Text: Axel Küppers | Fotos: Axel Küppers, Manfred Messing, Simone Messing | NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2019
„Bei jüdischen Friedhöfen reden wir von einem außerordentlich hohen Kulturgut.“ Das sagte Prof. Dr. Norbert Schöndeling beim „Kölner Gespräch“. Der Jahreskongress der Denkmalpfleger und Architekten in NRW an der Technischen Hochschule der Domstadt fand zum 28. Mal statt. Schöndeling hat die hochrangige Reihe aufgebaut. Erstmals war in diesem Jahr die Klammer der acht Referenten „Friedhöfe“. Ein Mosaikstein in der Beleuchtung dieses Komplexes war der Aspekt „jüdische Friedhöfe“. Als Gastredner hierzu haben die Kölner mit Manfred Messing einen Steinmetz und Bildhauer vom Niederrhein in die Domstadt geholt, der aus erster Hand berichten konnte. Der Kempener ist seit 2003 im Thema.
„Jüdische Grabsteine sollen nicht in neuem Glanz erstrahlen.“ Mit diesem Satz machte Messing gleich zu Beginn seiner Präsentation im Karl-Schüssler-Saal deutlich, worauf es ankommt. Das Fachpublikum aus rund 150 Zuhörern in Deutz spitzte die Ohren. „Jüdische Friedhöfe gehören zu den interessantesten Zeugnissen von Geschichte und Gesellschaft“, berichtete der 54-Jährige. „Es gibt allein im Rheinland über 100 jüdische Friedhöfe“, bestätigte Moderator Dr. Ludger J. Sutthoff vom LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland. Der LVR richtet zusammen mit der TH die „Kölner Gespräche“ aus. Friedhöfe sind deshalb so spannend, bemerkte Sutthoff, weil diese Kultur im Wandel begriffen ist. „Viele Friedhöfe werden ausgedünnt. Sie konkurrieren mit Grabeskirchen. Friedhöfe entwickeln sich mehr und mehr zu Parks, die auch für Spaziergänge genutzt werden.“
Dem Kulturgut jüdische Friedhöfe muss man sich indes auf einem anderen Pfad nähern. „Ein jüdischer Friedhof ist ein Ort der Ewigkeit“, sagt Messing. Einer der jüdischen Glaubensgrundsätze, die Unantastbarkeit der Totenruhe, führt dazu, dass die Grabmale über Jahrhunderte hinweg erhalten bleiben. Die meisten jüdischen Friedhöfe haben die Zeit des "Dritten Reichs" überstanden, in der fast alle anderen Zeugen jüdischer Kulturgeschichte in Deutschland zerstört wurden. Messing ist sich mithin der Verantwortung bewusst, wenn er Hand anlegt an die steinernen Zeugnisse jüdischer Kultur. Der Kempener hat von 2003 bis heute die jüdischen Friedhöfe in Krefeld, Wesel, Kempen, Mönchengladbach, Dinslaken und Oberhausen mit insgesamt über 1000 Grabmalen restauriert. Aktuell ist Messing auf dem jüdischen Friedhof in Oberhausen-Lirich tätig. Das geschah nicht auf Zuruf aus einer Laune heraus, sondern aus ganzheitlicher Betrachtung. Und aus der Erfahrung eines Handwerkbetriebs, der die alten Techniken hochhält. Den 1894 gegründeten Kempener Werkstattbetrieb führt der Handwerksmeister nunmehr in vierter Generation. Mit David Messing (21), dem älteren der beiden Söhne, ist die fünfte Generation in den Startblöcken.