintfort und ist vom gleichnamigen Autobahnkreuz A57/A42 mit dem Auto in wenigen Minuten gut zu erreichen. Das Areal zwischen Niederrhein und Ruhrgebiet ist als moderner Stadtpark gestaltet. Es ist der grüne Kristallisationspunkt einer künftigen städtebaulichen Entwicklung und bietet auf ca. 25 Hektar Raum für Bewegung, Erholung und Aktivitäten. Die Quartierspromenade, die parallel zur Verkehrsachse Friedrich-Heinrich-Allee verläuft, führt vom zentralen Platz nach Norden und Süden. Als Ort der Begegnung beherbergt der Quartiersplatz auch die Bühne für zahlreiche Veranstaltungen – die wegen Corona teilweise ausfallen mussten. Wahrzeichen der Anlage ist der 70 Meter hohe Förderturm, der als Aussichtsturm genutzt wird, und das historische Stahlgerüst des kleinen Förderturms. Kamp-Lintfort war ein Jahrhundert lang vom Bergbau geprägt, bis das letzte Bergwerk Ende 2012 die Pforten geschlossen hat. Das Bewusstsein der Steinkohle-Tradition prägt die Landesgartenschau. Auf dem ehemaligen Bergwerksgelände, dem zentralen Ausstellungsgelände, entsteht nach der LaGa ein neuer Stadtteil mit Park und Wohnbereichen. Mit der Landesgartenschau als Motor wird die 40 Hektar große Industriebrache im Herzen der Stadt revitalisiert. Im Zentrum des Parks finden sich zwei begehbare Erhebungen, der Kleine und der Große Fritz. Offene, blühende Wiesenflächen mit einzelnen Gehölzen laden zu Picknick, Spiel und Sport ein. In der Nähe des Laufs der Großen Goorley werden die Gehölzflächen dichter. Ruheinseln bieten Gelegenheit zur Entspannung. Wasser spielt eine tragende Rolle. Vom neuen Quellort, gespeist durch Regen- und gereinigtes Grundwasser, schlängelt sich der Bach als „blaues Band“ in Richtung Innenstadt, unterquert die Hochschule, fließt oberirdisch zum Stephanswäldchen und mündet in den Kanal Fossa Eugeniana. Ein knapp drei Kilometer langer Wandelweg verbindet den Zechenpark und die Innenstadt mit dem Kamper Gartenreich. Fuß- und Radwege begleiten den Wasserlauf der Großen Goorley und treffen am Kloster Kamp – dem ersten Zisterzienserkloster auf deutschem Boden – auf die Fossa Eugeniana.

Mehr Infos

www.kamp-lintfort2020.de

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Text: Axel Küppers | NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2020

 

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