Eine Tagestour ins niederländische Grenzstädtchen Arcen lohnt immer. Ein erlebnisreicher Radrundkurs entlang der Maas bietet manch überraschende Begegnung.
Rosige Aussichten auf die Maas
In Arcen spüren wir, dass wir Maasländer sind. Seit Jahren zieht uns der bezaubernde Ort zehn Kilometer von Venlo entfernt magisch an. Spätestens nach dreiwöchigem Entzug fragt meine Frau freitags abends: „Fahren wir am Wochenende nach Arcen?“ Die Bitte kann ich ihr schwerlich verweigern: Die niederländische Festungsstadt, historisch territorial an Straelen angegliedert, inspiriert auch mich.
So packen wir uns an diesem freundlichen Maisonntag in Kempen die Räder – keine E-Bikes! – aufs Auto. Binnen 20 Minuten sind wir in Arcen und schwingen uns am Parkplatz Schanstoren zwischen prächtigen Schlossanlagen Kasteeltuinen und Yachthafen in den Sattel. Die Kasteeltuinen lassen wir ausnahmsweise links liegen, weil allein die Besichtigung der Schlossgärten mit ihrer Blumen- und Pflanzenvielfalt einen ganzen Tag in Anspruch nehmen würde
Am Fahrrad-Knotenpunkt 93 geht’s los ab der wehrhaften Wallanlage Schanstoren nah am Wasser nach Norden in Richtung Broekhuizen. Das niederländische Knooppunt-System ist genial für Radler, die nicht ständig aufs Handy mit Google-Maps oder Komoot schauen wollen. Unsere Piste über 12 Kilometer, für die wir drei Stunden im Zeitgepäck haben, passiert auf der Maasrundtour die Knooppunte 93, 25, 70, 56, 26, 91, 98, 92 und wiederum 93.
Pötte schnaufen die Maas hoch Richtung Nimwegen
12 Kilometer mit dem Rad ist nicht viel, könnte man meinen. Aber es gibt so viel zu erleben inklusive zwei Fähr-Transits, dass aus den drei auch gerne mal fünf Stunden werden dürfen. An der Maaspromenade von Arcen sind wir geneigt, bereits nach wenigen Metern vom Rad zu steigen, uns ein Eis auf die Hand zu holen und mit den Kindern Kiesel in den Fluss zu werfen (eigentlich nicht erlaubt, aber unser Enkel Oskar hat eine stille Sondergenehmigung für kleine und große Spielkinder bei der freundlichen limburgischen Verwaltung erwirkt).
Eisern radeln wir weiter entlang privater Gartenparks, später naturnahem Schotterweg Eikenweerd – links das Flussufer, rechts Kornfelder. Neben uns sind einige Wanderer unterwegs, die die Premiumwandelrouten der „Maasduinen.Wandel.Wereld“ testen. In den Anfängen unserer Arcen-Liebe wunderten wir uns über die gewaltigen Pötte, die schnaufend die Maas hochkraxeln Richtung Nimwegen und später via Rhein weiter nach Rotterdam. Beim Blick auf die Landkarte wird deutlich, wie wichtig für die Frachtschiffe diese europäische Wasserstraße ist zwischen Frankreich, Belgien und Niederlande. Die Kapitäne passieren Industriestädte wie Namur, Lüttich, Maastricht, Roermond und Venlo.
Nah am Wasser gebaut ist auch die Brauerei Hertog Jan, die uns nach anderthalb Kilometern begegnet. An den Autokennzeichen am Parkplatz zur Brauereibesichtigung erkennen wir, dass das nach sattem Maasgras duftende Bier offenbar auch vielen Deutschen schmeckt. Uns interessiert freilich weniger der herzögliche Sud als der gegenüberliegende Biergarten des Café de Hertog Jan Proeverij, wo kühlender Backstein und Schatten spendende Blutbuche zu Rippchen und Fassbier ins Freie locken.
Ferry-Lady und Fritjes
Doch 300 Meter weiter wartet schon unsere Fähre, die wir mit unseren Rädern, einigen Spaziergängern und drei Autos entern. Eine Seilwinde zieht uns rüber nach Broekhuizen. Beim Ferryman – in diesem Fall eine fair Lady - zahlen wir 1,80 € all inklusive Aussicht in die malerische Landschaft des Nationalparks Maasduinen. In Broekhuizen empfängt uns Christophorus, der schon Jesus übers Wasser getragen hat. „Bij Christoffel“ kommen wir nun nicht um Fritjes (meine Frau), Appeltaart (ich) und Koffie (beide) umhin. Derweil kassiert die Lady die Enten-Schwärmer einer 2-CV-Ausfahrt sowie ein Dutzend Oldies auf knarzenden Zündapp-Mopeds ab.
Nach einer halben Stunde Rast geht‘s weiter, nun gen Süden. Die Kulisee von Arcen entdecken wir jetzt von der anderen Flussseite. Nach 1,8 Kilometern radeln wir vorsichtig auf Dünensand entlang von Kartoffelrosen zum Fotoshooting ans Ufer, wo die Fährstation Arcen-Lottum eine Handvoll Naturfreunde ins Paradies bringt.
Denn die Kartoffelrosen stehen hier nicht zufällig: Bis ins Rosendorf Lottum ist es nur noch ein Katzensprung. Je mehr wir uns dem 2000-Seelen-Dorf nähern, desto betörender beswingt uns ein zarter Duft aus Rosenöl – eine kostenlose Aromatherapie. Als erstes steuern wir das Rosarium am Broekhuizerweg 55 an. Dort empfängt uns Novalis. Nach dem Romantik-Dichter benannt ist eine der mehreren hundert Züchtungen, die uns in diesem Rosenmeer umspülen. Der lavendelblaue Rosenstrauch passt so gerade noch in meinen Radgepäckträger. Wenn Sie dies lesen, bereitet sich die nostalgische Floribundarose in unserem Kempener Gartenbeet auf den Winterschlaf vor. Zweiter Anlaufpunkt in Lottum ist der Rosenhof Kasteel de Borggraaf, wo wir im Schlosspark dem Wanderpärchen begegnen, das uns bereits auf der anderen Maasseite am Eikenweerd ein vriendelijk Hoi zugerufen hat.
Durch Maaswälder zur Wassermühle Ijsvogel
In Lottum fällt uns der Abschied ebenso schwer wie zuvor in Arcen. Unten am Fluss wartet wieder die Fähre – rüber geht’s auf die östliche Maasseite nach Lomm. Vom Landhuis De Maashof winken uns noch ein paar freundliche Camper vom Caravanplatz aus zu. Wären wir zu Fuß unterwegs, würden wir das Stück zurück nach Arcen durch die Maaswälder wandern, die zur „Stichting het Limburgs Landschap“ gehören. So geht es auf dem Radweg der Chaussee N271 mit ihren mehr als 100 Jahre alten Eichen, Ahornbäumen und Linden zum „Ijsvogel“.
Die „Graanbranderij De Ijsvogel“ war ursprünglich eine Wassermühle im Naturschutzgebiet Barbara’s Weerd gegenüber den Arcener Schlossgärten. Der Backsteinbau mit rostigem Mühlrad dient heute insbesondere mit ihrer rustikalen Terrasse touristischen Zwecken. Die Mühle steht ferner mit ihren Kornbränden hochprozentig im Genießerkurs. Brandheißer Tipp zum Finale: Beim Ijsvogel-Rundgang wird nicht nur das Handwerk des Müllers erläutert, sondern in der Destillerie auch das des Alkoholbrenners.
Nach 300 Metern schnallen wir in Arcen die Räder wieder aufs Auto. Ein Abschlussspaziergang durch die hübschen Gässchen und die lebhafte City mit netten Lädchen und gepflegten Lokalen ist ein Muss. Dag Arcen, we zijn over drie weken terug
Text + Bilder: Axel Küppers // NiederRhein Edition