St. Martin zum Weltstar machen

Zwei Männer, ein Vorbild: St. Martin. Jeyaratnam Caniceus und René Bongartz heben den barmherzigen Samariter auf den Schild. Der Kempener und der Brüggener haben es geschafft, dass die rheinische Martinstradition immaterielles Kulturerbe des Landes NRW geworden ist. „Jetzt wollen wir einen Dachverband gründen“, sagt der 53-jährige Caniceus. „Damit schaffen wir die Voraussetzung, auf Bundesebene in das Verzeichnis für immaterielles Kulturerbe aufgenommen zu werden“, ergänzt der 50-jährige Bongartz.

Zwei Männer, ein Vorbild: St. Martin. Jeyaratnam Caniceus und René Bongartz heben den barmherzigen Samariter auf den Schild. Der Kempener und der Brüggener haben es geschafft, dass die rheinische Martinstradition immaterielles Kulturerbe des Landes NRW geworden ist.

Zunächst sind die beiden Niederrheiner stolz, die Tradition des St. Martin im Land zwischen Rhein, Maas und Eifelvorland als hohes Kulturgut identifiziert zu haben. Als eine unabhängige Expertenkommission sieben Monate nach Einreichen der Bewerbung bekannt gab, dass der Antrag von Caniceus und Bongartz zog, war die Freude groß. Bongartz: „Nunmehr steht der rheinische Martin neben immateriellen Kulturgütern wie dem Schützenwesen und dem Rheinischen Karneval. Insgesamt hatte es in der jüngsten Bewerbungsrunde 14 Eingaben gegeben.“ Seit 2017 arbeiten die beiden politisch engagierten Männer daran, St. Martin auf den Sockel zu heben, auf den er ihrer Meinung nach hingehört.

Den rheinischen Bräuchen rund um den Heiligen mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen – dieses Ziel verbindet den Elektromeister aus Kempen und den Geschäftsführer aus Brüggen. Die Initiatoren des Kulturerbes St. Martin zeigen sich in ihrem Anliegen dankbar wegen der breiten Unterstützung durch St. Martins-Vereine wie auch seitens der nordrhein-westfälischen Landespolitik. Von dem einen oder anderen Martins-Funktionär anfangs müde belächelt, haben der parteilose Caniceus und der Grüne Bongartz – beide mit Sitz in ihren jeweiligen Kommunalräten – es geschafft, dass die Menschen über das Rheinland hinaus über den Soldat Martinus mit dem großen Herzen sprechen. Und dass sie jenen Befehlshaber der Reiterei der Kaiserlichen Garde preisen, der mit dem Bettler seinen Mantel geteilt hat und Jahr für Jahr im November Millionen Kinder mit ihren Fackeln singend durch die Straßen bewegt. Dafür geben Caniceus und Bongartz mittlerweile europaweit ihre Visitenkarte ab, halten Vorträge, ziehen Netzwerke und rühren die Werbetrommel. Erst vor wenigen Wochen besuchte Caniceus das ungarische Szombathely. Das ist in der früheren römischen Provinz Pannonia, in dem Martin das Licht der Welt erblickte. Der spätere Bischof von Tours soll der Legende nach um das Jahr 334 nach Christus im französischen Amiens mit dem Schwert seinen Mantel geteilt und die eine Hälfte dem Armen gegeben haben. Im 1.100 Kilometer vom Niederrhein entfernten Szombathely fand eine internationale Konferenz unter dem Titel „Das Erbe des St. Martin von Tours in Europa und Ungarn“ statt. Der Kempener Caniceus mit Wurzeln in Sri Lanka referierte auf der Tagung über den Weg seiner Initiative zur offiziellen Anerkennung in NRW. Caniceus skizzierte die Entwicklung der rheinischen Martins-Bewegung aus ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute. „Im Bemühen um die Verankerung als Kulturerbe sind wir Freunde des Heiligen Martin auf dem richtigen Weg, auf einem europäischen Weg“, sagte Caniceus in West-Ungarn.

Möglich wäre es durchaus, eine Anerkennung der Martinstradition auf europäischer Ebene zu bewirken, so die Überzeugung der Martinsjünger. „Es gibt beispielsweise das Europäische Kulturzentrum Saint Martin de Tours“, berichtet Bongartz. Hier ist die Idee, die Wege des Heiligen aufzuzeigen und ähnlich dem Jakobsweg eine 2.000 Kilometer lange Strecke von seinem Geburtsort in Ungarn bis nach Frankreich, wo er starb, auszuweisen. Caniceus und Bongartz ziehen bewusst auch die touristische Karte, die diese intensive Brauchtumspflege mit sich bringen würde. „Mit Spanien, Holland, Belgien, Luxemburg, Italien, der Schweiz, Österreich, Polen und Tschechien könnten wir an einem Strang ziehen und die Anerkennung als Kulturgut anstreben“, so René Bongartz.

Doch das Duo will nicht den zweiten Schritt vor den ersten setzen. Vor Europa muss Martin erst Deutschland erobern. Caniceus und Bongartz sind überzeugt, dass das Votum des NRW-Parlaments St. Martin in der nächsten Runde auf die Bundesebene tragen wird. Eine private Bewerbung von zwei Martinsfans ist der Bundesebene allerdings nicht angemessen, so ihre Überzeugung. René Bongartz: „Deshalb wollen wir einen Dachverein des Kulturerbes St. Martin gründen“. Dem Verein soll eine Stiftung zur Seite stehen, die den Erhalt der rheinischen Martinstradition zur Aufgabe hat. Mit den fünf neuen Traditionen und Bräuchen umfasst das Landes-Inventar dann insgesamt zehn Einträge. Der Rheinische Karneval und die Flussfischerei an der Siegmündung sind die beiden originär nordrhein-westfälischen Einträge auf Bundesebene. NRW sendet mit fünf Bewerbungen eine mehr ins Rennen, als dem Land vom Auswahlverfahren her zusteht. Im Herbst des kommenden Jahres fallen die Würfel. Die Gründung des Dachverbandes planen Caniceus und Bongartz noch in diesem Jahr. Dann dürfte die niederrheinische Martinsoffensive im Galopp nicht mehr aufzuhalten sein.

>> Im Gespräch mit Jeyaratnam Caniceus, der 1985 als Bürgerkriegsflüchtling aus Sri Lanka an den Niederrhein kam

 

[Text + Fotos:  Axel Küppers | NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2019]

 

 

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