Niederrheinische Kriminalfallermittlungen im Kaffeehaus

Normalerweise breiten sie ihr Recherchematerial über mehrere Cafétische aus: das haben Renate Wirth und Thomas Hesse schon oft in ihrem Voerder Stammcafé gemacht – und dann wirkt es quasi so, als ob sich Aktenberge in einem Kommissariat aufeinandertürmen, während zwei Ermittler ihre Nasen in einen neuen Kriminalfall stecken. „Die Kellnerinnen guckten zunächst etwas komisch, aber haben sich dann irgendwann an uns gewöhnt“, erzählt Thomas Hesse mit einem Lächeln. „Wir recherchieren unsere Fälle eben sehr detailliert, deswegen können die Aufzeichnungen dazu sehr umfangreich und auf vielen Blättern notiert sein“, sagt der erfolgreiche Krimiautor. Lange hat Hesse als Redakteur einer Tageszeitung in Wesel gearbeitet, er kennt sich von daher gut in Recherchefragen aus.

Bei unserem Treffen in einem Café unweit des Weseler Marktes stehen jedoch nur Kaffeetassen auf dem Tisch und dazwischen liegt ein Exemplar ihres neuen Krimis Der Turmfalke. Noch druckfrisch und das Ergebnis einer dieser umfangreichen Nachforschungen. Die beiden Krimiautoren vom Niederrhein haben ihre Arbeit abgeliefert, jetzt sind wir es, die in die Recherche gehen und versuchen die Vorgehensweise beim Krimischreiben aus dem bekannten niederrheinischen Autorenduo herauszukitzeln.

Auf die Frage, nach der Arbeitsweise und Aufgabenverteilung im Schreibprozess des Duos erklärt Thomas Hesse, dass hauptsächlich Renate Wirth schreibt, da es um die stilistische Einheit des Textes geht. „Stilbrüche sollte man sich nicht leisten”, so Hesse und räumt ein: „Andererseits: es gibt Dialoge mit Besonderheiten, wie innere Monologe, Texteinschübe aus anderer Perspektive oder Orts- und Landschaftsbeschreibungen – und natürlich kriminaltechnisches Wissen oder Behördenabläufe. Bei denen ist es angesagt, eine andere stilistische Variante zu haben. Da bin ich dann am Zug.”  Fotos: Stephan Sadowski

„Es ist für uns sehr wichtig, dass wir klar strukturierte Eigenschaften in unseren Hauptfiguren festlegen“, verrät Renate Wirth und nippt an ihrer Tasse. Sie spielt auf einen Ermittler ihres fiktiven Weseler Kommissariats K1 an, der im Übrigen auch für seine fein selbst aufgebrühten, exquisiten Kaffees im Team bekannt ist. „Da gibt es den Gero von Aha, der auch schon aufgrund seines Namens auffällig ist. Genauso verhält er sich oft in den Kriminalfällen – er lässt kaum ein Fettnäpfchen aus, in das man hineintapsen kann“, erzählt Renate Wirth über diesen „bunten Vogel“, der seinen Kollegen die Arbeit schwer machen, genauso aber die „zündende Idee“ zur Aufklärung des Falles beitragen kann. „Manchmal hat Gero dann eben diesen besagten Aha-Moment, der bei der Ermittlung ausschlaggebend ist“, ergänzt Thomas Hesse. Und weiter: „Es sind ja nicht nur Figuren, die wir angelegt haben, es sind richtige Charaktere.“ Renate Wirth spielt auf die Plastizität ihrer fiktiven Hauptdarsteller an: „Wir kennen unsere Charaktere ja schon über 20 Jahre und entwickeln sie immer weiter, wir altern quasi mit ihnen. Aber genau das wünschen sich unsere Fans, die gespannt deren persönlichen Werdegang verfolgen.“

Vielschichtige Änderungen im Verhalten können die Leser genauso gut bei den Figuren der Kommissariatsleiterin Karin Krafft, ihrem Mann Maarten de Kleurtje und ihrem Stellvertreter Nikolas Burmeester erkennen, die in den Romanen schon manche schwierige Situation gemeistert haben.

Inzwischen sind von ihnen 16 Bücher im Kölner Emons-Verlag erschienen. Das erste Werk hatte den Titel „Das Dorf“, dann haben sie sich von „Die Füchse“ zu „Der Stier“, über „Das schwarze Schaf“ und „Das Alpaka“ hin zu „Der Turmfalke“ bei der Namensgebung durch große Teile der regionalen Tierlandschaft hindurchdekliniert. „Komisch, dass wir wegen des Titels ‚Das schwarze Schaf‘ keine Probleme wegen der Urheberrechte hatten“, fällt Thomas Hesse in unserem Gespräch lakonisch auf. Wegen Hanns Dieter Hüsch, der sich selbst so bezeichnete. Denn beide Schriftsteller zollen dem niederrheinischen Kabarettisten großen Respekt für sein Œuvre.

Niederrhein Krimi: Das Alpaka von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Das Dorf von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Das schwarze Schaf von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Der Hahn von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Der Schwan von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Der Stier von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Der  Turmfalke von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Der Käfer von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Der Storch von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Die Elster von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Die Spinne von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Die Eule von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Die Wölfin von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Eulenblues von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag
Niederrhein Krimi: Hasenfuss von Thomas Hesse und Renate Wirth // Emons Verlag

Vorankündigung
DER WOLFSHUND 
Der neue Niederrhein Krimi von Thomas Hesse und Renate Wirth erscheint im Juni 2025!
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Den Stab übernommen vom bekannten Klever Autoren-Team

Liest man ihre Krimis, so kommen unweigerlich Gedanken an Leenders/Bay/Leenders auf. Selbst möchten sie aber nicht mit dem bekannten Krimiautoren-Team aus dem Klever Land verglichen werden. „Wir sehen uns als Rhein überspannendes Autoren-Duo“, sagen beide auf Anhieb. Soll heißen, sie lassen ihre Fälle sowohl am linken wie rechten Niederrhein spielen, während die Klever Autoren meist ihre Morde im nördlichen Teil des Kreises verorteten. Kennengelernt haben sich der ehemalige Journalist und die Gestalttherapeutin übrigens Anfang der 2000er-Jahre bei einem Krimi-Wettbewerb „Mord vor Ort“. Daraufhin wurden ihre Kurzkrimis in der dazugehörigen Anthologie veröffentlicht.

Überhaupt durchzieht die Bücher der fein ziselierte und detailreich ausgeschmückte Lokalkolorit, der die Leser unmittelbar in seinen Bann zieht. Regelmäßig geben die beiden Schriftsteller Lesungen in der Region: „Kürzlich waren wir in Rheinberg und Emmerich, wir versuchen dann immer eine Passage, die zu den Örtlichkeiten passt, aus dem Roman vorzulesen“, so Renate Wirth. „Aus dem Publikum kam letztes Mal der Einwand, dass unsere Ermittler an einer Stelle in Rheinberg links statt rechts hätten abbiegen müssen, um ans avisierte Ziel zu gelangen“, erzählt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Schön und gut, wenn es realitätsnah bleibt, aber manchmal erfinden Thomas Hesse und Renate Wirth auch Orte am Niederrhein: der Ort „Bislich-Büschken“, in dem Ermittler Nikolas Burmeester in den Geschichten recht abgeschieden lebt, existiert auf keiner niederrheinischen Landkarte. „Vielleicht haben wir den erfunden, damit wir nicht zu nah in real bestehende Dorfgemeinschaften hineinzoomen“, vermutet Thomas Hesse verschmitzt.

Die Geschichten der beiden Autoren, die sehr naturverbunden leben, hätten oft einen umweltpolitischen Überbau, meist einen aktuellen realen Bezug, so schildern es die beiden. „Wir müssen natürlich schauen, weil wir einen Vorlauf von circa eineinhalb Jahren vom Beginn des Schreibens bis zur Drucklegung haben, dass unser Thema auch dann beim Erscheinen noch von Interesse ist“, so Hesse. Im Buch „Das schwarze Schaf“ geht es um den Ausbau der Betuwe-Bahnstrecke zwischen Emmerich und Duisburg, die von niederrheinischen Umweltaktivisten durch einen Anschlag verhindert werden soll. „‚Der Turmfalke‘ hingegen setzt sich kritisch mit dem Verschwinden von grünen Vorgärten, also der grünen Lunge, in Stadtgebieten auseinander, was dann zu lokalpolitischen und mafiösen Verstrickungen führt“, verrät Thomas Hesse aus dem neuen Roman.

Eigentlich wollten sie den Neuling „Der Falke“ nennen: „Da waren aber die Urheberrechte bereits vergeben“, weiß Thomas Hesse. So entstand eben der Titel „Der Turmfalke“, und dieser hat auch etwas Verbindendes zwischen den beiden Autoren. „In unseren beiden Heimatorten also Wesel und Xanten nistet jeweils ein Turmfalkenpaar gerade im jeweiligen Dom, also im St.Willibrordi-Dom und bei mir im St.Viktor-Dom“, verrät Renate Wirth, die in Xanten wohnt, während Thomas Hesse seinen Lebensmittelpunkt in der alten Hansestadt hat. Jedenfalls, der Lokalkolorit wird auch in den zukünftigen Werken des Autoren-Duos bestehen bleiben – und gespannt darf man auf weitere nervenaufreibende Geschichten von Karin Krafft und Co. aus dem Kommisariat K1 in Wesel sein.

Text: Stephan Sadowski / NiederRhein Edition

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