Was wächst denn hier?

Wunderbäume für gutes Klima und saubere Luft wachsen in Niep am Niederrhein.

Text: Sonja Raimann | Bilder: Trox

Manch einer, der in den letzten zwei Jahren auf seiner Radtour durch Niep – den zwischen Hüls, Traar, Kapellen und Vluyn gelegenen südlichen Stadtteil von Neukirchen-Vluyn – gekommen ist, wird sich gefragt haben: Was wächst denn hier und vor allem so schnell?

Es handelt sich um eine Plantage mit rund 4.000 Paulownia-Bäumen, die auch unter dem Namen Kiri-, Kaiser- oder Blauglockenbaum bekannt sind. Die aus Asien stammende Baumart wächst nicht nur rasant, sie bindet auch besonders viel Kohlendioxid (CO2) und bietet hinsichtlich Nachhaltigkeit und Biodiversität weitere zahlreiche Vorteile. Die Paulownia-Plantage ist heute ein gemeinschaftliches Forschungsprojekt des landwirtschaftlichen Betriebes Stefan Bonsels, des bio innovation park Rheinland e.V. aus Rheinbach und dessen wissenschaftlichen Netzwerkpartnern sowie der weltweit agierenden TROX GROUP aus Neukirchen-Vluyn.

Angefangen hat allerdings alles auf dem Bendenshof, wo Landwirt Stefan Bonsels von der Begeisterung seiner Tochter Hanna für den Blauglockenbaum mitgerissen wurde. Diese war während ihres Studiums der Nutzpflanzenwissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf diese besondere Baumart aufmerksam geworden und hatte sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit mit dem Paulownia-Baum und dem Thema CO2-Zertifikate ausführlich beschäftigt.

„Die Baumart ist sehr robust und kann aufgrund ihrer kurzen Wachstumsphase (Umtriebszeit) eine enorm große Menge CO2 viel schneller und in einem deutlich kürzeren zeitlichen Umfang speichern als unsere herkömmlich genutzten Forstbestände. Aufgrund ihres schnellen Wachstums kann die Paulownia in den ersten drei Jahren ihres Wuchses die gleiche Menge an CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen wie eine Kiefer oder Rotbuche im Verlauf von 15-20 Jahren. Die aktuelle CO2-Speicherung eines Paulownia beträgt 5,9 kg, das heißt, die 4.000 Bäume auf der 5 Hektar großen Fläche in Niep speichern derzeit bereits insgesamt 22 t”, so Hanna Bonsels und ergänzt, dass Paulownia-Bäume unter optimalen Bedingungen innerhalb von 10 bis 12 Jahren eine Höhe von bis zu 20 Metern und einen Stammdurchmesser von bis zu 45 Zentimetern erreichen können. „Nach der Fällung, man spricht hier von Ernte, treibt der Baum wieder aus. Ein Paulownia wird also nur einmal gepflanzt, lässt sich aber bis zu fünfmal ernten. Das ist Nachhaltigkeit pur und das geerntete Holz außerdem sehr leicht, stabil und vielseitig nutzbar!“

Auch unter ökologischen Aspekten ist der Blauglockenbaum ein wahres Wunder:  Es werden keine Pflanzenschutzmittel benötigt und aufgrund ihrer zeitigen Blüte im Frühjahr liefern die Paulownia-Bäume den Nektar für viele Insekten. Da es sich um Hybridbäume handelt, werden nur Samen ausgebildet, die nicht keimungsfähig sind. Dadurch besteht keine Gefahr, dass einheimische Arten verdrängt werden.

KLIMASCHUTZ DIREKT VOR ORT


Überzeugt von den tollen Eigenschaften sowie angetrieben von dem Gedanken der Umwelt etwas Gutes zu tun sowie regionale CO2-Zertifikate zu entwickeln, pflanzte Stefan Bonsels im Frühjahr 2021 auf einer Fläche so groß wie 10 Fußballfelder, anstatt Weizen oder Mais, 4.000 Paulownia-Setzlinge.

Eineinhalb Jahre später, im Sommer 2022, haben die Setzlinge bereits ihren ersten technischen Rückschnitt hinter sich und sind auf eine staatliche Größe von bis zu 3,5 Metern herangewachsen. Inzwischen hat sich aus dem Grundgedanken von Hanna und Stefan Bonsels eine Kooperation mit dem bio innovation park Rheinland e.V. und TROX entwickelt. Die Paulownia-Plantage dient nun als wissenschaftliche Versuchsfläche. Hanna und Stefan Bonsels sind als Landwirte verantwortlich für Kulturmaßnahmen wie Pflege der Pflanzen, um die Auswertung der Forschungsergebnisse kümmert sich der bio innovation park Rheinland e.V. und TROX als Weltmarktführer für Lüftungs- und Klimatechnik interessiert sich für die Nutzung des Holzes als klimaneutraler Werkstoff.

„TROX gehört zu den Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit als aktive Vorreiter ihrer Branche konsequent und energisch angehen“, erklärt Christine Roßkothen, die bei TROX den Bereich Corporate Social Responsibility verantwortet und sich in den letzten Jahren intensiv mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität beschäftigt hat. „Das heißt, wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber der Umwelt und den nachfolgenden Generationen sehr bewusst. Wir forschen und entwickeln stetig neue Komponenten, überprüfen uns permanent selbst und stellen Stellschrauben, um unseren Beitrag zur Klimaneutralität auf allen Unternehmensebenen zu leisten. Nichts war für uns deshalb naheliegender, als uns an einem Projekt wie der Paulownia-Plantage, das direkt vor unserer Haustüre den Einsatz nachhaltiger Rohstoffe aus lokalen Quellen zur Reduktion und Vermeidung des CO2-Ausstoßes erforscht, zu beteiligen.“

NACHHALTIG, REGIONAL & TRANSPARENT: CO2-ZERTIFIKATE VOM NIEDERRHEIN


Aktuell arbeitet TROX daran, einige Lüftungskomponenten aus dem Paulownia-Holz zu entwickeln und diese zum Patent anzumelden. Ein spannender, dynamischer Prozess, berichtet Christine Roßkothen, auch wenn man sich von mancher Idee vielleicht auch wieder verabschieden müsse – insbesondere, wenn sich das Holz für bestimmte Einsatzzwecke nicht eigent. Aber auch noch aus einem anderen wichtigen Grund fördert TROX das Paulownia-Projekt in Neukirchen-Vluyn.

Ziel des Gemeinschaftsprojektes ist es, das CO2-Speichervermögen des Paulownia-Baums zu nutzen und unterstützt durch das Netzwerk des bio innovation park Rheinland e.V., ein Zertifizierungsmodell zu entwickeln, so dass zukünftig aufgrund eines transparenten, wissenschaftlich gestützten Ansatzes regionale CO2-Zertifikate erstellt werden können. „Ein Aspekt, warum TROX sich bisher nicht am weltweiten Emissionshandel beteiligt und CO2-Zertifikate gekauft hat, ist unter anderem der, dass wir nach wie vor selbst so viel CO2 wie möglich aktiv einsparen, also unser Handeln, unsere Abläufe und Herangehensweisen entsprechend anpassen wollen. Ein anderer Aspekt ist der, dass viele CO2-Zertifikate bisher aus Afrika oder Südamerika stammen – verdammt weit weg und für uns nicht überprüfbar“, so Christine Roßkothen und räumt ein, dass natürlich auch TROX unter Umständen nicht an dem Zukauf von CO2-Zertifikaten vorbeikommt. „Mit Zertifikaten der Paulownia-Plantage haben wir aber dann ein Zertifikat, das regional, für uns sogar lokal, angesiedelt ist. Ein Zertifikat, das wir nachvollziehen können, für uns Sinn ergibt und mit dem wir auch unsere Region stärken wollen.“

Solch regional angesiedelten Zertifikate sollen zukünftig auch Anreiz für weitere Landwirte sein, nachwachsende Rohstoffe wie den Blauglockenbaum anzubauen und somit eine regionale CO2-Senkung zu schaffen. Dafür macht sich TROX mit seinen Mitstreitern stark.

„Warum in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah”, mit diesen Worten lobt Dirk Vianden, Geschäftsführer des bio innovation park Rheinland e.V. das gemeinsame Projekt und die gute Zusammenarbeit aller Akteure. „Wir haben gemeinsam die Schwerpunkte unserer Aktivitäten auf Nachhaltigkeit und Regionalität gesetzt und ein Vorzeigeprojekt in der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft geschaffen, das eine Strahlkraft weit über den Niederrhein hinaus haben wird.“

Neugierig?
Wer sich selbst ein Bild machen möchte, der findet die Plantage an einem Knotenpunkt des Grafschafter Rad- und Wanderwegs, wo sich radfahrtaugliche Straßen (Waldwinkelsweg und  Benedensdyk) mit der ehemaligen Bahntrasse, die zum Hülser Berg führte, kreuzen.  Der Grafschafter Rad- und Wanderweg bildet im Übrigen eine Verbindung zwischen dem Bahnhof Moers und dem nördlichen Endpunkt der Museumsbahn „Schluff” am Hülser Berg in Krefeld.

Weitere ausführliche und interessante Informationen über das Projekt:
paulownia.trox.de

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