Heimat-Hopping mit Doc Esser

Ein Rundgang mit dem beliebten WDR-Fernseharzt zu den Stätten seiner Kindheit und Jugend in Korschenbroich-Pesch.

Der Name „Pesch“ kommt aus dem Lateinischen „pascuum“ und bedeutet „Wiese“, „Weide“ – wie passend.

Text: Petra Verhasselt |  Foto: Michael Ricks | NiederRhein Edition Ausgabe 02/2020

Eine lässige Schiebermütze auf dem Kopf, ein buntes Leuchtturm-Tattoo auf der Brust und tief im Herzen Niederrheiner: Das ist Heinz-Wilhelm Esser (46), vielen Fernsehzuschauern besser bekannt als „Doc Esser“ von der WDR-Sendung „Der Gesundheitscheck“, aber auch vom WDR-Radiopodcast „Coronavirus-Doc Esser klärt auf“. Bei einem Rundgang durch Korschenbroich-Pesch – die Welt seiner Kindheit und Jugend – haben wir den engagierten Facharzt für Lunge und Herz, den coolen Moderator, den begeisterten Musiker, den disziplinierten Sportler und den überzeugten vierfachen Familienvater als einen sympathisch- empathischen Menschen kennengelernt, dem man auf Schritt undTritt immer weiter in dessen Gedankenwelt folgen möchte.

Wir treffen Doc Esser an einem herrlichen Sommertag in einer ruhigen Stichstraße von Pesch, einem Ortsteil Korschenbroichs, wo sich in den 1970er Jahren viele Familien mit Kindern den Traum vom eigenen Haus erfüllt haben. So auch die Eltern des Fernseharztes, der heute noch, über ein Vierteljahrhundert, nachdem er diese Idylle verlassen hat, die meisten seiner ehemaligen Nachbarn kennt und überall auf der Straße freundlich begrüßt wird. „Hallo, ich bin Heiwi“, stellt sich Heinz-Wilhelm Esser uns vor. So nennen ihn seine Freunde, und auch wir fühlen uns damit seinem Kosmos schon ein ganzes Stück näher. Noch bevor wir unser „Heimat-Hopping“ beginnen, fällt uns auf, wieviel Niederrhein in Heiwi Esser steckt. Es ist seine Aussprache mit der typischen „ch/sch“- Schwäche, aus der er keinen Hehl macht. „Wir gehen in die Kürsche und essen Kirchen“, schmunzelt er.

Erste Station ist aber nicht die „Kürsche“, sondern der Spielplatz direkt hinter seinem Elternhaus. Heiwi erinnert sich: „Ich war hier oft mit meinem besten Freund. Es gab allerdings mehr Geräte und einen Bolzplatz, da wo jetzt die Streuobstwiese ist.“ Auf dem Spielplatz sollte Doc Esser übrigens zum ersten Mal erfahren, wie es ist, im Rampenlicht zu stehen. „Als ich so um die acht Jahre alt war, wurde hier ein tierisch-großes Schaukelgerüst aufgebaut, und ein Fotograf war dabei, der mich gleich als Kindermodel auserkor. Tatsächlich bin ich später im Katalog des Herstellers erschienen. So eine spontane Aktion wäre heute unmöglich“, betont der vierfache Familienvater, der seine drei Töchter (14, 10, 5) und den siebenmonatigen männlichen Nachwuchs am liebsten aus der Öffentlichkeit heraushält.

Doc Esser hat einen Großteil seiner Kindheit und Jugend in der Natur verbracht. Kein Baum war ihm zu hoch, kein Teich zu tief und kein Wald zu groß. Das ist das Stichwort. „Wir gehen mal kurz umme Ecke“, sagt er und nimmt uns mit zum nahegelegenen Hoppbruch.

BMX-Bahn und Bunker im „Abenteuerwald“


„Das war unser Abenteuerwald“, schwärmt er. Seine braunen Augen blitzen, wenn er davon erzählt, wie er dort früher mit zehn, fünfzehn anderen Kindern eine BMX-Bahn „vom Feinsten“ ausgehoben, Bunker gebaut, Feuerchen gemacht und Mais geklaut hat. „Kulinarisch hatten wir immer was zu tun“, schmunzelt er und zeigt auf die Brombeersträucher und Pflaumenbäume in der Nähe. Überall zwitschern an diesem Sommertag Vögel, als wollten sie über die „Jugendsünden“ des prominenten Peschers hinwegtäuschen. Aber die flogen auf, denn Heiwis Onkel, dem die Felder rundherum gehörten,entdeckte die Machenschaften der Rabauken natürlich. „Er hat uns ausgemault,als gäbe es kein Morgen mehr“, erinnert er sich.

»Ich bin sehr nostalgisch. In geselliger Runde kann ich wunderbar in Erinnerungen schwelgen«


Während heutzutage Kinder und Jugendliche beim Anblick dieser Idylle von Wald, Wiesen und Feldern in Lethargie verfallen und sich die Frage stellen würden „Haben wir hier auch Netz?“, waren die ersten 18 Jahre für Heinz-Wilhelm Esser dort pures Vergnügen – inklusive jeder MengeBlessuren. „Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich regelmäßig mit meinen Freunden die blauen Flecken gezählt habe. Wer weniger hatte, war der Bessere“, lacht Heiwi, der aber auch zugibt, ein paarmal echtes Glück gehabt zu haben. Zum Beispiel als er beim Fangen- und Versteckspiel im Rohbau eines Nachbarhauses ein ganzes Stockwerk tief gefallen ist–auf den Rücken: „Ich bin zwar wie eine Katze wieder aufgestanden, aber dann doch weinend nach Hause gelaufen. Auf halbem Weg kam mir mein Vater entgegen, weil meine Freunde ihn alarmiert hatten. Sie dachten, ich sei tot. Was ich so spannend finde, ist, dass Du heute Dein Kind sofort ins Krankenhaus bringen würdest, es könnte ja das Schlimmste passiert  sein. Bei mir war mit einem Klaps auf den Hintern alles gegessen, und dann haben wir weitergespielt.“

»Leute gucken vom Wohnzimmerfenster aus«

Auf dem Weg zu seinem ehemaligen Kindergarten bleiben wir kurz am elterlichen Gartenzaun stehen. Ein Klettergerüst fällt ins Auge. „Das ist für die Enkelkinder, und mein ehemaliges Kinderzimmer ist jetzt ihr Spielzimmer“, erzählt Heiwi, der zusammen mit seinen Kindern gerne nach Pesch kommt und oft samstags auf dem Rückweg von seiner Privatpraxis in Meerbusch einen Abstecher „nach Zuhause“ macht. In diesen Sekunden aber denkt er nur wehmütig an die ehemalige riesige Trauerweide im Garten. Dort hatte er ein Baumhaus, von dem man sich mit einem Seil zum nächsten Baum schwingen konnte. Für einen Niederrheiner wie ihn sei übrigens die Lage des Hauses super. Stichwort „Leute gucken“: „Hier kannste aus dem Fenster immer genau sehen, wer gerade vorbeikommt.“

200 Meter weiter erfahren wir am Kindergarten, dem heutigen Städtischen Familienzentrum Pesch, die nächste Geschichte. „Meine Mutter war hier Erzieherin und hat den Kindergarten damals sogar mit eröffnet. Sie erzählte immer, ich sei eines der bestgelaunten Kinder gewesen, die sie je erlebt habe“, berichtet der auch heute meist gut gestimmte 46-Jährige, der bis zum Alter von einem Jahr mit seinen Eltern sogar direkt neben dem Kindergarten gewohnt hat. Komplett wurde die Familie Esser dann im neuen Haus durch einen weiteren Sohn und eine Tochter.

»Brötchen gab’s am Wochenende«

Als wir an der einzigen Bäckerei im Ort vorbeikommen, fällt ihm das niederrheinische Brötchen-Ritual ein: Denn Brötchen gab es, wie in vielen anderen Familie auch, nur am Wochenende. „Die habe ich immer geholt“, berichtet er noch heute sichtlich stolz. Am Kirchplatz von St. Marien angekommen, beginnen, wie bestellt, die Glocken zu läuten, und er erzählt, dass dies der Ort sei, wo er auf den Namen „Heinz-Wilhelm“ getauft wurde. Dieser Doppelvorname, eine Kombination der Vornamen beider Großväter, habe ihm schon früh zu einem gesunden Selbstbewusstsein verholfen. „Das musste ich ja quasi bei meiner Eigenvorstellung entwickeln“, erläutert Heiwi, der einen klassischen niederrheinisch-christlichen Werdegang an St. Marien gegangen ist: als Kommunionkind, Messdiener und Konfirmand. Heute geht der Katholik nicht mehr in die Kirche, aber ein Austritt kommt für ihn auch nicht infrage. Heinz-Wilhelm Esser hält es da mit diesem Satz: „Nur weil der Kneipier schlecht ist, höre ich ja nicht auf, Bier zu trinken.“

A propos Kirche und Kneipe: Die liegen auch in Korschenbroich-Pesch ganz nah beieinander. Der Peschenhof von „Deuss Johannes“ in direkter Sichtweite zur Pfarrkirche lässt Heiwis Herz heute noch höherschlagen: „Den Biergarten mit den tollen Platanen gibt‘s schon seit 40 Jahren. Er wurde mehrmals hintereinander von der Fernsehzeitschrift Prisma zum schönsten Biergarten im Westen gekürt“.

„Meine Grundschullehrerin hatte Recht“


Unsere Zeit an diesem Tag reicht leider nicht, sonst hätten wir uns jetzt zusammen mit Heiwi in dem wunderschönen Biergarten niedergelassen. Dort hätten wir für ihn ein Bierchen bestellt und vielleicht dazu ein Leberwurstbrot („nur die grobe“) oder ein Mettbrötchen. Denn damit kann man dem sportlichen Pesch-Auswanderer eine größere Freude machen als mit einem Stück Torte oder einem Glas Wein. Das passt ja eigentlich auch viel besser zu einem Rockmusiker, der in seiner Jugend Gitarre gelernt, eine Punkband gegründet und pünktlich zum Abschluss seines Medizinstudiums in Köln seinen ersten Plattenvertrag in der Tasche hatte – inklusive sieben Jahren Tournee-Leben mit Rock- und Metal-Bands wie „In Extremo“, „Die happy“ und „Motörhead“.

„In meinem Leben bereue ich nix. – Selbst Entscheidungen, die sich zunächst falsch angefühlt haben, waren hinterher, auf eine lange Distanz gesehen, richtig“


Aber was heißt schon „passen“? Viel wichtiger ist doch, dass jeder Mensch nach seiner Facon glücklich wird. Angesichts der Erfolge von Heiwi Esser als Arzt, Fernsehmoderator und Musiker und seinem guten Händchen als Familienvater werden auch die niederrheinischen Seelen seiner Eltern und anderer wohlmeinender Kritiker längst ihren Frieden gefunden haben.

Als Kind scheint Heinz-Wilhelm Esser allerdings immer mal wieder einen Tick neben der Erfolgsspur gelaufen zu sein. Das gibt er offen zu, als wir vor seiner alten Grundschule stehen. 15 Schüler waren sie in einer Klasse; die Schule wurde Ende der 1970er Jahre einzügig geführt. Er erinnert sich: „Wir hatten eine ultrakatholische Grundschullehrerin wie sie im Buche steht: Fräulein Hellenbroich. Sie hatte eine tolle Menschenkenntnis und hat meiner Mama mal gesagt: ,Wissen Sie, Frau Esser, der Heinz-Wilhelm, der könnte alles in seinem Leben schaffen, aber der steht sich immer selbst im Weg.“ Was soll ich sagen? Es stimmt. Die meisten Probleme habe ich mir immer selber eingebrockt.“ Einmal stand Heiwi sein eigener dicker Zeh im Weg – oder war es doch der Tisch im Klassenraum? Jedenfalls ist ihm bei einem wilden Ritt über Tische und Bänke ein Tisch auf den Fuß gefallen. Die Folge: Der dicke Zeh war gebrochen, und der Nagel drückte sichraus. Eine der unangenehmeren Kindheitserinnerungen.

„Wenn ich alt bin, lebe ich in Hamburg und zähle am Hafen Schiffe“


Um zu einer weiteren bedeutenden Stätte aus Heinz-Wilhelm Essers Jugend zu gelangen, müssen wir die Ortsgrenze verlassen. Denn das Hallenbad liegt in der Stadtmitte von Korschenbroich. „Ich wollte Profischwimmer werden“, erzählt Heiwi Esser. Er hat es auch fast geschafft, denn Schwimmen nur als Hobby zu betreiben, kam für ihn damals nicht infrage. Noch heute sagt er: „Ich brauche immer ein Ziel, egal ob es Musik oder Sport ist. Deswegen betreibe ich alles professionell.“ Er ist zwar ein sehr guter Schwimmer geblieben, zieht aber mittlerweile doch lieber privat seine Bahnen. Das Element Wasser hat im Leben von Heiwi Esser immer schon eine große Rolle gespielt. Als Kind baute er Modellboote und erinnert sich heute noch mit Schrecken an den Tag, als sein Mini-Fischkutter auf der Mitte eines Weihers versank.

Auch seine verrückte Zeit als Musikproduzent in Berlin war quasi auf Wasser gebaut. Dort hat er auf einem Hausboot gelebt: „Unten war das Studio, und oben haben die Ärzte oder Rammstein ihre Plattenreleases gefeiert. Im Winter war es zwar kalt, und an die vielen Spinnen musste man sich gewöhnen, aber es war einfach toll.“ Klar, dass auch heute die Urlaube von Familie Esser ausschließlich an die See gehen: im Sommer ans Mittelmeer und im Herbst an die Nordsee. „Und wenn ich alt bin, werde ich in Hamburg leben und am Hafen Schiffe zählen“, sinniert Doc Esser und wirkt dabei ein wenig romantisch-verklärt.

Abschließend rät er allen, die den Niederrhein naturnah erleben möchten, „einmal auf dem Hariksee in Schwalmtal Bötchen zu fahren“. Dabei zieht er seine Schiebermütze zurecht und muss nun leider weiter: Sein WDR-Team hat ein Ganztagesexperiment mit ihm vor, von dem er noch überhaupt keine Ahnung hat. Eigentlich hätte er mit uns noch gerne weiter geplaudert: bei einem Bierchen und einem Mettbrötchen...
 

>> Mehr erfahren über und von Doc Esser in unserem ESSER INSIDER

 

 

 

Anzeige

Regiopartner