»Ich bin sehr nostalgisch. In geselliger Runde kann ich wunderbar in Erinnerungen schwelgen«
Während heutzutage Kinder und Jugendliche beim Anblick dieser Idylle von Wald, Wiesen und Feldern in Lethargie verfallen und sich die Frage stellen würden „Haben wir hier auch Netz?“, waren die ersten 18 Jahre für Heinz-Wilhelm Esser dort pures Vergnügen – inklusive jeder MengeBlessuren. „Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich regelmäßig mit meinen Freunden die blauen Flecken gezählt habe. Wer weniger hatte, war der Bessere“, lacht Heiwi, der aber auch zugibt, ein paarmal echtes Glück gehabt zu haben. Zum Beispiel als er beim Fangen- und Versteckspiel im Rohbau eines Nachbarhauses ein ganzes Stockwerk tief gefallen ist–auf den Rücken: „Ich bin zwar wie eine Katze wieder aufgestanden, aber dann doch weinend nach Hause gelaufen. Auf halbem Weg kam mir mein Vater entgegen, weil meine Freunde ihn alarmiert hatten. Sie dachten, ich sei tot. Was ich so spannend finde, ist, dass Du heute Dein Kind sofort ins Krankenhaus bringen würdest, es könnte ja das Schlimmste passiert sein. Bei mir war mit einem Klaps auf den Hintern alles gegessen, und dann haben wir weitergespielt.“
»Leute gucken vom Wohnzimmerfenster aus«
Auf dem Weg zu seinem ehemaligen Kindergarten bleiben wir kurz am elterlichen Gartenzaun stehen. Ein Klettergerüst fällt ins Auge. „Das ist für die Enkelkinder, und mein ehemaliges Kinderzimmer ist jetzt ihr Spielzimmer“, erzählt Heiwi, der zusammen mit seinen Kindern gerne nach Pesch kommt und oft samstags auf dem Rückweg von seiner Privatpraxis in Meerbusch einen Abstecher „nach Zuhause“ macht. In diesen Sekunden aber denkt er nur wehmütig an die ehemalige riesige Trauerweide im Garten. Dort hatte er ein Baumhaus, von dem man sich mit einem Seil zum nächsten Baum schwingen konnte. Für einen Niederrheiner wie ihn sei übrigens die Lage des Hauses super. Stichwort „Leute gucken“: „Hier kannste aus dem Fenster immer genau sehen, wer gerade vorbeikommt.“
200 Meter weiter erfahren wir am Kindergarten, dem heutigen Städtischen Familienzentrum Pesch, die nächste Geschichte. „Meine Mutter war hier Erzieherin und hat den Kindergarten damals sogar mit eröffnet. Sie erzählte immer, ich sei eines der bestgelaunten Kinder gewesen, die sie je erlebt habe“, berichtet der auch heute meist gut gestimmte 46-Jährige, der bis zum Alter von einem Jahr mit seinen Eltern sogar direkt neben dem Kindergarten gewohnt hat. Komplett wurde die Familie Esser dann im neuen Haus durch einen weiteren Sohn und eine Tochter.
»Brötchen gab’s am Wochenende«
Als wir an der einzigen Bäckerei im Ort vorbeikommen, fällt ihm das niederrheinische Brötchen-Ritual ein: Denn Brötchen gab es, wie in vielen anderen Familie auch, nur am Wochenende. „Die habe ich immer geholt“, berichtet er noch heute sichtlich stolz. Am Kirchplatz von St. Marien angekommen, beginnen, wie bestellt, die Glocken zu läuten, und er erzählt, dass dies der Ort sei, wo er auf den Namen „Heinz-Wilhelm“ getauft wurde. Dieser Doppelvorname, eine Kombination der Vornamen beider Großväter, habe ihm schon früh zu einem gesunden Selbstbewusstsein verholfen. „Das musste ich ja quasi bei meiner Eigenvorstellung entwickeln“, erläutert Heiwi, der einen klassischen niederrheinisch-christlichen Werdegang an St. Marien gegangen ist: als Kommunionkind, Messdiener und Konfirmand. Heute geht der Katholik nicht mehr in die Kirche, aber ein Austritt kommt für ihn auch nicht infrage. Heinz-Wilhelm Esser hält es da mit diesem Satz: „Nur weil der Kneipier schlecht ist, höre ich ja nicht auf, Bier zu trinken.“