Wie die Highlander nach Kempen kamen

Über 200 Mitglieder zählt eine ganz besondere Kempener Familie, deren Ursprünge sich bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen lassen – wenn man es mit der Ahnenforschung nicht ganz so genau nimmt. Die Highlander vom Niederrhein leben ihren Traum von sportlicher Betätigung in der Natur, geselligem Miteinander und aufrichtiger Freundschaft. Chef des Clans ist Manfred „Mammut“ Mühlenhaus, der mit starker Hand und sanftem Mut die Geschicke seiner Familie leitet.

Regenschwaden gehen auf einer Wildwiese zwischen Sankt Tönis und Kempen nieder. Aus einer urigen Holzhütte dringen Gelächter und Gesprächsfetzen nach draußen. Sie ist das Vereinsheim der Highlander vom Niederrhein, die sich hier ein- bis zweimal in der Woche zum Klönen und Trainieren der verschiedensten Highland Games-Disziplinen treffen. Als sich der Regen verzieht, öffnet sich die Tür, und Manfred „Mammut“ Mühlenhaus erscheint: ein 1,90 Meter-Hüne mit 135 Kilo „Kampfgewicht“. Der 54-jährige Kempener mit den sanften brauen Augen trägt einen dunkelgrün-karierten Kilt und beginnt zu plaudern: „Das ist ein McKenzie Tartan. Mein verstorbener bester schottischer Freund Ken McKinney gehörte zum Clan der McKenzies und hat mich in meiner Anfangszeit sehr unterstützt. Später war er ein großer Rückhalt für unseren Verein, aber auch für eine meiner Töchter und mich persönlich.“

Man spürt es sofort: Manfred „Mammut“ Mühlenhaus ist die Integrationsfigur der Highlander vom Niederrhein. 2003 gründet er den Verein und wird sein Vorsitzender. In den Folgejahren hat er sich seinen Ruf als „Papa“ der Highlander-Familie erarbeitet. Nicht ohne Grund, denn er ist auch verantwortlich für diesen ganz besonderen Geist, der die 200 aktiven und passiven Kinder, Frauen und Männer zwischen drei und „77 plus“ miteinander verbindet. „Wir leben ein geselliges Miteinander, das getragen ist von gegenseitigem Respekt. Bei uns gibt es niemanden, der toller, besser oder schöner ist als der andere“, sagt „Mammut“, auf dessen Oberarm ein Tattoo mit dem schottischen Löwen prangt. Ein weiteres zeigt ineinander verschlungene Seilknoten: „Das ist Ausdruck für Freundschaft und Zusammengehörigkeit“, erläutert der Mann, der seinen Spitznamen vom Mammut Manfred aus dem Film „Ice Age“ hat – übrigens nicht nur wegen seiner großen Statur und der starken Kräfte, sondern vermutlich auch wegen seiner Sanftmut. Diesen Charakterzug lieben an ihm nicht nur seine Frau Symone, sondern auch sieben Töchter zwischen fünf und 35 Jahren.

In Krefeld-Linn wurde das Feuer entfacht


Manfred Mühlenhaus selbst war 12 Jahre alt, als er die schottischen Hochlandspiele kennenlernte. „Es war in Krefeld-Linn bei den Vorläufern der späteren British Days. Damals wusste ich sofort, dass ich so etwas irgendwann auch einmal machen wollte. 25 Jahre später habe ich mir diesen Traum erfüllt“, schmunzelt der Kempener Hüne im Schottenrock. Fortan trainierte der hauptberufliche Krankenpflegehelfer in seiner Freizeit das Steinstoßen, den Schottischen Hammer, Baumstammüberschlag, Gewichthochwurf und Gewichtweitwurf. Letzteres war lange seine Paradedisziplin. 

4 x Deutscher Meister, 2 x Internationaler Norwegischer Meister und als einziger deutscher Teilnehmer Internationaler Kanadischer Meister

Bis 2018 räumte Manfred Mühlenhaus zig Titel ab: Er wurde viermal Deutscher Meister, zweimal Internationaler Norwegischer Meister und als einziger deutscher Teilnehmer Internationaler Kanadischer Meister. Stolz ist die Kempener Highlanderfamilie auch auf seinen 7. Platz bei der Europameisterschaft 2007, auf den 8. Platz bei den WM Masters 2006 und den 3. Platz bei den WM Masters 2018. Nach einer gut überstandenen Hüft-Operation geht Mühlenhaus in diesem Jahr bei verschiedenen Highland Games in Deutschland und Schottland an den Start. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er dabei die Qualifikation für die Weltmeisterschaft der „Masters“ in Irland schafft, die vom 5. bis 7. Juni in Killarney im Südwesten der Grünen Insel stattfindet. Wir lernen: „Master“ sind Teilnehmer ab 40 Jahren. Darunter gibt es die Klasse „Lightweight“ (Leichtgewicht) sowie die beiden Klassen „A Heavy“ und „B Heavy“, die man mit der Ersten und Zweiten Bundesliga vergleichen kann.

Der Vater der Kempener Highlander ist übrigens nicht nur ein Aktiver auf nationalen und internationalen Turnierplätzen, sondern auch erster offizieller Schiedsrichter für Highland Games in Deutschland und seit 2002 auch bei weltweiten Turnieren. Darüber hinaus ist er offizieller Vertreter für Deutschland bei der Internationalen Highland Games Federation und Mitbegründer des Deutschen Highland Games-Verbandes.

Die Vorbereitungen und  das Training für die Highland Games in Kempen Anfang Mai laufen auf Hochtouren


Aktuell sind Manfred Mühlenhaus und seine Mitstreiter mit den Vorbereitungen der Highland Games in Kempen Anfang Mai 2019 beschäftigt. Neben Organisatorischem wie der Planung des Turnierablaufs, des Rahmenprogramms und der Beschaffung von Unterkünften für teilnehmende Sportler und musikalische Gäste, steht natürlich auch das Training im Fokus. Die Highlander vom Niederrhein sind stolz auf acht Nachwuchskräfte, die es dem Verein erleichtern, für die anstehenden Turniere entsprechende Mannschaften, sogenannte „Clans“, zu bilden. 

Anmerkung der Redaktion: Highland Games & Altstandfest 2020 wurden auf Grund der Auswirkungen durch Corona in der Zwischenzeit abgesagt und auch die weiteren im Beitrag genannten Wettkämpfe sind bereits abgesagt bzw. werden wohl in diesem Jahr nicht stattfinden können. Wir wünschen Manfred Mühlenhaus und seinen Mitstreitern alles Gute und dass sie in 2021 hoffentlich wieder in gewohnter Manier ihrem Sport und Wettstreit fröhnen können.


Auf der großen Wiese, die Vereinsmitglied Thomas Küppers an die Highlander vom Niederrhein verpachtet, kann man sie beim Baumstammüberschlag, Steinstoßen und Hammerwerfen beobachten. Zunächst ein kurioser Anblick, aber schaut man sich die Regeln und Bewegungsabläufe näher an, begreift auch der Laie schnell, was diese Sportler leisten. Zusätzlich zum Outdoor-Training auf der „Highlanderwiese“ halten sich die Aktiven mit Zirkeltraining und Crossfit-Übungen wie Gewichtheben, Kniebeugen und Sprints fit. Dabei geht es neben dem Muskelaufbau um Geschwindigkeit, Schnellkraft, Ausdauer und Flexibilität.

Steinstoßen, Baumstammüberschlag, Fassrollen, Hufeisenwerfen, Strohsackhochwurf …


Die anspruchsvollste Disziplin sei das Steinstoßen, erläutert „Clanchef“ Mühlenhaus: „Es ist technisch sehr komplex, denn man muss verschiedene Bewegungsabläufe gut miteinander koordinieren, um einen runden Stoß hinzubekommen. Das betrifft die Handstellung, die Ellbogenhaltung und die Hüftdrehung.“ Ein Stein ist – je nach Turnierklasse und Geschlecht – zwischen viereinhalb und zehn Kilo schwer. Weitere Schwierigkeit im Gegensatz zum Kugelstoßen: der Stein ist nicht kugelrund, sondern hat eine individuelle Form. Originell anzusehen sind darüber hinaus der Baumstammüberschlag, das Fassrollen, das Hufeisenwerfen, der Strohsackhochwurf und der Baumstammslalom, bei dem ein Team möglichst schnell einen rund sechs Meter langen Baumstamm auf den Schultern durch einen Slalomparcours manövrieren muss.

Stohsackhochwurf in Perfektion. Foto: Michael Ricks
Foto: Michael Ricks
Helmut Drießen & Karsten Rohr in Gardeuniform der Piper. Foto: Michael Ricks
Baumstammüberschlag. Foto: Michael Ricks

Wie eng die Highlander vom Niederrhein mit der schottischen Tradition verbunden sind, wird nicht nur an ihrem Vorsitzenden deutlich, der neben seinem Kempener Zuhause, Cuxhaven und den Niederlanden natürlich Schottland als Urlaubstraumziel nennt. Aus Liebe zu ihrer Zweitheimat Schottland haben Manfred Mühlenhaus und seine Frau Symone „auf Schottisch“ geheiratet. Vorausgegangen war sein Heiratsantrag auf einer Fähre von Cumbrae nach Largs vor vielen Freunden. Die anschließende Hochzeit wurde natürlich stilecht im Karomuster gefeiert. Auch Helmut Drießen und seine Frau Margarethe fühlen sich wohl bei den Highlandern. Das Ehepaar kommt aus Linn, war Mitglied der dortigen Ritterrunde und hat bei den Highland Games in Kempen, zu denen auch ein Mittelaltermarkt gehört, den außergewöhnlichen Sport für sich entdeckt. Helmut Drießen erzählt: „Meine Frau wollte es unbedingt ausprobieren und ist bis heute dabei. Ich trainiere schon mal mit; meine Lieblingsdisziplin ist der Gewichthochwurf. Wir sind wirklich eine große Familie, hier wird man gehätschelt und getätschelt. Wir fühlen uns sehr wohl.“ Nicht nur die Mitglieder der Highlander vom Niederrhein sind wie eine Familie, auch ausländische Athleten pflegen einen intensiven Kontakt zu ihren Kempener Freunden. Manfred Mühlenhaus ist sichtlich gerührt, wenn er von den Kanadiern Warren Trask und Kevin Fast erzählt: „Die beiden sind mittlerweile Ehrenmitglieder bei uns. 2019 haben sie ihre Söhne mitgebracht, mit der Aussage: ,Wenn ihr einmal auf dem Kontinent startet, dann in Kempen.‘ Eine größere Auszeichnung kann man nicht bekommen.“ Kevin Fast ist übrigens Pfarrer und steht im Guinessbuch der Rekorde, weil er eine 188,83 Tonnen schwere Boeing 8,8 Meter weit von Hand gezogen hat. Auch der mehrfache Weltmeister Marc McDonald aus dem schottischen Dumfries ist bereits in Kempen an den Start gegangen, war dann aber acht Jahre nicht dabei. Mühlenhaus erzählt: „Letztes Jahr war er wieder hier. Er hat zugegeben, dass ihm etwas fehlte: Es war unser Turnier mit seiner besonderen Atmosphäre und dem Zusammenhalt. Nachher haben wir alle am Lagerfeuer gesessen und ,Ich packe meinen Koffer‘ in fünf verschiedenen Sprachen gespielt.“ Anfang Juni 2020 nehmen vier Mitglieder der Highlander vom Niederrhein an den Masters World Championchips im irischen Killarney teil.

Mit einem Casting fing alles an
Wenn Sie sich fragen, wie man auf die verrückte Idee kommen kann, Baumstämme zu werfen oder Steine zu schleudern, hilft ein Blick ins 11. Jahrhundert. Damals hat der schottische König Malcolm III. sportliche Wettkämpfe in Braes of Mar (dem heutigen Braemar) ausgerichtet, um die besten Männer des Landes für seine Leibgarde zu „casten“. Besonders honoriert wurde derjenige, der den Hügel Creag Choinnich mit seinen 538 Metern am schnellsten hochlief. Er wurde der Botenläufer des Königs. Noch heute gibt es jährlich im September die Braemar Highland Games mit dem Berglauf, der unter der Schirmherrschaft der Queen steht, die auch immer vor Ort ist. Neben Schottland sind die USA, Kanada und Deutschland Hochburgen der Highland Games. Die ersten Turniere in Deutschland wurden in Machern bei Leipzig von einem Niederländer und in Kempen von Manfred Mühlenhaus und seinen Freunden ausgerichtet. Sie lösten einen regelrechten Boom aus, so dass mittlerweile jährlich rund 60 Highland Games in Deutschland stattfinden. Neben den Einzel- und Mannschaftswettbewerben gibt es ein Musikprogramm mit Pipebands und einen Mittelaltermarkt, auf dem man Zubehör wie Kilts, Taschen und Gürtel kaufen kann. „Wer Herz und Geselligkeit mitbringt und sich für Schottland begeistert, ist bei uns herzlich willkommen“, betont Manfred Mühlenhaus, Vorsitzender der Highlander vom Niederrhein.

Online findet man die Highlander vom Niederrhein bei Facebook  in der Gruppe »Highlander vom Niederrhein 2003 e.V.«. 

Auch über die persönliche Kontaktaufnahme freuen sich die Highlander vom Niederrhein:
Highlander vom Niederrhein e.V.
Manfred Mühlenhaus (Vorsitzender)
Telefon 02152-8925366

Text: Petra Verhasselt | Bilder: Michael Ricks | NiederRhein Edition 01/2019

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