Wild mit Würde jagen

Ein Porträt über Birgit van den Boom – eine ambitionierte Jägerin vom Niederrhein – die mit großem Fachwissen und Liebe zu Wildtieren in freier Natur ihrem Hobby nachgeht.

Birgit van den Boom - eine Jägerin vom Niederrhein. Foto: Tina Hirop

Ein präparierter Elchkopf aus Kanada im Flur eines Einfamilienhauses in Bedburg-Hau machte unsere Autorin Petra Verhasselt neugierig. Sie hatte gerade mit Birgit van den Boom ein Interview zum Thema „Stadtführungen in Kleve“ geführt und blieb beim Verabschieden an Elch „Hugo“ hängen. Den hatte ihr Mann Wilhelm vor zehn Jahren selbst geschossen. 

„Jagen Sie auch, Frau van den Boom?“, war die unweigerliche Frage. Und weil die Antwort „Ja“ lautete, wurde gleich ein neuer Termin gemacht. Heraus kam dieses Porträt über eine ambitionierte Jägerin vom Niederrhein, die mit großem Fachwissen und Liebe zu Wildtieren in freier Natur ihrem Hobby nachgeht. Immer dabei ist die Steirische Rauhaar-Bracke Anton und manchmal auch Dackel Yacco. 

Ein Rehbock war das erste Wild, das Birgit van den Boom erlegt hat, und zwar im Revier Rees-Haldern, in Heeren-Herken: „Ich war vor und auch nach dem Schuss sehr nervös und aufgeregt“, erinnert sie sich. Erst einige Wochen vorher hatte die Mitarbeiterin des Klever Stadtmarketings den Jagdschein gemacht, der bei den Grünröcken auch das „Grüne Abitur“ genannt wird. Fast neun Monate dauert die Ausbildung. Inhalte sind Waffenkunde und Waffenhandhabung, Jagdrecht und verwandte Rechtsgebiete, Wildtierkunde und Wildkrankheiten, Jagdbetrieb und Hundewesen, Wildhege und Naturschutz. Und natürlich Schießübungen. Norbert Boothe, Obmann für Schießwesen im Hegering Kalkar, war einer der ersten Jagdrevier-Inhaber, der die frischgebackene Jägerin vor 13 Jahren in sein Revier nach Kalkar-Hanselaer eingeladen hatte. „Dies ist übrigens eine sehr schöne Tradition, um Jungjägern nach der Prüfung die Möglichkeit zur Jagd im Beisein von erfahrenen Jägern zu geben,“ unterstreicht Birgit van den Boom.

Die mittlerweile erfahrene Jägerin ist der Überzeugung, dass Frauen anders jagen als Männer: „Frauen geben gewöhnlich nur dann einen Schuss ab, wenn sie sich sehr sicher sind, dass dieses Geschoss das Wild auch sofort tödlich trifft. Männer sind da mit dem Finger oft schneller am Abzug, was aber nicht zu einem höheren Erfolg führt.“ Die Mutter von drei Töchtern (16, 19, 21) bejagd am Niederrhein hauptsächlich Niederwild wie Füchse, Hasen, Kaninchen, Fasane, Enten und Rehe. In der Eifel und im Hunsrück kommen Rotwild, Rehe und Wildschweine vor ihre Büchse, in der Steiermark gelegentlich auch Auer- und Birkwild. Birgit van den Boom besitzt zwei Waffen: eine Flinte, 20er FN, für das Niederwild und eine klassische Büchse, einen Mannlich-Schönauer-Stutzen von 1954.

„Der Anteil der Jägerinnen in NRW liegt bei zehn Prozent, Tendenz steigend. Zu Jungjägerkursen melden sich inzwischen 20 bis 30 Prozent Frauen an“, sagt Andreas Schneider, Pressesprecher des Landesjagdverbandes NRW.

Die Würde des Wildes ist Birgit van den Boom bei jeder Jagd wichtig, und sie nennt zwei Beispiele: „Niederwild, wie Kaninchen, jage ich wildbretschonend ausschließlich mit einer Schrotflinte. Und manchmal sitze ich  bewusst in der Nacht an, um das Wild in der Frühe nicht unnötig zu beunruhigen.“ Waidgrechtes Jagen sei das oberste Gebot. Die passionierte Jägerin, die schon als Kind mit dem Vater viele Exkursionen in die Natur unternommen hat und durch ihren Mann zum Jagen kam, beschreibt, was ihr dieses besondere Hobby bedeutet: „Das Wiederherstellen des natürlichen Gleichgewichts spielt eine große Rolle. Durch das zeitweise hohe Fuchsaufkommen bei uns sieht man immer weniger Rebhühner, Fasane, Kaninchen und Hasen auf unseren Wiesen und Feldern. Deshalb ist es richtig, dort Füchse zu bejagen, wo sie in großen Populationen auftreten. Natürlich ist es herrlich, Jungfüchse spielend vor einem Bau zu beobachten, aber ich finde es wichtig, dass meine Enkelkinder später noch die Möglichkeit haben werden, diese Tiere in freier Natur beobachten zu können.“ Ebenso notwendig sei das Regulieren der Wildbestände, um Schäden in der Land- und Forstwirtschaft gering zu halten, zum Beispiel durch das Bejagen von Hirschen. Birgit van den Boom hat das kürzlich bei einer Damenjagd in der Eifel erlebt: „Das Rotwild hatte die Bäume so stark angeknabbert und die Rinde förmlich abgeschält, dass kein Wasser mehr durch den Stamm fließen konnte und die Bäume abzusterben drohten.“ Jagd ist eben auch Naturschutz.

„Frauen geben gewöhnlich nur dann einen Schuss ab, wenn sie sich sehr sicher sind, dass dieses Geschoss das Wild auch sofort tödlich trifft“ 

(Birgit van den Boom)

Was ist denn eine erfolgreiche Jagd? „Wenn ich eine ruhige Zeit alleine, mit meinem Mann oder mit Jagdfreunden in der Natur verbracht habe und dann noch Wild zur Strecke gekommen ist“, antwortet Birgit van den Boom und ergänzt: „Meine längste Ansitzzeit waren rund 15 Stunden“. Für eine Frau mit einer so besonnenen und gleichzeitig starken Persönlichkeit ist das kein Problem - im Gegenteil: „Auf der einen Seite genieße ich es, viele Menschen um mich zu haben und einen Gesprächsaustausch zu pflegen. Auf der anderen Seite liebe ich die Ruhe bei der Jagd, schweige und besinne mich auf das Wesentliche. Man befindet sich in einer ursprünglichen Situation. Ich denke, es ist nur wenigen Menschen vergönnt, sich an einer solchen Naturschönheit zu erfreuen, über Stunden Hirschrudel in freier Wildbahn oder einer Hirschkuh beim Kalben zuzusehen.“ Und als leidenschaftliche Hobbyfotografin gelingt der Jägerin aus dem Kreis Kleve dabei immer mal wieder auch ein seltener Schnappschuss. Gegen aufziehende Kälte ist sie übrigens bestens gewappnet: mit selbstgestrickten Socken ihrer Schwester.

Neben der „Ansitzjagd“ vom Hochsitz aus, nimmt Birgit van den Boom auch an Treibjagden teil, geht zu Fuß auf die Pirsch oder jagd mit vielen anderen Jägern beim „Anstellen“ am Feld - alles mit dem Ziel, das Wild zu erlegen. „Bringt man da nicht die erforderliche Passion und Ausbildung mit, sollte man lieber die Finger davon lassen,“ ist ihre tiefe Überzeugung. Wenn das gestreckte Wild dann schließlich vom Erleger seinen „letzten Bissen“ in Form eines Zweiges ins Maul gelegt bekommt und die Revierinhaberin der Schützin einen Bruch überreicht hat, endet der Tag meist mit dem „Schüsseltreiben“, einem gemeinsamen Essen. Getrunken wird dabei mit der linken Hand, gemäß dem Trinkspruch: „Mit der Linken wird gesoffen, mit der Rechten geschossen“. Waidmannsheil, Birgit van den Boom!

Nachtrag: Zur Krönung des Tages hat Sie mit uns gekocht: Rehrücken mit Kräuterkruste. Einfach lecker.  Hier geht's zum Rezept!

 

Text: Petra Verhasselt | Bilder: Tina Hirop | NiederRhein Edition, Ausgabe 02/2015

 

 

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